Droit du sol oder droit du sang („auf französischem Boden geboren“ oder „von französischem Blut“) — was verleiht das Bürgerrecht? Französische Politiker streiten sich erbittert über Einwanderungsfragen. Das Thema ist heutzutage ein heißes Eisen in allen europäischen Ländern, die sich vor dieses Problem gestellt sehen.
Hinter der Einwanderungsproblematik aber steht das Problem der Integration derer, die bereits in unserem Land leben, besonders der Kinder der Einwanderer, also der sogenannten „zweiten Generation“. Behörden und Regierungen haben es schwer, Lösungen für Arbeitslosigkeit, Ausbildung, Unsicherheit und Vandalismus zu finden.
Wie können sich Menschen in fremde Kulturen mit anderen Gebräuchen und Gesetzen einfügen? Wie können wir die Zeitbombe des Hasses entschärfen, der einen verzweifelten jungen Menschen dazu bringt, zu sagen: „Ich will gar nicht integriert werden. Ich will zerstören.“? Auf solche Fragen läßt sich eine hilfreiche Antwort finden, wenn man die praktische Anwendbarkeit der Lehren Christi erkennt. Er lehrte, daß geistige Erneuerung notwendig ist, daß wir „von neuem geboren“ werden müssen. Das erfordert beständiges Bemühen — und doch betrachten wir es als selbstverständlich, wenn wir zu verstehen beginnen, was wir wirklich sind. Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „In der Wissenschaft ist der Mensch der Sprößling des Geistes. Das Schöne, das Gute und das Reine sind seine Ahnen. Sein Ursprung liegt nicht im tierischen Instinkt wie der Ursprung der Sterblichen, noch geht der Mensch durch materielle Zustände hindurch, ehe er die Intelligenz erreicht. Geist ist seine ursprüngliche und endgültige Quelle des Seins; Gott ist sein Vater, und Leben ist das Gesetz seines Seins.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 63.
Das Erkennen des wirklichen, geistigen Ursprungs des Menschen führt aber nicht zu einer Abwertung unserer Individualität. Es läßt uns nicht vergessen, wer und was wir menschlich sind. Es gibt uns vielmehr die Gewißheit, daß wir ewiglich alles Gute besitzen, und läßt uns alles Gegenteilige ablehnen, weil es unserem Wesen fremd ist. Es bedeutet, daß wir uns an das göttliche Gesetz halten, um zu beweisen, wer wir wirklich sind. Praktisch bedeutet das auch, daß wir den Wunsch haben, uns an die Gesetze des Landes zu halten, uns vernünftig zu betragen, doch zugleich moralischen Mut zu zeigen. Das ist sicherlich besonders wichtig bei Fragen der Einwanderung und Integration.
Eine Heilung, die ich selbst erlebt habe, veranschaulicht vielleicht, wie wir bei solchen Herausforderungen durch Gebet den Sieg davontragen können. Ich habe fast mein ganzes Leben lang in einer Gegend gewohnt, in der ein hoher Prozentsatz von Einwanderern lebt (ja, mein Vater selbst hatte sich als junger Mensch dazu entschlossen, seine Heimat zu verlassen). Daher fühlte ich mich dort nie recht zu Hause. Viele Aspekte der Situation nahmen mir geradezu allen Mut. Und als ich andere Länder besuchte, war ich mehrere Male versucht, nie wieder in mein Heimatland zurückzukehren — so sehr war ich davon überzeugt, daß ich da nie hinpassen würde. Ich haßte sogar unbewußt meine Mitbürger.
Aber noch eine andere Stimme meldete sich in mir. Immer wenn ich den tiefen Wunsch hatte, meine Zukunft allein Gott anzuvertrauen oder wenn ich einen Ausüber der Christlichen Wissenschaft gebeten hatte, mir durch Gebet zu helfen, führte mich das „stille, sanfte Sausen“ 1. Kön 19:12., von dem die Bibel spricht, zu der gleichen Schlußfolgerung: „Gib nicht auf; kämpfe für deine göttlichen Rechte; sei willens, aufzubauen — und nicht zu verdammen und alles hinzuwerfen.“ Moralischer Mut wurde von mir gefordert, und das ist etwas ganz anderes als tierischer Mut. Tierischer Mut ist keine echte Hilfe für jemanden, der vielleicht davon überzeugt ist, daß sich ja doch nie etwas ändern wird oder daß er niemals aus einer schwierigen Situation herausfinden kann.
Eine Stelle in der Bibel gab mir Trost, Mut und Sicherheit, die menschlicher Rat mir nicht geben konnte. Im Buch des Propheten Joel wird berichtet, daß Gott zu Israel gesagt hat: „Ich will euch die Jahre erstatten, deren Ertrag die Heuschrecken, Käfer, Geschmeiß und Raupen gefressen haben.“ Joel 2:25. Deutet diese Verheißung nicht auf die Beständigkeit des Guten hin? Die Erkenntnis der geistigen Wirklichkeit, nämlich daß Gott ununterbrochen für jedes Seiner Kinder sorgt, ist heilender Balsam für verletzte Gefühle, scheinen sie auch noch so gerechtfertigt zu sein. Heute kann ich ehrlich sagen, daß der Groll, den ich im Herzen trug, durch Gebet völlig zerstört worden ist und daß ich jetzt meine Mitbürger und alle anderen Menschen schätze.
Durch geistige Erneuerung werden wir sicher geleitet. Diese Erneuerung schließt das ständige Verlangen in sich, das zu sein, was wir wirklich sind — das Ebenbild der göttlichen Liebe, der Sprößling des Geistes. Sicher werden wir Kämpfe mit uns selbst auszufechten haben, wenn wir uns bemühen, Reaktionen wie Haß, Neid, Furcht oder Ungeduld, Halsstarrigkeit, Stolz, Selbstrechtfertigung und Verzweiflung abzulegen. Doch so beweisen wir mehr von unserem wahren Status, über den Paulus in seinem Brief an die Galater schreibt: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Kinder und nach der Verheißung Erben.“ Gal 3:28, 29. Gebet, das den Menschen geistig statt ethnisch sieht, schützt sowohl den einzelnen als auch die ganze Gesellschaft. Es macht uns zu besseren Bürgern.
Es ist sehr hilfreich, wenn wir uns vor Augen führen, was für eine wichtige Rolle die „zweite Generation“ bei den Änderungen spielt, die sich jetzt in Europa vollziehen. Ich kenne zum Beispiel eine Einwandererfamilie, in der die Jugendlichen und die erwachsenen Kinder ihre Eltern eine Lebensweise lehren, die so ganz anders ist als das, was sie in ihrem Heimatland gewohnt waren, die aber für ein Leben in der Europäischen Gemeinschaft unerläßlich ist. Es ist ermutigend zu erkennen, daß die göttliche Liebe uns dazu befähigt, uns einem neuen Lebensstil anzupassen — wie groß die Unterschiede auch sein mögen. Der Einwanderer wagt oft kaum zu hoffen, daß er sich jemals im neuen Land daheim fühlen wird. Aber eine solche Hoffnung ist nicht unrealistisch, sondern ist die ganz natürliche Erwartung, daß die göttliche Liebe immer für uns sorgen wird.
Jeder von uns hat Gelegenheit mitzuhelfen, indem er für diese und andere Angelegenheiten betet. Und jedes einzelne Gebet zählt. Folgende Worte aus Wissenschaft und Gesundheit sind besonders relevant und verheißungsvoll: „Wenn du aus wahren Beweggründen arbeitest und betest, wird dein Vater dir den Weg auftun.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 326.
