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Erster Tag...

Aus der März 1998-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Stellen Sie sich vor, Ihre Kirche hätte keine Geschichte und heute wäre ihr erster Tag. Würden Sie nicht darauf brennen, der Welt davon zu erzählen, dass Gottes Wahrheit die Menschen frei macht? Frei, sie selber zu sein, so wie Gott sie geschaffen hat. Frei von Sünde, Verletzung, Hass und Mangel. Natürlich wäre noch keine Zeit dazu gewesen, eine religiöse Kultur zu schaffen oder zu bewahren. Keine Rituale. Kein eingefleischter Jargon. Alle Anstrengungen wären darauf gerichtet, die gute Nachricht des Urchristentums zu verbreiten. Ihrer Begeisterung würde kein Dämpfer aufgesetzt durch Vorgehensweisen, die in der Vergangenheit festgelegt wurden, und Ihre frohe Botschaft würde wahrscheinlich in jedes Gespräch einfließen, das Sie mit anderen führten.

Die Kultur ist ein wesentlicher Bestandteil der organisierten Religion. Religiöse Kultur kann inspirierend und schön sein. Doch so mancher findet bestimmte Aspekte davon erdrückend. Mit Kultur meine ich Dinge, die die Sitten Bräuche und Verhaltensweisen eines bestimmten Volkes kennzeichnen. Zur Kultur können das Erscheinungsbild einer Kirche, die Fenster, die Architektur, die Rituale, die besondere Sprache — das ganze äußere Drum und Dran — einer religiösen Gemeinschaft und ihrer Mitglieder gehören.

In einigen Fällen kann die Kultur die Religion selbst verdrängen. Eines Tages wird sich dann vielleicht eine Glaubensgemeinschaft für die Öffentlichkeit und sogar für die eigenen Mitglieder durch Tradition und Ritual anstatt durch Inspiration definieren. Je nach dem individuellen Standpunkt sind die Ansichten darüber, welche Aspekte religiöser Kultur die Inspiration fördern und welche hinderlich sind, verschieden. Doch einigermaßen klar ist, dass Themen wie zum Beispiel das Aussuchen einer Farbe für die Kirchentür oder der Sitzplätze für Sonntagsschüler das Denken nicht beherrschen sollten, denn sie überschatten die Freude der Inspiration und Entdeckung, die heilt und wiederherstellt.

Religiöse Kultur ist etwas, was sich meistens still und leise neben einer Organisation her entwickelt. Im Verlauf der Zeit mögen sich aus den leuchtenden Momenten in der Geschichte einer Institution Traditionen herausbilden. Es scheint, dass eine einzelne originelle Idee oder ein inspirierendes Ereignis in den Menschen oft das Bedürfnis weckt zu versuchen es irgendwie physisch zu reproduzieren, und das nicht nur einmal, sondern immer wieder. Die Reproduktionen sind gewöhnlich nur Echos. Ihnen fehlt die Substanz des Originals, mögen sie auch mit Inbrunst ausgeführt werden.

Wenn es heute für Ihre Kirche der erste Tag wäre, was für Menschen wären dann gute Kandidaten für das, was Ihre Kirche zu bieten hat? Wer sollte die Botschaft Ihrer Kirche hören und wer würde davon profitieren? Was für Voraussetzungen müssten diese Menschen mitbringen? Wie würden sie aussehen? Wie steht es mit ihren Ansichten und Traditionen? Wären solche Fragen überhaupt relevant?

Christus Jesus gibt uns im Neuen Testament der Bibel Hinweise darauf, was die Kriterien für potentielle Hörer und Täter des Wortes sein könnten. Siehe Mt 13:18-23. Er erklärt, wie die Saat in verschiedenen Arten von Böden wächst, und vergleicht das damit, wie die Menschen reagieren, wenn sie vom Himmelreich hören. Der Erfolg ist beachtlich, wenn der Boden „gut" ist. „Bei dem aber auf gutes Land gesät ist, das ist, der das Wort hört und versteht und dann auch Frucht bringt; und der eine trägt hundertfach, der andere sechzigfach, der dritte dreißigfach", sagte Jesus.

Das „gute Land", das heißt Geistigkeit, trifft man nicht selten gerade dann im Denken und Leben eines Menschen an, wenn man es am wenigsten erwartet. Ist Geistigkeit und Empfänglichkeit unabhängig von Herkunft, äußerer Erscheinung, sozialer Kultur, gesellschaftlichem Status, Alter oder Geschlecht zu finden? Die Kultur einer Glaubensgemeinschaft hat wenig oder keinen Einfluss auf die Geistigkeit eines Menschen.

