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Unsterbliches Erkennen

Aus der Juni 1998-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Meine Sonntagsschüler — alles Teenager — und ich untersuchten die Frage der Unsterblichkeit. Wie weit konnten wir uns zurückerinnern? Ich erinnere mich, wie ich die hoch aufragenden Beine eines Pferdes anschaute und auf den Sattel meines Großvaters gehievt wurde, als ich erst drei Jahre alt war. Auch mehrere Schüler konnten sich deutlich an Ereignisse aus ihrem Leben erinnern, als sie etwa in diesem Alter waren.

Konnte sich irgendjemand an ein Dasein vor der Geburt erinnern? Nein. War es möglich, irgendetwas anderes als dieses sterbliche Leben zu kennen? Ja, doch, wir stimmten überein, dass das irgendwie möglich sei.

Bei der weiteren Diskussion vermittelte uns die Bibel einige Einsichten. Später dachte ich über Jeremias Erkenntnis von ewiger Existenz nach, als er Gottes Worte wahrnahm: „Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die Völker."  Jer 1:5 Das Johannes-Evangelium gibt Jesu tiefgründige Worte wider: „Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war."  Joh 17:5. Und in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift erwähnt Mary Baker Eddy speziell die Tatsache, dass es ein Leben vor der Geburt gibt. Siehe Wissenschaft und Gesundheit, S. 429.

Bei unserer Unterhaltung ergab sich nur ein verschwommenes Bild davon, wie man sich eine frühere Existenz vorzustellen hatte. Klärung war nötig. Eine Antwort auf die Frage der Präexistenz erhält man allerdings nicht durch die verschiedenen Theorien der Psychologie und ebensowenig durch populäre Anschauungen, die von der New-Age-Kultur verbreitet werden. Die Antwort ist nicht esoterisch. Vielmehr ist sie durch inspiriertes Christentum zu finden. Durch ein geistiges Erwachen, das vom Christus veranlasst wird.

Statt dass wir durch eine sterbliche Mentalität versuchen, uns eine vorgeburtliche, materielle Lebensgeschichte ins Gedächtnis zu rufen, die nicht wirklich existiert, müssen wir anfangen, die geistige Wahrheit gelten zu lassen, dass das wirkliche Gemüt des Menschen, seine wahre Substanz und Existenz, nicht sterblich, sondern unsterblich ist, Das Erwachen zu der Tatsache, dass Gott Gemüt ist und dass der Mensch dieses grenzenlose göttliche Bewusstsein zum Ausdruck bringt, befähigt uns, die Bedeutung von einem „Dasein" vor dieser menschlichen Sicht der Dinge zu erkennen. Anstatt dass wir bloß eine Präexistenz entdecken, finden wir dann eine ewige Koexistenz — eine Einheit mit Gott, die nie zerstört war. Anstatt dass wir uns auf sterbliche Weise erinnern, erkennen wir auf unsterbliche Weise.

Das menschliche Gemüt ist unfähig, irgendetwas außerhalb seiner selbst zu erkennen. Seine begrenzte Erinnerungsfähigkeit lässt sich folgendermaßen illustrieren. Stellen Sie sich vor, Sie gehen einen gewundenen Pfad entlang mit Laubbäumen und Buschwerk auf beiden Seiten. Wenn Sie zurückschauen auf den Weg, den Sie zurückgelegt haben, ist der Blick durch das Unterholz teilweise verdeckt. Schauen Sie nach vorn, hindern die Biegungen und Windungen des Pfades Sie daran, genau zu wissen, was vor Ihnen liegt. Das sterbliche Gedächtnis befasst sich damit, eine Ansammlung von Wahrnehmungen zu speichern. Auf dem Pfad des materiellen Lebens entspricht diese persönliche Anstrengung sich zu erinnern dem Versuch, im Auge zu behalten, wie die Landschaft bisher ausgesehen hat.

Nehmen wir einmal an, wir wollen wissen, was vor dem Beginn des Weges, auf dem wir uns befinden, zu sehen ist oder wie die Aussicht am Ende des Weges ist. Eine Möglichkeit wäre, dass wir uns von unserer jetzigen Betrachtungsweise freimachen, indem wir etwa in einen Hubschrauber klettern und uns in die Höhe tragen lassen. Dabei fangen wir an, die Dinge aus einer völlig neuen Perspektive zu sehen. Wir lassen die Grenzen hinter uns, die unsern Blick vorher einengten.

