Wenn Ein Soldat aus einer Kampfeinheit entlassen wird und nach Hause zurückkehrt, sieht er sich manchmal größeren Problemen gegenüber, als er vielleicht erwartet hat. Natürlich bedeutet die Tatsache, daß jemand Soldat war, nicht automatisch, daß er (oder sie) Probleme hat. Doch es gibt Dinge, die Kriegsteilnehmer verarbeiten müssen, ganz gleich, wer sie sind. Zum Beispiel beschrieb ein Mann seine Rückkehr aus Vietnam so: „Ich war Mitglied einer Kampfeinheit, und ich kämpfte im Dschungel durchs Dickicht und riskierte alles, um Kampfaufträge auszuführen, deren Sinn ich nicht immer erfassen konnte. Als ich entlassen wurde, brachte man mich schnell weit vom heftigen Kampfgeschehen weg. Aufgrund der großen Geschwindigkeit, mit der Hubschrauber und Flugzeuge Menschen transportieren, fand ich mich 48 Stunden später in meiner Heimatstadt wieder, wo ich an einer Straßenecke stand und zuschaute, wie die Menschen ihren täglichen Beschäftigungen nachgingen.“
Dieser plötzliche Wechsel war sicher für viele heimkehrende Soldaten ein Schock. Doch selbst wenn zwischen dem Kriegsgeschehen und der Rückkehr sehr viel mehr Zeit liegt, bleiben Probleme, die die zurückkehrenden Soldaten aller Kriege lösen müssen. Menschen, die dem Kriegsgeschehen unmittelbar ausgesetzt waren — ob in Südfrankreich, in Korea, am Persischen Golf oder in Sarajewo —, haben wahrscheinlich mit enormer Intensität gekämpft, waren harten Lebensbedingungen ausgesetzt und erlebten Greueltaten und die Erniedrigung menschlichen Lebens. Während dieser ganzen Zeit, aber besonders vor einem Kampfeinsatz (selbst wenn er vielleicht noch Monate in der Zukunft liegt), leiden die Betreffenden oft unter einer nie nachlassenden Angst. Ein ehemaliger Soldat — ein Kampfflieger — schilderte, daß er nach jedem seiner ersten zehn Einsätze den verzweifelten Wunsch hatte, dem Militärdienst den Rücken zu kehren — ohne Rücksicht auf die Folgen.
Am Ende der meisten Kriege ist die Heimkehr der Soldaten Anlaß zu Paraden und Jubel; manchmal aber werden die zurückkehrenden Kriegsteilnehmer auch mit Gleichgültigkeit empfangen, in einigen Fällen schlägt ihnen sogar Verachtung und Haß entgegen. Häufig spielt es für den einzelnen Heimkehrer keine Rolle, ob ein Krieg politisch richtig war oder Unterstützung fand. Oftmals geht es in erster Linie darum, daß der Betreffende sein Selbstwertgefühl wiedergewinnt und das Leben für ihn wieder einen Sinn erhält; auch muß er sich wieder an ein von Vernunft und Güte bestimmtes Leben gewöhnen.
Ein junger Mensch, der jeden Tag unter Bedingungen gelebt hat, wo jede Entscheidung Leben oder Tod bedeuten konnte, sieht das Leben ganz anders als seine Freunde, die nicht im Krieg waren. Jemand, der zum Beispiel für die Sicherheit mehrerer anderer Menschen und eines viele Millionen Mark teuren Hubschraubers verantwortlich war und der jetzt im Zivilleben eine wenig verantwortungsvolle Stellung innehat, fragt sich vielleicht, warum er überhaupt zur Arbeit geht, um etwas zu tun, was sich ihm als eine verhältnismäßig belanglose, unbedeutende Aufgabe darstellen mag. Wie kann er sich dazu bringen, irgendeine Verantwortung in der zivilen Welt zu übernehmen? Er muß erkennen, daß er keine Entscheidungen mehr zu treffen hat, bei denen es um Leben oder Tod geht.
Selbst wenn er meint, daß andere nicht verstehen, warum er allein sein möchte, warum er sich schuldig fühlt, daß er überlebt hat, oder warum er glaubt, daß er der einzige Mensch auf der Welt sei, der sich mit solchen Problemen auseinandersetzt, wird er nicht durch Schlaflosigkeit oder Bitterkeit zu einer Antwort und — zu guter Letzt — seiner Heilung kommen.
Vor siebzig Jahren benutzten die Menschen den Ausdruck „Kriegsneurose“ für das, was heute „posttraumatische Belastungsreaktion“ genannt wird. Wie man es auch nennt, jemand, der darunter leidet, stellt früher oder später fest, daß es sinnlos ist, depressiv oder aggressiv zu reagieren, ganz gleich, wie niederdrückend die Situation ist. Die militärische Ausbildung prägt dem Soldaten notwendigerweise ein, daß er zurückschlagen muß — und zwar hart —, wenn er Unrecht erleidet. Christliche Vergebung, Rücksichtnahme und, mehr noch, eine wachsende geistige Liebe zu uns selbst und unseren Mitmenschen sind nötig, um äußere Kontroversen und innere Konflikte auf friedliche Weise beizulegen. Aus der Erkenntnis, daß Gott uns und die anderen liebt, können wir eine ungeheure innere Kraft schöpfen. Geistige Liebe wird von Gott getragen, nicht nur von guten Vorsätzen. Die Liebe, die Christus Jesus zu Gott und zu allen Menschen hatte, denen er begegnete, ist ein Beispiel für uns. Diese Liebe war nicht nur gut gemeint, sie brachte Heilung. Jesus ließ die Liebe Gottes jeden Augenblick sein Denken regieren und die bestimmende Rolle in seinen alltäglichen Beziehungen zu anderen einnehmen. Auch wir können der Kraft Gottes einen Platz einräumen und unser Erleben davon beherrschen lassen.