Es lohnt sich sicherlich zu beten, um die Empfänglichkeit zu erkennen und sie zu achten, wo und wann immer sie uns begegnen mag. Als Jesus und seine Jünger sich einmal einen Weg durch eine Menschenmenge bahnten, drehte er sich um und fragte laut: „Wer hat mich berührt?" Lk 8:45. Wegen des Gedränges konnten seine Jünger nicht verstehen, warum er das fragte. Es stellte sich heraus, dass eine Frau, die schon zwölf Jahre an schweren Blutungen litt, von hinten an Jesus herangetreten war und sein Gewand berührt hatte. Er nahm ihren Hilferuf geistig wahr. Nur Jesus spürte ihre Not. Seine Jünger waren zwar auch da, aber vielleicht interessierte sie mehr die „Kultur" der Menge als die reine Geistigkeit der Frau. Doch durch Jesu allumfassende Liebe wurde sie auf der Stelle geheilt.

Was wäre wohl geschehen, wenn Jesus für die Not der Frau taub gewesen wäre, weil er zu sehr mit konfessionellen oder kulturellen Unterschieden zwischen sich und einigen Menschen in jener Stadt beschäftigt war? Wäre es nicht traurig gewesen, wenn die Frau unbeachtet geblieben oder abgewiesen worden wäre?

Wir können beten, um in den Menschenmengen unseres eigenen Lebens die Rufe jener Hilfebedürftigen geistig wahrzunehmen, die bereit sind, die Saat des Glaubens „auf gutem Land" aufgehen zu lassen. Beim Beten, um unseren Mitmenschen zu helfen und sie zu heilen, können wir darauf achten dass wir uns nicht von Tradition und Ritual, sondern von Inspiration leiten lassen.

Für Jesus und seine Jünger war dieser Tag, an dem die Frau geheilt wurde, nicht der erste Tag ihrer Kirche. Doch für die Frau war es das wahrscheinlich. Erinnern Sie sich noch an Ihren „ersten Tag"? Vielleicht ist es schon so lange her, dass Sie sich kaum noch entsinnen. Oder vielleicht haben Sie ihn noch gar nicht erlebt, stehen aber kurz davor. Wenn einer zum ersten Mal die gute Nachricht erfährt, dass der Mensch das Bild und Gleichnis des göttlichen Geistes, der göttlichen Wahrheit und Liebe — Gottes — ist, erlebt er gewissermaßen seinen ersten Tag in der Kirche. Eine wunderbare Definition der geistigen Idee Kirche gibt Mary Baker Eddy in Wissenschaft und Gesundheit. Sie lautet: „Die Struktur von Wahrheit und Liebe; alles, was auf dem göttlichen Prinzip beruht und von ihm ausgeht."Wissenschaft und Gesundheit, S. 583.

Wenn einer zum ersten Mal erfährt, dass der Mensch das Bild und Gleichnis Gottes ist, erlebt er gewissermaßen seinen ersten Tag in der Kirche.

In der „Struktur von Wahrheit und Liebe" braucht niemand eine traditionelle Kultur zu durchbrechen oder über einen ritualistischen Zaun zu klettern, um sich mit eingeschlossen zu fühlen. Vorurteile, Dogmatismus oder Bigotterie haben dort keinen Platz. Diese Kirche definiert sich durch den reinsten Begriff von Liebe und sie schließt alle ein.

Kürzlich lernte ich jemanden kennen, der diesen „ersten Tag" in der Kirche erlebt hatte. Er erzählte mir, wie er zum ersten Mal Gottes Güte und Jesu Beispiel entdeckt hatte. Obwohl er sich zu dem Zeitpunkt schon im Rentenalter befand, ist er von einem leuchtenden Glauben erfüllt. Er erzählte mir, wie er körperlich geheilt wurde. Und es ist ganz offensichtlich, dass die Liebe Gottes ihn umgewandelt hat. Kulturell und konfessionell unterscheiden er und ich uns beträchtlich voneinander. Doch darüber lachten wir nur und sprachen ansonsten frei über unsere Liebe zu Gott. Wir stimmten beide darin überein, dass Gottes Reich geistig gut und real erlebbar ist. Wir freuten uns beide über die Erkenntnis, dass jeder in dieses Gute, dieses Himmelreich, eingeschlossen ist — und dass es nichts Böses in Gott oder in dem, was Er erschafft, gibt. Ich hoffe, dass ich eines Tages selber mehr von dieser Gottergebenheit an den Tag legen kann, wie dieser Mann es tut.

Gott hat keinen von uns von den anderen abgesondert. Er ist ein liebevoller Hirte und wir befinden uns alle in der gleichen Herde, unter Seiner Fürsorge, in Seiner Familie.

Für irgendjemanden, vielleicht jemanden in unserer Nähe, ist heute der erste Tag. Der erste Tag, an dem er oder sie klar erkennt, dass Gott Liebe ist. Der erste Tag, an dem erkannt wird, dass der Mensch der geistige Ausdruck der Liebe ist. Der erste Tag, an dem begriffen wird, dass die geistige Vollkommenheit der ursprüngliche und ewige Seinszustand des Menschen ist. Werden wir uns von kulturellen oder konfessionellen Unterschieden abhalten lassen, uns dem anderen zuzuwenden, wenn wir eine Rolle bei dieser Entdeckung zu spielen haben? Aus der Sicht der Wahrheit und Liebe konnten diese Unterschiede nie bestehen und werden sie nie bestehen. Wir sind frei, einander uneingeschränkt zu lieben.

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