Solche Analogie bietet zumindest einige hilfreiche Hinweise, wie man die Frage der vorgeburtlichen Existenz angehen kann. Haben wir ein Leben vor der menschlichen Geburt gehabt? Ganz bestimmt. Oder genauer, wir haben es nicht gehabt, wir haben es. Ein radikaler Wandel im Denken ist nötig, der uns von einer sterblichen zu einer unsterblichen Basis führt. Dann sehen wir das Dasein in einem völlig anderen Licht. Das Leben stellt keinen materiellen Pfad mit vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Ereignissen dar. Wir werden uns bewusst, dass eine Erinnerung an etwas oder ein Bewusstsein von etwas, was vor diesem menschlichen Leben liegt, sich total unterscheidet von der Rückerinnerung eines menschlichen Gemüts an materielle Episoden. Es geht eher darum, dass wir das allgegenwärtige Wissen des göttlichen Gemüts um die geistige Wirklichkeit ausdrücken. Das solll nicht heißen, dass die Existenz nun substanzlos und abstrakt wird. Der Mensch existiert. Substanz existiert. Gestalt, Farbe und Umriss existieren. Doch wir fangen an, diese Existenz aus einer ganz anderen Perspektive wahrzunehmen oder kennen zu lernen, nämlich aus einer Gott-orientierten geistigen Sicht, die eine sterblich orientierte, materielle Sicht ausschaltet.

Die Fähigkeit, diese Kenntnis der Wirklichkeit auszudrücken, ist in jedem von uns angelegt. Sie kann nicht verloren gehen und uns nicht genommen werden. Christian Science erklärt zum Beispiel: „Wenn die Täuschung sagt:, Ich habe mein Gedächtnis verloren', dann widersprich dem. Keine Fähigkeit des Gemüts geht verloren."  Ebd., S. 407.

Haben wir ein Leben vor der menschlichen Geburt gehabt? Ganz bestimmt.

Über ein persönliches Gemüt hinaus

Weist Mrs. Eddy hier nicht auf etwas Größeres hin als nur die Fähigkeit eines persönlichen Gemüts, die Ereignisse im Auge zu behalten? Sie spricht von einer Fähigkeit des Gemüts. Gemüt ist ein Synonym für Gott. Und ihre Worte stehen neben der Randüberschrift „Unsterbliches Gedächtnis". Mrs. Eddy fährt fort: „In der Wissenschaft ist alles Sein ewig, geistig, vollkommen und in jeder Tätigkeit harmonisch." Und dann fordert sie: „Lass das vollkommene Vorbild an Stelle seines demoralisierten Gegenteils in deinen Gedanken gegenwärtig sein."

Über das „vollkommene Vorbild" oder das unsterbliche Sein nachzudenken und uns über den kleinen Pfad zu erheben, der ein aus sterblichen Ereignissen zusammengesetztes Leben symbolisiert — das befähigt uns, verständiger über das nachzudenken, was vor der Geburt „vor sich ging". Wenn wir eine höhere oder geistigere Sicht gewinnen, ist uns dieses reine Vorbild nicht nur in Gedanken gegenwärtig, sondern es wird zur eigentlichen Substanz unseres Denkens. Wir stellen fest, dass wir das wirkliche und ewige göttliche Sein besser kennen und daher auch besser zum Ausdruck bringen.

Das jetzige materielle Leben ist nicht irgendeine Art von Reinkarnation aus einem vergangenen materiellen Leben. Noch ist es eine echte Unterbrechung im ewigen Jetzt unseres wahren, geistigen Lebens. Wir könnten es als eine im Wesentlichen sterbliche Wahrnehmung betrachten, die mit ihrer Begrenzung, mit Sünde, Krankheit und Tod eine drastische Missinterpretation dessen darstellt, was das wirkliche Leben immer ist. Das menschliche Gemüt wird niemals in der Lage sein, die Beschaffenheit des Daseins vor der Erfahrung, die sich Geburt nennt, adäquat zu beschreiben. Warum? Weil das menschliche Gemüt selbst eine Täuschung ist; es kann nicht über seine selbst-begrenzenden Vorstellungen hinausschauen.

