In Brasilien sind die Frauen am Arbeitsplatz, in den Künsten, den Gewerkschaften und bei Aktivitäten in der Gemeinde vertreten, aber es sitzen noch keine Frauen im Vorstand großer Unternehmen. Was die Gleichberechtigung betrifft, haben Frauen noch einen weiten Weg vor sich.
Drei wichtige Faktoren spielen hier eine Rolle. Erstens müssen Frauen an ihr eigenes Potenzial glauben. Umfragen in Brasilien zeigen, dass die Frauen oft eine Scheu haben sich in Bereichen zu betätigen, die bis vor kurzem als Männersache betrachtet wurden. Zweitens gibt es Deskriminierung bei der Auswahl von Leuten für hohe Positionen. Und drittens stellt das Familienleben mehr Anforderung an Frauen als an Männer. Leider sind viele Ehemänner nicht dazu erzogen worden sich die Hausarbeit und die Erziehung der Kinder mit ihren Frauen zu teilen. Das ist ein ernstes Problem.
Gleichberechtigung heißt nicht, dass Männer und Frauen sich gleich verhalten, sondern dass sie die gleichen Möglichkeiten haben, ihr volles Potenzial zu erreichen.
Als einziges weibliches Mitglied im Kabinett der CardosoRegierung bin ich in dieser Position auf Widerstand gestoßen. Doch ich hatte meinen Doktor gemacht und hatte schon andere verantwortungsvolle Positionen innegehabt. Die Schwierigkeit lag darin, das Familienleben mit so einer intensiven Arbeit zu vereinen, ohne ständig gestresst und ausgepowert zu sein.
Auf die Herausforderungen meines Berufs und der Familie mit zwei Kindern habe ich mich spirituell vorbereitet — durch das Lesen der Thora — und das verschaffte mir Harmonie. Ich habe einmal in der Woche bei einem Rabbiner studiert und bin jeden Sabbat zur Synagoge gegangen. Daraus habe ich Kraft gewonnen.
Es ist traurig, dass es in einem entwickelten Land noch Diskriminierung gegen Frauen und sexuelle Belästigung gibt. Mir wurde klar, dass es wichtig ist die Frauen — und die Menschheit — vor sexueller Belästigung zu schützen, denn es schadet nicht nur den Frauen, sondern es schadet den Familien und der Gesellschaft insgesamt. Eine Gesellschaft, die mit vernachlässigten Kindern, sexueller Belästigung und Diskriminierung gegen Frauen oder bestimmte Rassen lebt, muss geistig wachsen. Sie braucht Hilfe. Darum setze ich mich für Gesetze gegen sexuelle Belästigung ein.
Wir haben diese Gesetzgebung in Brasilien noch nicht. Aber das Bewusstsein ist in größerem Maße bei den Frauen da, dass sie sich beklagen können. Das ist auch bei häuslicher Gewalt wichtig — ein ebenso weitverbreitetes Problem in unserer Gesellschaft.
Angst ist immer ein Feind von Wachstum. Mit Spiritualität können wir gegen die Angst antreten. Furcht ist Dunkelheit und Spiritualität bringt Licht.
Der Wunsch, einem anderen Gutes zu tun, kommt von Gott und er steckt in jedem Menschen. Im Hebräischen gibt es das Wort tsedaka, das sowohl Gerechtigkeit wie auch Nächstenliebe bedeutet, denn beides gehört zusammen. Wenn wir etwas tun, was unserem Nächsten hilft, dann haben wir ein gutes Gefühl. Da ich in der Regierung tätig bin, habe ich mehr Möglichkeiten Gutes zu tun. Und das macht mir Freude!
Ich würde anderen Frauen sagen: „Glaubt an euch selbst." Das Problem ist, dass uns manchmal weisgemacht wird, wir seien schwach. Aber viele Beispiele aus dem Leben zeigen uns die große Stärke, die Frauen besitzen. Gott hat uns mit einer Mission in die Welt geschickt. Es lohnt sich herauszufinden, was unsere individuelle Mission ist — und dann alles daranzusetzen, sie so weit wie möglich zu verwirklichen.
