1990 wurde ich wegen sexueller Misshandlung zu 25 Jahren Haft verurteilt. Als ich in meiner Zelle darauf wartete, in ein Hochsicherheitsgefängnis überführt zu werden, wurde mir ein Brief ausgehändigt, der an jemand anders adressiert war. Die Verfasserin des Briefes hatte in den Fernsehnachrichten gehört, wie ein Mann behauptete, er habe das Verbrechen, das man ihm zur Last legte, nicht begangen. Sie war Christliche Wissenschaftlerin und hatte gebetet, um eine Möglichkeit zu finden, wie sie ihrer Kommune helfen könnte. Sie hatte dann die Nachrichten genau zu dem Zeitpunkt eingeschaltet, als der Mann seine Unschuld beteuerte. In ihrem Brief bot sie ihm christlich-wissenschaftliche Literatur an, die ihm zeigen sollte, wie ihn die Wahrheit frei machen kann. Mein Zellengenosse bekam den Brief irgendwie in die Hände, obwohl er nicht an ihn gerichtet war. Er wollte ihn wegwerfen, fragte mich jedoch, ob ich ihn beantworten wollte.
Ich hatte noch nie von Christian Science gehört und dachte mir, ich könnte auf diese Weise eine christlich gesinnte Brieffreundin bekommen. Also schrieb ich eine Antwort. Ich erhielt viel mehr als nur eine Brieffreundin. Was sie mir schrieb, gab mir eine neue Sicht auf Gott und auch auf mich und andere. Ich fing an das Christian Science Vierteljahresheft — Bibellektionen und den Christian Science Sentinel zu lesen.
Als ich in ein anderes Gefängnis überführt wurde, bat ich mit der Christian Science Seelsorgerin dort sprechen zu dürfen. Ich sagte ihr, ich wollte mein Opfer bitten, mir mein Verbrechen zu vergeben. Sie bestärkte mich in diesem Wunsch. Das tat ich dann auch und mir wurde vergeben. Allerdings fand ich es ungeheuer schwer, mir selbst das Verbrechen zu vergeben. Ich musste erst eine große Besserung durchmachen. Doch da ich mich jetzt in einem neuen Licht sah, nämlich als Gottes Kind und daher ohne eine schlimme Vergangenheit, machte ich langsam Fortschritte. Die Seelsorgerin kam jede Woche, um die Bibellektion mit mir zu lesen, und schließlich fragte ich sie, ob wir nicht im Gefängnis Gottesdienste abhalten könnten. Bald darauf besuchten meine Freunde und ich jede Woche Christian Science Gottesdienste.
Eines Tages erzählte ich der Seelsorgerin, dass ich dicht am Herz eine Kugel stecken hatte. Ich fragte sie, ob christlich-wissenschaftliches Gebet sie entfernen könne. (Zwei Ärzte außerhalb des Gefängnisses und einer im anderen Gefängnis hatten mich untersucht und hielten eine Operation für zu gefährlich. Die Kugel verursachte mir viel Schmerzen.)
Die Seelsorgerin versicherte mir, dass Gott alles vermag und dass ich durch Christian Science geheilt werden könne. Ich erzählte ihr, dass ich die Kugel erhielt, als ich einen Familienangehörigen zu beschützen versucht hatte. Dieser Vorfall brachte mich auf die schiefe Bahn. Jedesmal wenn ich an den Mann dachte, der den Schuss feuerte, war ich wütend und fand so eine Entschuldigung für mein Verhalten.
Obwohl ich nun gelernt hatte, mich als Gottes Kind zu betrachten, gelang es mir aber noch nicht, dies auch auf diesen anderen Mann anzuwenden. Die Seelsorgerin sagte, niemand könne sein schlechtes Verhalten entschuldigen und jeder müsse sich wie ein Kind Gottes verhalten, denn letztendlich sind wir das alle. Sie las mir den Bibelvers vor: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib” (1. Mose 1:27).