Für das sterbliche Gemüt ist die geistige Wahrheit nicht die Wirklichkeit. Dieses vermeintliche Gemüt behauptet, die Wirklichkeit beginne in der Materie, definiere sich durch Materie und ende in Materie. Doch diese Beschreibung ist falsch. Geist ist die Wirklichkeit. Das wahre Sein wird vom Standpunkt des geistigen und nicht des materiellen Sinnes, des unsterblichen Gemüts, nicht des sterblichen Gemüts, wahrgenommen. Was können wir über unsere Existenz vor der Geburt erkennen, wenn wir die Dinge in einem auf rein geistigem Sinn beruhenden, ewigen Gedächtnis sehen? Unser Blick wäre nicht auf einen bestimmten Punkt auf der materiellen Zeittafel fixiert, sondern wäre in dem höheren Standpunkt eines zeitlosen geistigen Jetzt verankert. Mit anderen Worten, was „vor der Geburt" war, ist dieses ewige Jetzt. Das unsterbliche göttliche Bewusstsein betrachtet das ganze Dasein aus der Perspektive der immer gegenwärtigen Wirklichkeit Gottes. Eine an Grenzen orientierte Annahme vom Sein verliert ihre Bedeutung angesichts der Entdeckung des grenzenlosen göttlichen Seins.

Wenn wir bereit sind anzuerkennen, dass der Mensch das unendliche Gemüt, Gott, zum Ausdruck bringt, erkennen wir, dass das wirkliche Dasein gar nicht begrenzt ist. Es beschränkt sich tatsächlich nicht auf eine Kette von sterblichen Ereignissen. Die winzige Spanne materieller Wahrnehmungen, die sich in relativ wenigen Jahrzehnten ansammeln, ist eine Missinterpretation unseres immer gegenwärtigen wirklichen Seins. Die Sterblichkeit kann nicht als gottgegebene Wirklichkeit definiert werden. Was so wirklich zu sein scheint — dieser Zeitabschnitt, der in der Materie beginnt und endet, — verliert allen Anschein von Substanz, wenn es vom Standpunkt der Ewigkeit aus betrachtet wird. Doch diese Tatsache erkennen wir nur aus einer geistig erhobenen, erweckten, erleuchteten Perspektive.

Geistige Erneuerung

Wie können wir, ohne in einen Hubschrauber steigen zu müssen, uns von einer sterblichen Sicht auf die Wirklichkeit lösen? Könnten wir es nicht dadurch, dass wir die Dinge aus der Perspektive von Grenzenlosigkeit statt Begrenztheit, Unendlichkeit statt Endlichkeit betrachten? Die Christen nennen es geistige Umwandlung oder christliche Erneuerung. Christliche Wiedergeburt ist die einzige Möglichkeit, wie man anfangen kann, etwas jenseits der Grenzen der Sterblichkeit zu sehen, zu erinnern, zu erkennen. Es gibt wirklich keinen anderen Weg. Voraussetzung dafür, dass wir unser volles Leben kennen lernen (das tatsächlich unser einziges wirkliches Leben ist und nichts mit der falschen Perspektive von sterblicher Vergangenheit und Zukunft, von Geburt und Ende zu tun hat), ist, dass wir einer einengenden materiellen Mentalität entwachsen.

Solch geistiges Wachstum ist keine leichte Aufgabe. Die christusgleiche Umwandlung des Denkens stellt höhere Anforderungen an uns als alles andere, was je auf uns zukommt. Aber anzufangen ist nicht schwer. Am Anfang des ganzen Vergeistigungsprozesses kann einfach etwas mehr Freundlichkeit stehen. Ein liebevolles Wort. Die Überwindung eines unreinen Impulses, an dessen Stelle Respekt für unseren Mitmenschen tritt. Dankbarkeit. Eine wachsende Liebe zu Gott. Die stärkere Betonung von inspiriertem täglichem Gebet und Studium.

