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Die Entwicklung von Egozentrik zur geistigen Liebe

Aus der Mai 1992-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Von Einem Lehrer an einer nahegelegenen pädagogischen Hochschule erfuhr ich, daß für die Art und Weise, wie kleine Kinder die Welt sehen, der Begriff „egozentrisch“ gebraucht wird. Er bringt zum Ausdruck, daß ein Kind in der frühen Entwicklungsphase sich selbst als Mittelpunkt der Welt sieht.

Dies bedeutet aber nicht unbedingt, daß es „selbstsüchtig“ ist in dem Sinne, wie wir dieses Wort üblicherweise verwenden. Das Kleinkind ist ganz einfach mit vielen Dingen außerhalb des Bereichs seiner eigenen Bedürfnisse und begrenzten Erfahrungen nicht vertraut. Aber mit dem Heranreifen — mit der Entwicklung — wächst bei dem Kind das Bewußtsein, daß es auch andere gibt, die Bedürfnisse haben.

Vielleicht finden wir dazu eine Parallele in der Entwicklung unseres eigenen Christseins und unserer Liebe zu anderen. Wer sich zum ersten Mal bewußt wird, daß das Christentum uns Hoffnung auf Erlösung, Glück, Heilung und Errettung verheißt, für den scheint sich dies alles auf die eigene Person zu beziehen. Diese Phase des Christentums ist sicherlich bei all jenen erkennbar, die zu Christus Jesus kamen. Ganze Menschenmengen kamen, um geheilt zu werden. Aber nur verhältnismäßig wenige waren darunter, die als Jünger bzw. Schüler des Meisters die Heilarbeit für andere aufnehmen wollten.

Die Neigung der Menschen, nicht mehr tun zu wollen als lediglich die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, kann man wohl verurteilen — und wir sind vielleicht auch oft versucht, die vermeintlich egozentrische Lebenseinstellung anderer zu kritisieren —, aber das bringt keinen von uns voran. Es fördert nicht die geistige Zuneigung, die sich auf die Überzeugung gründet, daß Gott die göttliche und universale Liebe ist, die alle in Seine Umarmung einschließt.

Noch etwas anderes lernte ich von jenem Hochschullehrer: Wenn man ein Kind wegen seines egozentrischen Verhaltens kritisiert, so erreicht man wenig. Tatsächlich verfügen Kinder über wunderbare Schätze und enorme Fähigkeiten, sich über ihre frühe Egozentrik hinauszuentwickeln. Die Aufgabe des Lehrers ist es, diese Fähigkeiten zu entfalten. Jesus war Meister darin.

Als der Apostel Petrus kläglich versagte und, nachdem Jesus verhaftet worden war, sogar bestritt, ihn zu kennen, hätte unser Meister ihn abschreiben und des Vertrauens und größerer Verantwortung für unwürdig befinden können. Jesus aber erkannte mehr in Petrus; er erkannte das geistige Potential, das zur Entfaltung gebracht werden konnte. Als Ergebnis finden wir im letzten Kapitel des Johannesevangeliums höchst verständnisvoll und mitfühlend beschrieben, wie Jesus Petrus wieder in seine Herde zurückbrachte.

Vielleicht ist es notwendig, daß wir weniger Kritik üben, wenn andere den Erwartungen, die wir an sie stellen, nicht genügen. Wir können um mehr Weisheit beten, damit wir erkennen, wie wir selbstloser lieben können. Je mehr wir diese Liebe aufgrund eigener Erfahrung verstehen, um so mehr werden wir anderen helfen können, diese Liebe zu entwickeln und ihr eigenes Leben zu verbessern.

Die Wissenschaft des Christus vermittelt uns das Verständnis, daß der Mensch geistig ist, das Bild und Gleichnis Gottes, der Geist ist. Je mehr wir von der wahren geistigen Identität des Menschen als Gottes Ausdruck erfahren, um so weniger werden wir uns von den trügerischen und manchmal grausamen Aspekten des menschlichen, sterblichen Lebens zurückhalten oder entmutigen lassen.

Mit dem Ausdruck geistiger Sinn beschreibt die Christliche Wissenschaft die angeborene Fähigkeit, die jeder von uns besitzt, die geistige Wirklichkeit wahrzunehmen — die Gegenwart der göttlichen Liebe, die Gegenwart Gottes so greifbar zu spüren, daß wir tatsächlich die nötige Weisheit und Stärke finden, um Liebe widerspiegeln und das Böse überwinden zu können.

Wut, Haß, Furcht, Groll, Gleichgültigkeit, Mißachtung des Wohlergehens anderer — wie man auch all diese irregeleiteten Gefühle nennen mag —, sie sind nicht gut. Sie haben ihren Ursprung in der vergänglichen Auffassung, daß das Böse die Wirklichkeit sei, als ob das Böse mächtiger sein könnte als Gott, das Gute. Wir lernen wichtige Anfangslektionen in der Christlichen Wissenschaft, wenn wir das Böse nicht länger als eine Autorität betrachten oder Gott gleichstellen, ungeachtet der Formen, die es annimmt.

Mary Baker Eddy beschreibt die ersten Entwicklungsstadien, die der einzelne — speziell der Anfänger — beim Studium und bei der Anwendung der Christlichen Wissenschaft erlebt. In ihrem Buch Rückblick und Einblick wird diese Entwicklung in dem Kapitel „Ermahnung“ eingehend behandelt.

Mrs. Eddy schreibt: „Der Neuling in der Christlichen Wissenschaft arbeitet wie ein kranker Körper — entweder zu schnell oder zu langsam. Er neigt dazu, entweder zuviel oder zuwenig zu tun.“ Es überrascht nicht, wenn sie fortfährt: „Wenn wir von irregeleiteten Gefühlsbewegungen bedrängt werden, werden wir auf dem Flugsand weltlicher Verwirrung stranden und tatsächlich der Weisheit ermangeln, die wir benötigen, um den Sieg über das Selbst und die Sünde zu lehren und zu demonstrieren.“

Weiter rät sie: „Seid maßvoll im Denken, Reden und Tun. Sanftmut und Mäßigung sind die in Weisheit gefaßten Edelsteine der Liebe. Bezähmt den ungemäßigten Eifer., Lernt arbeiten und warten.’ Vor alters wurden die Kinder Israel durch geduldiges Warten errettet.“

Wenn wir der rein egozentrischen Liebe entwachsen, so ist dabei nichts so wertvoll wie die erworbene Bereitschaft, zu arbeiten und Gott so gründlich zu vertrauen, daß wir lernen, die Folgen Seines Gesetzes abzuwarten, das sich auf menschliches Denken und Handeln auswirkt. Liebe und Gebet, getragen von unserer Hingabe für Gottes Allgegenwart, ermöglichen es uns, aus einer egozentrischen Einstellung heraus- und in die geistige Auffassung vom Menschen als Gottes geliebtes Kind hineinzuwachsen.

Wir werden dann sehen, wie sich in uns die echte, geistige Liebe entwickelt, weil wir erkennen, was Gott erschaffen hat, und dann können wir nicht umhin, Seine geistige Schöpfung zu lieben. Wenn wir in dieser christlichen Art auf die Welt eingehen, wird dadurch die geistige Fähigkeit entwickelt, die all das überwindet, was uns das Leben vergällen oder Gottes gute Absichten für jeden Menschen behindern will.

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