Die Seelsorgerin wusste, dass ich eine kleine, noch kein Jahr alte Nichte hatte. Sie sagte, ich sollte den Mann, der auf mich geschossen hatte, genauso sehen wie ich meine Nichte sah — als ein reines, unschuldiges Kind. Ich sagte erst einmal, ich würde es versuchen, denn ich glaubte nicht, dass ich dazu im Stande war. Aber dann dachte ich: Entweder weiß ich, was Gottes Wahrheit ist oder ich weiß es nicht. Und so sagte ich, ich würde es tun, und ich bat sie, mit mir zu beten. Ich betete dann und als ich ein paar Tage später mein T-Shirt auszog, steckten innen am Hemd und in meiner Haut über meinem Herz kleine Metallstücke. Meine Wut und mein Zorn waren gewichen. Mir war, als ob ich ein neues Herz hätte, in dem es für alte, überwundene Emotionen keinen Platz mehr gab.
Bald darauf arbeitete ich in der Küche und als ich einen anderen Insassen versehentlich mit Wasser bespritzte, warf er mir ein chemisches Reinigungsmittel ins Gesicht und in die Augen, die davon brannten. Ich konnte nicht mehr klar sehen und wurde zur Krankenstation gebracht. Ich sagte der Seelsorgerin, dass ich den Mann nicht gekannt hatte und dass ich nur gut von ihm dachte. Sie versicherte mir, ich könne keinen Schmerz empfinden und nichts als Gutes erleben. Sofort konnte ich wieder gut sehen. Die Krankenpfleger waren erstaunt, wie schnell meine Augen geheilt waren. Die Lösung kam durch Christian Science zustande.
Doch das ist noch nicht das Ende der Geschichte. Der Mann, der das chemische Reinigungsmittel auf mich geworfen hatte, kam später zu mir und fragte mich, warum ich ihn nicht wütend angegriffen hätte, nachdem er mir das angetan hatte. Ich erklärte ihm, ich hätte gelernt, anders über mich und andere zu denken. Ich sähe ihn als einen Bruder, als ein Kind Gottes an. Ich erzählte ihm, dass ich mich mit der Bibel befasse und mit einem anderen Buch, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, und beide lehrten mich, anders zu denken. Ich verstand, was Mary Baker Eddy mit folgender Erklärung meinte: „Zu allen Zeiten und unter allen Umständen überwinde Böses mit Gutem. Erkenne dich selbst und Gott wird dir Weisheit und Gelegenheit für einen Sieg über das Böse geben. Bist du mit der vollständigen Rüstung der Liebe bekleidet, kann menschlicher Hass dich nicht erreichen. Das Band einer höheren Menschlichkeit wird alle Interessen in der einen Göttlichkeit vereinen” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 571).
Der Mann war sprachlos. Er sagte, er würde gern auch so denken, aber er könne nicht lesen. So fingen wir an zusammen zu lesen. Ich half ihm mit den Wörtern in beiden Büchern und er kam mit mir zu den Gottesdiensten.
Im Laufe der Jahre habe ich Heilungen erlebt in meinen Beziehungen zu anderen, bei meiner Arbeit, meiner Weiterbildung und bei gesundheitlichen Problemen. Zum Teil wurde ich durch meine eigenen Gebete geheilt und zum Teil durch die Gebete einer Christian Science Praktikerin.
Obwohl ich im Gefängnis bin, habe ich viele Gelegenheiten gehabt, anderen die Wahrheit näher zu bringen. Ich versuche so zu leben, wie Christus Jesus es uns auftrug, als er sagte: „Ihr seid das Licht der Welt” und „So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen” (Mt 5:14, 16). Ich kann ehrlich sagen, dass ich das gern tue — hier, wo ich bin. Ich bin jetzt Mitglied der Mutterkirche. Ich habe dieses Heilungszeugnis aufgeschrieben, um anderen — wo immer sie sind — zu helfen, ihre Freiheit zu erlangen. Ich danke allen, die mir geholfen haben, Christi Jesu Worte zu verstehen: Ihr „werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen” (Joh 8:32).
Orlando, Florida
Obwohl er [der Insasse Leonard] für schwere Verbrechen ins Gefängnis eingeliefert worden ist, zeigt er doch echte Reue. Dank seiner religiösen Überzeugung hat er ein neues Leben begonnen und er setzt die Lehren seines Glaubens in die Tat um. Er ist ein vorbildlicher Insasse und stets bereit, alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um anderen Insassen zu helfen. Auch schämt er sich nicht, allen Interessierten von seinem Glauben zu erzählen. Seine Worte und Taten beweisen, dass er ein echter Christlicher Wissenschaftler ist.