Wenn das Bewusstsein zunehmend von solchen Eigenschaften durchdrungen ist, nehmen wir eine Lebensanschauung an, die mehr Unsterblichkeit und weniger Sterblichkeit erkennen lässt. Wir werden uns bewusst, dass unser vollständiges, von Gott definiertes Sein tatsächlich jetzt existiert. Es hat immer jetzt existiert. Das ist es, was Christus Jesus uns über die Kontinuität und Permanenz der wahren, geistigen Identität lehrt. Von dieser Warte aus konnte er sagen: „Ehe Abraham wurde, bin ich"  Joh 8:58. und „Siehe, ich bin bei euch alle Tage."  Mt 28:20.

Unser vollständiges, von Gott definiertes Sein existiert jetzt und hat immer existiert.

Was als eine Art unsterbliches Gedächtnis bezeichnet werden könnte, ist in Wirklichkeit gar keine Fähigkeit des menschlichen Gemüts. Es ist ein Erwachen, das von einem gottgegebenen geistigen Sinn hervorgerufen wird und uns nicht nur über die begrenzte, ja sogar falsche Schilderung eines mit der Geburt beginnenden Daseins erhebt, sondern auch über die Perspektivlosigkeit einer unsicheren Zukunft oder eines Endes vom Dasein. Es befähigt uns, alles mehr vom Standpunkt des göttlichen Gemüts zu sehen und dieses immer-bewusste Gemüt zum Ausdruck zu bringen. Wir fangen an, dem vermeintlichen Pfad der Sterblichkeit zu entwachsen, und gewinnen einen geistigen Ausblick. Und wir erlangen eine tiefere Einsicht in das, was wir nach den Anweisungen des Predigers aufgeben sollen: „Man gedenkt derer nicht, die früher gewesen sind, und derer, die hernach kommen; man wird auch ihrer nicht gedenken bei denen, die noch später sein werden."  Pred 1:11. Ein Gedächtnis, das eine unsterbliche Beschaffenheit hat, könnte man sich als ein erleuchtetes Bewusstsein vorstellen, das in der Allheit Gottes verwurzelt ist, anstatt eines menschlichen Gemüts, das jeden Tag versucht, aus allem schlau zu werden. Dieses geistig erfüllte Bewusstsein tut die Natur des allwissenden Gemüts kund.

Früher oder später muss jeder von uns anfangen sich über die relativ kurze, sterbliche Sicht vom Dasein zu erheben. Letztendlich ist es eine falsche Sicht. Selbst Millionen und Abermillionen Jahre der Sterblichkeit verlieren an Bedeutung, wenn wir uns an die erfrischende Arbeit machen, unser Leben zu verchristlichen, und anfangen uns über den kleinen sterblichen Pfad mit seinen begrenzten Daseinsanschauungen zu erheben. Die kleinsten Einzelheiten unseres täglichen Lebens können nach und nach einen zeitloseren, reineren Ton annehmen.

Anstatt uns mit dem menschlichen Gemüt zu identifizieren und zu versuchen, uns an die Wirklichkeit zu erinnern, müssen wir diesen Glauben an ein von Gott getrenntes Gemüt aufgeben. Dann werden geistige Wahrheiten aufdämmern als unser wirkliches Bewusstsein, das ans Licht kommt. Mrs. Eddy beschreibt das wahre Sein des Menschen als vollkommen und geistig, Und dann sagt sie: „Wenn wir mit unserer Definition des Menschen fortfahren, sollten wir bedenken, dass der harmonische und unsterbliche Mensch immer bestanden hat und immer über und jenseits der sterblichen Illusion steht, dass irgendwelches Leben, irgendwelche Sustanz und Intelligenz in der Materie existieren würde."  Wissenschaft und Gesundheit, S. 302.

Wenn wir uns der wirklichen Tatsachen des Seins vor dem Ereignis, das Geburt genannt wird, — oder der wahren Tatsachen der Zukunft — bewusst werden wollen, werden wir Platz schaffen für das Erkennen des göttlichen Gemüts und seines unendlichen, allumfassenden Jetzt. Das bedeutet eine Umwandlung im Denken, durch die wir die Allgegenwart der geistigen Schöpfung Gottes überall um uns her wahrnehmen. Es bedeutet, dass wir unsere Christlichkeit vertiefen, indem wir unsere geistige Integrität, Unschuld, Intelligenz und Liebe vergrößern.

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