Im tiefsten Innern fühlen wir intuitiv, daß allein die Macht der göttlichen Liebe, Gottes, uns helfen kann zu erkennen, welche Richtung wir einschlagen sollten, um etwas Sinnvolles und Produktives zu tun. Andere mit christlicher Liebe zu lieben, ist befreiend und wäscht uns rein. Christus Jesus sagte: „Das ist mein Gebot, daß ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe. Niemand hat größere Liebe als die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde.“ Joh 15:12, 13.
Wenn wir zum Beispiel versucht sind, auf eine Nachrichtensendung über eine bestimmte politische Entscheidung, die uns alles andere als vernünftig erscheint, wütend zu reagieren, können wir uns fragen: „Wenn Jesus hier wäre, wie würde er darauf reagieren?“ Als einer seiner Jünger jemanden mit dem Schwert angriff, um Jesus zu verteidigen, griff Jesus keineswegs selbst zur Waffe, um ebenfalls zu kämpfen. Statt dessen heilte er den Mann, der gekommen war, ihn gefangenzunehmen, und der durch Jesu Jünger verwundet worden war. Siehe Lk 22:50, 51.
Solche geistige Demut und Stärke brauchen wir, um zu lieben, wenn wir versucht sind, feindselig zu reagieren. Für andere da zu sein erfordert Demut und Kraft. Es erfordert Demut und Kraft, Gott zu fragen: „Was kann ich tun, sei es noch so unbedeutend, das die Welt heute besser macht?“ Es hat nichts mit Ichbezogenheit zu tun, wenn man so für andere da ist, wie Jesus es war. Im Gegenteil, eine große heilende Kraft wird freigesetzt — eine Kraft, die jede andere Form von „Kraft“ oder „Macht“, die wir gesehen oder erlebt haben mögen, unbedeutend und wenig eindrucksvoll erscheinen läßt —, wenn wir Christus, Wahrheit, klar erkennen und ihm Einfluß auf unser Leben gewähren. Statt den Wunsch zu haben, uns von unseren Mitmenschen abzusondern, werden wir feststellen, daß wir Gott bitten, uns Gelegenheiten zu zeigen, anderen zu helfen. Jetzt gibt es kein „Wir“ und „Die anderen“ mehr — keine „ehemaligen Soldaten“ und „Zivilisten“. Wenn jemand nicht mehr beim Militär dient, kann es für den Betreffenden nützlich sein anzuerkennen, daß er ein Zivilist ist und kein Militärangehöriger, der unter Zivilisten lebt. Doch noch wichtiger ist die Erkenntnis, daß der einzelne in diesem Augenblick das Kind Gottes ist, das geistig reine Ebenbild der göttlichen Liebe. Anstatt an die Vergangenheit gefesselt zu sein, entdecken wir dann, daß eine Ewigkeit des Guten existiert, in der wir vieles lernen und besser machen können.
So sehr die grauenvollen Erlebnisse vor, während oder nach einem Gefecht Sie auch beeindruckt haben mögen, sie sind keine bleibende Seite, die untilgbar im Buch Ihres Lebens festgeschrieben ist. Behalten Sie das Gute, das Sie bei Ihren Erlebnissen gewonnen haben — und es gibt immer etwas Gutes —, blättern Sie die Seite um, und lassen Sie das Schreckliche hinter sich, um es im Licht von Gottes Wahrheit und Liebe, die sich heute entfalten, verblassen zu lassen. Neue Gelegenheiten, Gott und die Menschen zu lieben, erwarten Sie. Kein Mensch kann Ihnen diese Aufgabe geben, und keiner kann sie Ihnen nehmen.
Können Sie sich vorstellen, daß Gott jemanden erschafft, ohne ihm einen Platz oder einen Sinn im Leben zu geben? Er würde Seine Kinder nicht erschaffen, damit sie einander den Platz nehmen oder miteinander um eine Chance konkurrieren. „Ohne Sein Ebenbild und Gleichnis wäre Gott eine Nicht-Wesenheit oder ein unausgedrücktes Gemüt“, schreibt die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft
Christian Science (kr’istjen s’aiens), Mary Baker Eddy, im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift.Wissenschaft und Gesundheit, S. 303. Ihr Dasein ist notwendig, sonst wäre Gottes Ausdruck nicht vollständig. Und Er drückt sich mit Sicherheit nicht in Raserei oder Haß aus, sondern in Liebe, Güte und Nützlichkeit. Sein Werk ist an der selbstlosen Liebe zu erkennen, an der Bereitschaft zu vergeben und an der Geduld, die wir widerspiegeln. Einerlei, woher wir kommen, wie weit wir schon gekommen sind oder wie weit wir noch gehen müssen — wir können es uns nicht leisten, uns mit etwas Geringerem zufriedenzugeben als dem Einfluß Gottes auf unser Leben. Eine Heilung kann schnell erfolgen oder langsam, Schritt für Schritt — doch Haß und Schuld werden dahinschmelzen. Wir werden unserem Leben wieder einen Sinn geben können, wir werden Wachstum erleben und zu einer besseren Selbsteinschätzung gelangen.