Ein bekanntes Symbol der Christenheit ist das Jesuskind in der Krippe. Hat uns dieses Ereignis, nämlich die Geburt jenes Kindes vor 2000 Jahren, heute noch etwas zu sagen?
Mary Baker Eddy sagt in Bezug auf das „Kindlein": „In dem Maße, wie sich eine materielle, theoretische Lebensgrundlage als ein Missverständnis über das Dasein herausstellt, dämmert dem menschlichen Denken das geistige und göttliche Prinzip des Menschen auf und führt es dahin, wo „das Kindlein war" — nämlich zur Geburt der neuen und doch alten Idee, zur geistigen Auffassung des Seins und dessen, was Leben einschließt." Wissenschaft und Gesundheit, S. 191.
Eine wirkliche Lösung des Problems gewinnen wir nur auf göttlichem, nicht auf menschlichem Wege. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.
Mit diesem Satz wird beschrieben, wie das Eintreten des Christus in die menschliche Erfahrung wirkt. Das Erscheinen der Christusidee vertreibt die Finsternis des Irrtums, sie ruft aber auch Erschütterungen und Widerstand hervor. Die Bibel berichtet davon, wenn sie uns die Gründe für die Flucht Josefs nach Ägypten oder den Kindermord des Herodes beschreibt (nachzulesen bei Mt 2:13-18).
Besonderer Widerstand gegen das Wirken Christi Jesu entwickelte sich auch durch die Pharisäer und Schriftgelehrten, die Jesus nicht nur verfolgten, sondern auch töten wollten. Siehe Joh 11:47, 53. Sie fühlten sich durch die göttliche Botschaft in ihrer gesamten materiellen Daseinsauffassung bedroht.
Keine Macht der Welt konnte jedoch die kraftvolle Entwicklung der Christusidee oder gar ihre Demonstration aufhalten. Einen Höhepunkt erlebte die Konfrontation des Christus mit dem Anspruch der Materialität bei dem Verhör Jesu durch Pilatus. Pilatus bedrängte Jesus: „Redest du nicht mit mir? Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich loszugeben, und Macht habe, dich zu kreuzigen?" Mit unerschütterlicher Gewissheit kam die Antwort: „Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben her gegeben wäre." Joh 19:10, 11.
Wird in diesem Dialog nicht deutlich, was uns täglich begegnen kann: die Herausforderung durch ein aggressives Gedankenbild, das uns tyrannisieren will auf der einen Seite, und die inspirierte Gewissheit, dass nur Gott unser Geschick bestimmt, auf der anderen?
Das, was Pilatus sagte, veranschaulicht eine grundlegend falsche Anschauung — den Glauben nämlich, dass letzten Endes Personen, Lokalitäten, Ereignisse, ja der Körper, vielleicht die Medizin, die Politik oder die Umwelt, unser Leben und unseren Fortschritt beeinflussen könnten. Aus diesem falschen Glauben erwächst der aggressive Anspruch der Materialität, unser Erleben nach dessen verkehrtem Bild formen zu wollen. Es entsteht aber auch die Arroganz der Intellektualität und des weltlichen Wissens die nicht in der Lage sind, demütig das Wirken der göttlichen Intelligenz in sich und um sich herum zu erfassen — und die die Fehler immer bei anderen sucht.
Wenn wir die uns eigene Christlichkeit akzeptieren, dass wir nämlich dort sind, „wo das Kindlein ist", können wir die Wahrnehmung des geistigen Sinnes als unsere eigene Wirklichkeit begreifen, und wir verstehen die Christusbotschaft: „Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben her gegeben wäre."
So zu beten ist etwas ganz anderes, als den „Pilatus", der uns entgegentritt, einfach zu ignorieren oder gar sich vor ihm zu rechtfertigen. So zu beten bedeutet, auch inmitten von Widerstand und Bedrohungen im Einklang mit Gottes Plan zu bleiben. Es bedeutet ein tiefes Vertrauen auf die Realität der göttlichen Liebe, es ist die Fähigkeit, das eigene Geschick vorbehaltlos in die göttliche Hand geben zu können und eine nur menschliche Meinung über die Situation zu korrigieren.
Als Jesus seinen Schülern mit Blick auf die nahe Zukunft die Ereignisse — nämlich sein Leiden und seine Auferstehung — schilderte, die ihn in Jerusalem erwarten würden, reagierten diese mit menschlicher Sorge und Unverständnis. So versuchten sie ihn von seinem — wie sie meinten — selbstzerstörerischen Vorhaben abzubringen. Jesus wies diesen „Pilatus-Angriff", der ihn von seiner göttlichen Mission abhalten wollte, sofort mit scharfen Worten zurück: „Geh weg von mir, Satan! denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist." Mk 8:33.
Wir sollten uns angesichts einer Herausforderung, deren materiellen Anspruch wir nicht akzeptieren, ebenfalls fragen: Ist unsere Reaktion göttlich oder menschlich? Beten wir oder reagieren wir z. B. nur aus einem instinkthaften, menschlichen Impuls heraus: vielleicht leidvoll, eventuell mit Empörung, mit furchtsamer Zurückgezogenheit oder gar mit kritiksüchtiger Angriffslust? Hinter solchen Reaktionen steht fast immer die Überheblichkeit der Materialität, die zurückgewiesen werden muss.
