Stellen Sie sich vor, jemand kommt zu Ihnen und sagt: Ich bemühe mich, immer alles richtig zu machen. Ich erledige meine Arbeit gewissenhaft. Ich führe ein moralisches Leben. Ich denke an andere. Und doch klappt es nicht immer so, wie es sollte. Ich fühle mich unbefriedigt; es fehlt eine zu Grunde liegende Stabilität, eine tiefe Zufriedenheit und Freude.
So ähnlich mag es ein reicher junger Mann empfunden haben, der einmal zu Jesus kam und ihn um Rat bat. Er wollte wissen, was er tun müsse, um einen bleibenden Wert in sein Leben zu bringen. Jesus antwortete ihm, dass er die Gebote halten solle und zählte vom mosaischen Dekalog die Gebote auf, die den Umgang mit anderen Menschen betreffen. Also die Gebote 5 bis 10: „Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis geben; ehre Vater und Mutter; und: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." Mt 19:18, 19.
Diese Gebote habe er immer alle gehalten, sagt der junge Mann zu Jesus, und er stellt eine interessante Frage, über die sich mancher wundern mag: „Was fehlt mir noch?" Er hat sich von klein auf an den Geboten orientiert und doch fühlt er offensichtlich immer noch eine Leere, einen Mangel. Wie kann das sein? Sind diese Gebote nicht die Richtschnur für unser Leben, um „auf dem geraden und schmalen Weg" zu bleiben? Um ein harmonisches Miteinanderleben zu ermöglichen? Um ein befriedigtes und erfülltes Leben zu führen?
Ganz gewiss ist ein Gehorsam gegenüber diesen Geboten entscheiden. Aber eine begründete Zufriedenheit kommt mit einer tiefen Liebe und einem klaren Verständnis vom ersten Gebot: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir." 2. Mose 20:3. Wenn wir die Wirklichkeit von einem Gott, einem göttlichen Geist erkennen, dann fehlt uns nicht mehr das Verständnis von unserer geistigen Quelle, dem Ursprung unseres Wirkens — und wir nehmen unsere ununterbrochene Beziehung zu Gott wahr. Uns fehlt das Bewusstsein, dass die Nächstenliebe, die Aufrichtigkeit und Fairness, die wir anderen entgegenbringen, tatsächlich schon Ausdruck der Liebe Gottes zum Menschen sind.
Mary Baker Eddy, die die Christliche Wissenschaft entdeckte und gründete, schreibt in dem Buch Wissenschaft und Gesundheit, in dem sie ihre geistigen Entdeckungen dargelegt hat: „Das göttliche Gemüt verlangt mit Recht des Menschen ganzen Gehorsam, seine ganze Neigung und Stärke. Kein Vorbehalt wird für irgendeine geringere Pflichttreue gemacht. Gehorsam gegen Wahrheit verleiht dem Menschen Macht und Stärke." Wissenschaft und Gesundheit, S. 183.
Der junge Mann hat sich von klein auf an den Geboten orientiert und doch fühlt er offensichtlich immer noch eine Leere, einen Mangel. Wie kann das sein? Sind diese Gebote nicht die Richtschnur für unser Leben?
Mrs. Eddy war jemand, dem die Bibel und die Gebote von klein auf vertraut waren. Sie wurde sehr religiös erzogen und betete viel. Sie hatte eine ganz natürliche und tiefe Liebe zu Gott und den Menschen. Im Jahre 1866 entdeckte sie geistige Zusammenhänge, die zu einer Heilung von einem schweren Unfall führten. Sie erkannte, dass Leben und Dasein rein geistig sind und von Gott erhalten werden; sie haben nichts mit materiellen Zuständen zu tun.
Unsere eigene Bereitschaft zur Treue gegen jedes der zehn Gebote wird zum Wegbereiter für das Bewusstsein unserer unantastbaren Beziehung zu Gott. Wir müssen den Wunsch verwirklichen, alles Gott, Geist, unterzuordnen und ihm zu dienen.
Jesu Antwort an den jungen Mann ist in diesem Zusammenhang sehr aufschlussreich. Sie macht deutlich, dass wir, um wahre Werte in unser Leben zu bringen, Gott nicht nur im Denken an die erste Stelle setzen müssen und Materie für Geist eintauschen müssen, sondern auch den praktischen Beweis dafür erbringen müssen, dass wir Gott über alles lieben, indem wir andere lieben. Jesus sagt zu ihm: „Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach!" Mt 19:21.
Dieses Hinwenden zu unserem Vater-Mutter Gott öffnet unser Bewusstsein, lässt uns mehr von der völligen Geistigkeit der Schöpfung erkennen und gibt uns tiefe Einblicke in die Wirklichkeit, die völlig und ununterbrochen harmonisch, rein und heilig ist. Wir lernen uns so mehr und mehr als Gottes geliebtes Kind verstehen, das seit jeher der volle Ausdruck Seines Wesens war und ist und nur so wirken kann, wie Gott wirkt.
Jesu Antwort macht deutlich, daß wir Gott nicht nur im Denken an die erste Stelle setzen müssen, sondern auch den praktischen Beweis dafür erbringen müssen, dass wir Gott über alles lieben, indem wir andere lieben.
Wir können uns prüfen, ob es Dinge in unserem Leben gibt, die uns mehr zu regieren beanspruchen, als das Verlangen, Gott zu dienen. Einmal war ich versucht, an einem Mittwochabend lieber an meinem Schreibtisch weiter zu arbeiten, weil es so viel Arbeit gab, anstatt eine christlich-wissenschaftliche Zeugnisversammlung zu besuchen. In diesen Versammlungen lauschen die Anwesenden einer Lesung aus der Bibel und Wissenschaft und Gesundheit und berichten anschließend von Heilungen und Erfahrungen durch Gebet.
Ich entschloss mich trotz der Menge an Arbeit, die ich hatte, zu diesem Treffen zu gehen und erlebte einen großen Segen von dieser Stunde Gottesdienst. In meiner Arbeitsstelle, die ich damals hatte, bat mich mein Chef, in einem Computerprogramm, das ich entwickelte, eine weitere Funktion zu integrieren. Er sah aber keine große Hoffnung dafür, weil schon andere Leute vor mir diese Idee nicht hatten realisieren können. Nachdem ich einige Tage über dieser Angelegenheit gebrütet hatte, war die Versuchung an jenem Mittwochabend sehr groß, „dran zu bleiben" und nicht in die Zeugnisversammlung zu gehen. Aber ich entschied mich bewußt, diese Stunde zu investieren. Ich legte den Kugelschreiber zur Seite und ging hin. Und ich bemühte mich, alle Gedanken, die um die Arbeit kreisen wollten, auszuschließen und nur der Lesung zu lauschen. Und mitten während der Lesung kam ein Gedanke, der mich das ganze Problem mit zwei Sätzen beschreiben und lösen ließ. Voller Freude und Dankbarkeit machte ich mich am nächsten Tag an die praktische Umsetzung und in kurzer Zeit war alles programmiert und lief fehlerfrei.
Es ist unmöglich, dass dem geistigen, vollkommenen Menschen, der wir in Wirklichkeit sind, irgendetwas „fehlt". Wann immer sich uns die Frage stellt „Was fehlt mir noch?" können wir unsere Prioritäten sofort umsortieren. Wenn unser Hunger danach, Gott mehr zu lieben, ganz oben steht, wird uns nichts fehlen.