Es geschah wieder einmal, dass ein Gast zu einem Freund geworden war, mit dem wir Schönes geteilt hatten, besonders auf dem Gebiet der Kunst. Der Tag des Abschieds war gekommen. Es regnete, als ich ihn zur Straßenbahn begleitete, mit der er zum Bahnhof fahren wollte. Wir verabschiedeten uns und als ich mich umdrehte, um den Rückweg nach Hause anzutreten, überkam mich dieses klamme Gefühl des
Verlassenseins und ich fürchtete mich fast davor, in ein leeres Haus zurückzukehren, um mich der nötigen Hausarbeit zu widmen.
Aus der Vergangenheit kannte ich dieses Gefühl schon. Und weil es kein angenehmes ist und, wie ich sehr gut wusste, nichts mit meinem wahren Sein zu tun hat, wehrte ich mich innerlich dagegen und wandte mein Denken inniger Gott zu.
„Wäre das Dasein ohne persönliche Freunde leer für dich? Dann wird die Zeit kommen, in der du einsam und ohne Mitgefühl sein wirst; aber dieses scheinbare Vakuum ist bereits von der göttlichen Liebe erfüllt." Diese Zeilen aus Mary Baker Eddys Buch Wissenschaft und Gesundheit (S. 266) fielen mir ein. Mir kam die Idee, auf einem anderen Weg zurückzugehen, nicht auf der Straße an der Wiese entlang, sondern die Wiese diagonal zu überqueren. In meinem Denken versuchte ich unverwandt meine Einheit mit der göttlichen Liebe zu bekräftigen und mich nicht diesen herzzerreißenden Emotionen hinzugeben. Dabei wurde mir bewusst, dass die Emotionen nicht ein Teil von mir waren, sondern sich gewissermaßen mir anheften wollten, und ich bat Gott, meine gottgegebene Freiheit und Zufriedenheit besser erkennen zu können. Was als inneres Ringen begann, wurde mehr und mehr ein demütiges Lauschen auf diese göttliche Wahrheit, als ich da mit weiten Schritten langsam im Regen über die Wiese ging. Das Selbstmitleid hörte auf, ich rechtfertigte das Leiden nicht mehr, sondern begann mich an meinem Spaziergang zu freuen.
Und dann sah ich das für mich völlig Unerwartete: Am Ende der Wiese angekommen, stieß ich auf einen Spazierweg entlang des Baches. Dort liegt als Ruhebank ein Baumstamm. Auf diesem Stamm saß bei diesem Wetter und zu dieser Zeit niemand, aber was ich sah, ließ mich voll Erstaunen innehalten. Jemand hatte mit viel Sorgfalt auf dem langen Stamm Steine aus dem Bach aufgereiht und zwar der Größe nach geordnet, in gleichem Abstand zueinander, eine perfekte Sequenz, wie die Perlen einer Kette. Ich hatte schon von solchen Naturkunstwerken gehört, aber noch nie eines gesehen. Hier war es nun, völlig unerwartet. Ich fühlte mich in eine Galerie versetzt, und wie ich staunend und selbstvergessen mich des schönen Anblicks erfreute, kamen mir die Worte von Mary Baker Eddy aus Wissenschaft und Gesundheit in den Sinn, wo sie auf einen Psalm Bezug nimmt: „,Kann Gott wohl einen Tisch bereiten in der Wüste?' Was kann Gott denn nicht tun?" (S. 135). Die Botschaft, die mir dieses schlichte Kunstobjekt übermittelte, war folgende: In der göttlichen Gegenwart befinden sich alle Ideen in geordneter, harmonischer Beziehung zueinander, lückenlos, jede immer an ihrem richtigen Platz.
Demütig und tief beglückt kehrte ich nach Hause zurück, ohne Gefühl der Leere. Am nächsten Morgen schon war die Aufreihung der Bachkiesel auf dem Baumstamm wieder verschwunden. Geblieben ist meine Gewissheit, dass die göttliche Liebe niemals endet, sondern über unzählige Möglichkeiten verfügt, sich uns mitzuteilen. Seien wir bereit, sie für uns zu entdecken!
Jemand hatte mit viel Sorgfalt auf dem langen Stamm Steine aus dem Bach aufgereiht and zwar der Größe nach geordnet, in gleichem Abstand zueinander, eine perfekte Sequenz.
