Ein älterer Herr stürmte nach mir in den Laden. Er wirkte aufgebracht und war, wie sich später herausstellte, ein guter Kunde des Geschäfts. „Es wird ja alles schlechter hier! Wir werden immer ärmer. Steht sogar in der Zeitung!”
In dem Moment erinnerte ich mich an einen Artikel in der Tagespresse. Der hatte von zunehmender Verarmung und sinkenden Einkommen bei den niedrig bezahlten Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik berichtet.
Im Laden herrschte zunächst betretenes Schweigen. Bis die Verkäuferin den Herrn mit Namen ansprach und sagte: „So kennen wir Sie doch gar nicht! Seit wann jammern Sie denn über irgend etwas herum!” Da schlich sich ein Schmunzeln über das Gesicht des Herrn und er erzählte, dass er diesen „Angriff”, wie er es nannte, schon auf mehrere Leute „verübt” hatte. An der Bushaltestelle, im Supermarkt und einfach an der Straßenkreuzung. „Es ist so interessant!”, schilderte er seine Beobachtung. „Eigentlich alle schwenken auf dieses Gejammer ein und klagen mit und bedauern sich und die schlechter werdenden Umstände. Sie sind die ersten, die da nicht mitmachen!” Und von da an war es ein humorvolles Gespräch über ein ernstes Thema: die Achtlosigkeit der Menschen darüber, welche Gedanken sie sich zu eigen machen. Wie gedankenlos viele Menschen sich beeinflussen lassen von dem nächstbesten Passanten auf der Straße. Dass sie nicht mal darüber nachdenken, ob wenigstens die Fakten stimmen. Und wie schnell die Menschen dabei sind sich zu bedauern.
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