Eine wirkliche Lösung des Problems gewinnen wir nur auf göttlichem, nicht auf menschlichem Wege. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.
Mary Baker Eddy weist uns in Wissenschaft und Gesundheit unmissverständlich auf Folgendes hin: „Der Weg, auf dem man die Unsterblichkeit und das Leben erlernt, ist nicht kirchlich, sondern christlich, nicht menschlich, sondern göttlich, nicht physisch, sondern metaphysisch, nicht materiell, sondern wissenschaftlich geistig." Wissenschaft und Gesundheit, S. 98.
Wir müssen Christian Science als göttliche Botschaft so annehmen, wie sie ist. Lassen wir uns dazu verführen, sie durch den Filter materieller Meinung den menschlichen Bedingugen anzupassen, versäumen wir dort zu sein, wo „das Kindlein ist". Der Christus kann nicht zu dem sterblichen und materiellen Sinn kommen, der Gott nicht wahrnimmt. Dieser falsche Sinn muss der ewigen Gegenwart des Christus weichen und sich auflösen.
Der Anspruch des „Pilatus", statt des Göttlichen nur das Menschliche oder Materielle wahrzunehmen, meldet sich häufig gerade dann zu Wort, wenn wir in besonderem Maße der Göttlichkeit des Christus bedürfen. Wie ist es beispielsweise mit unserer Auffassung von Kirche? Wir haben doch den tiefen Wunsch, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, die der Mission des Christus dienen, mitzuwirken. Aber werden wir nicht — so scheint es manchmal — in unserer heiligsten Absicht durch andere Personen, fremde Ansichten und Einflüsse gestört? Und ist dann Kritik an anderen die einzige Antwort?
„Auf den schnellen Schwingen des geistigen Denkens erhebt sich der Mensch über den Buchstaben, das Gesetz und die Moral des inspirierten Wortes zu dem Geist der Wahrheit, wodurch er die Wissenschaft erreicht, durch die Gott bewiesen wird."
Mary Baker Eddy
Hier gilt es wieder, den „Pilatus" im eigenen Denken aufzudecken und zu erkennen, dass „Kirche" eine göttliche Idee ist, die individuell demonstriert werden muss. Niemand wird uns an dieser Demonstration hindern. Mary Baker Eddy stellt dazu fest: „Das so genannte sterbliche Gemüt — da es nicht existiert und sich folglich nicht im Bereich des unsterblichen Daseins befindet — könnte die göttliche Schöpfung nicht durch Simulieren der göttlichen Kraft umkehren und danach Personen und Dinge auf seiner eigenen Ebene neu erschaffen, denn nichts existiert außerhalb des Bereichs der allumfassenden Unendlichkeit, in der und von der Gott der einzige Schöpfer ist." Ebd., S. 513. So gelingt es also nicht, eine eigene falsche Welt als Wirklichkeit aufzubauen. Nichts existiert außerhalb der göttlichen Wirklichkeit.
Unser Pastor, die Bibel und Wissenschaft und Gesundheit, ist dazu bestimmt, nicht nur der Kirche, sondern der Welt die göttliche Botschaft zu predigen. So ist es im Handbuch Der Mutterkirche festgelegt.Handb., Art XIV Abschn. 1. Die Sprache des Pastors ist die „neue Zunge" Mk 16:17., die Sprache Gottes, die überall auf der Welt und in allen Kulturen die „ehrlichen Sucher nach Wahrheit" Wissenschaft und Gesundheit, S. XII. erreicht.
Die Botschaft dieses Buches, Christian Science oder der Tröster, wird nicht dadurch verstanden, dass man Worte analysiert, sondern dadurch, dass sich der inspirierte Gedanke über den Buchstaben erhebt und die Wissenschaft erreicht, durch die Gott bewiesen wird. Siehe Die Erste Kirche Christi, Wissenschaftler, und Verschiedenes, S. 238 und Text im Callout. Dadurch wird eine falsche Auslegung unmöglich. Das gilt natürlich auch im Bereich der Übersetzungen, die inzwischen für das Lehrbuch in 16 Sprachen vorliegen. Wenn wir Wissenschaft und Gesundheit nur in der Weise studieren, dass wir in den Zeilen das wiederfinden wollen, was wir bereits zu wissen meinen, wird uns Intellektualismus und Skeptizismus leicht in die Irre führen. Die Christusbotschaft beginnt mit dem Beweggrund und nicht mit der Tat. Sie reinigt die Quelle (das Motiv), um den daraus fließenden Strom (das Handeln) zu korrigieren. Ausführlich beschreibt dies Mary Baker Eddy in dem Werk Christliches Heilen auf S. 7.
Das der Umwandlung abgeneigte, menschliche Denken wird sich nur zu gerne mit dem „Pilatus" verbünden, um ihr zu entgehen. Umwandlung ist allerdings unumgänglich, wenn wir an der Verbreitung der heilenden Botschaft durch eigene Demonstration teilhaben wollen. Dennoch wird sich angesichts des „Kindleins" jede Drohung des „Pilatus" als unwirksam erweisen. Der Satz Mary Baker Eddys „Die Tatsache bleibt bestehen, dass das Lehrbuch der Christian Science das Universum umwandelt" Siehe Vermischte Schriften, S. 372. gewinnt zunehmend an Aktualität.