Innerhalb Von Zwei Jahren scheiterte meine Ehe und verschlechterte sich meine berufliche Situation so weit, daß ich mir völlig wertlos vorkam. Ich hatte mich mein ganzes Leben lang auf Gott verlassen, und Er hatte immer für mich gesorgt, aber während dieser Zeit fühlte ich mich einsam und ungeliebt. Ich war zornig und verbittert. Ich dachte, Gott hätte mich verlassen.
Aber selbst in meiner aufgewühlten mentalen Verfassung, in der ich irgend etwas für meine Lage verantwortlich machen wollte, war ich imstande, mich an die Bibel zu wenden. Ich hatte immer gern den Bericht über Jakobs Sohn Josef gelesen, der plötzlich von seinem Vater getrennt wurde, viele Unannehmlichkeiten ertrug und doch stets durch sein Vertrauen auf Gott triumphierte. Jetzt half mir diese Geschichte durch meine tiefe persönliche Krise. Ich konnte einige hilfreiche Parallelen zwischen Josef und mir ziehen. Josef hatte seine Fehler, aber er verdiente es gewiß nicht, in eine Grube geworfen und in die Sklaverei nach Ägypten verkauft zu werden. Doch selbst nachdem er als Diener an Potifar, einen Offizier in der Leibwache des Pharao, verkauft worden war, handelte er nicht zornig, verbittert oder mürrisch. Im Gegenteil, wie die Bibel berichtet, machte Potifar Josef wegen seiner Weisheit und Vertrauenswürdigkeit zum Verwalter in seinem Hause.
Wie konnte Josef so vertrauenswürdig geworden sein, wo man ihn doch so ungerecht behandelt hatte? Die Antwort ist, daß Josef sein Leben immer Gott anvertraute. Josef konnte widrige Umstände ertragen, weil er darauf vetraute, daß Gott sein Leben regierte, ungeachtet seiner menschlichen Situation. Und wie in der Geschichte berichtet wird, wurde Josef, obwohl er Jahre als Diener oder Gefangener verbrachte, schließlich freigelassen und konnte Ägypten und die umliegenden Länder vor den Folgen einer ernsten Hungersnot bewahren.
Wenn Josef sein Leben Gott anvertraute, so überlegte ich mir, konnte ich das auch tun. Aber wenn ich mich für ein Kind Gottes hielt, wäre es inkonsequent, mich als allein, verbittert und wertlos zu sehen. In der Bibel lesen wir im ersten Buch Mose: „Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut." Wenn diese biblische Aussage die wahre geistige Schöpfung schildert — und die Christliche Wissenschaft sagt, daß sie es tut —, dann konnte Gott nicht Einsamkeit, Bitterkeit oder Wertlosigkeit gemacht haben und würde niemals einen Menschen schaffen, der diesen zur Verzweiflung treibenden Übeln unterworfen wäre. Daraus schloß ich, daß ich meine geistige Identität als ein Kind Gottes akzeptieren mußte und mir nicht erlauben durfte zu leiden. Gott hatte mich „armen Schlucker" nicht vergessen. Vielmehr hatte eine falsche Auffassung vom Selbst mich gegen Gottes immergegenwärtige Fürsorge blind gemacht. Wie Josef entschloß auch ich mich, im Licht meiner Beziehung zu Gott zu leben und zu handeln, indem ich in meinem Wesen den Menschen zum Ausdruck brachte, den Gott geschaffen hatte.
Jeden Tag bemühte ich mich, Freude und Zufriedenheit auszudrücken und für all das Gute in meinem Leben dankbar zu sein, anstatt ständig über dumme persönliche Ärgernisse nachzudenken. Bald fühlte ich mich wieder glücklich. Nicht lange nach dieser Veränderung des Denkens traf ich eine wundervolle Frau, und kurz danach heirateten wir. Sie studierte ebenfalls die Christliche Wissenschaft, und ich erklärte ihr, wie ich vor einiger Zeit gegen Depressionen gekämpft und sie dadurch bezwungen hatte, daß ich fortwährend danach strebte, Freude, Zufriedenheit und andere gottgegebene Eigenschaften auszudrücken. Sie erwähnte, daß sie sich hauptsächlich zu mir hingezogen fühlte, weil ich immer fröhlich zu sein schien und Eigenschaften ausdrückte, die sie bewunderte und schätzte. Mir zeigte dies, wie Gott unsere Nöte stillt, indem Er unser Identitätsbewußtsein vergeistigt; denn wäre ich weiterhin mürrisch, niedergeschlagen und zornig gewesen, hätte diese wundervolle Person mich vielleicht niemals bemerkt.
Es vergingen einige weitere Monate, bevor meine berufliche Situation sich verbesserte. Das Problem schien ein persönlicher Konflikt zwischen dem Generaldirektor der Gesellschaft und mir zu sein. Er schien meine Ratschläge stets zu ignorieren, die er, wie ich in meiner Arroganz meinte, dringend nötig hatte. Er degradierte mich schließlich und stellte meine Fähigkeiten nachdrücklich in Frage. Ich fühlte mich verletzt und geschlagen. Aber wieder erinnerte ich mich an Josef. Die Bibel berichtet uns, daß Potifar ihn wegen einer falschen Beschuldigung durch Potifars Frau ins Gefängnis werfen ließ. Josef war in ein physisches Gefängnis geworfen worden — ich hatte mich in ein mentales Gefängnis der Niederlage und der Selbstzweifel werfen lassen.
Als Josef im Gefängnis war, setzte er sich nicht hin und schmollte und bemitleidete sich wegen dieser Ungerechtigkeit. Die Bibel berichtet uns, wie ihm aufgrund seines guten Verhaltens und seiner Führungsqualitäten zusätzliche Pflichten auferlegt wurden. Wegen der guten Eigenschaften, die Josef zum Ausdruck brachte, wurde er schließlich freigelassen, und immer größere Aufgaben wurden ihm übertragen. So beschloß ich, aus meinem „Gefängnis" auszubrechen, indem ich jeden Tag so viele gute Eigenschaften wie möglich zum Ausdruck brachte. Das schloß auch ein, daß ich die geistige Natur und Integrität eines jeden Menschen als Kind Gottes anerkannte und meinen persönlichen Stolz aus dem Weg räumte.
Die Bibel hatte mir gezeigt, daß Josef bei allem, was er tat, immer sein Bestes gab; er drückte Gottes Eigenschaften aus, wo immer er auch war, ganz gleich, welche menschlichen Ereignisse ihn dort hingebracht hatten. Ich beschloß, so gut ich konnte, das gleiche zu tun. Ich hörte auf, mich jedesmal verletzt zu fühlen, wenn eine meiner Ideen verworfen wurde. Ich lobte und pries andere, wenn sie gute Vorschläge machten. Der Stolz ließ nach, und die Bescheidenheit nahm zu. Als ich lernte, Gott zu vertrauen, wurde ich zufriedener in meiner Arbeit; ich fühlte mich weniger unter Druck und wurde zuversichtlicher. Meine Beziehungen zum Generaldirektor verbesserten sich so weit, daß wir begannen, sehr gut zusammenzuarbeiten. Ja, er empfahl mich schließlich für die gleiche Position, von der er mich einige Monate zuvor abgesetzt hatte.
Mrs. Eddy sagt in Wissenschaft und Gesundheit: „Die zentrale Tatsache der Bibel ist die Überlegenheit der geistigen Kraft über die physische." Die Bibel enthält zahlreiche Berichte über Menschen, deren Leben durch das Verständnis umgewandelt wurde, daß das göttliche Prinzip, Gott, das Leben des Menschen völlig regiert. Und wie die Geschichte von Josef zeigt, ist Gott unsere sichere Zuflucht — Er bewacht, führt und regiert unser Leben —, egal, wie entmutigend die Situation auch sein mag.
