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„Erfolg?

Den misst man an sich selbst”

Aus der Juli 2001-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wie sind Sie eigentlich zum Zehnkampf gekommen?

Mit der Leichtathletik angefangen habe ich mit 3 Jahren. Da war ich noch zu jung um alleine zu Hause zu bleiben. Meine Mutter hat gearbeitet und mein Vater war Student und Übungsleiter im Verein. Und da hat er mich halt mitgenommen. So bin ich zur Leichtathletik gekommen. Mehrkampf fängt ja erst mit 10 oder 11 an. Das ist dann Vierkampf, wird später Achtkampf und schließlich Zehnkampf.

1989 war ich das erste Mal Deutscher Meister im Mehrkampf.

Wenn Sie jemanden für Ihren Sport gewinnen sollten: Was ist so spannend am Zehnkampf?

Das Spannende ist natürlich, dass man sowohl gegen seine Konkurrenten antritt als auch mit den Konkurrenten. Man sieht sich die ganzen zwei Tage während des Wettkampfes, zweimal 12 Stunden. Man kennt seine Konkurrenten schon recht gut. Und man hat auch private Kontakte. Die Atmosphäre unter den Athleten ist sehr, sehr gut. Man hilft sich gegenseitig, und es macht Spaß. In anderen Sportarten zeigt sich eine andere Form der Rivalität. Wir gehen nach dem Wettkampf auch noch Feiern.

Also ist es gar kein Konkurrenzkampf?

Es ist schon eine Konkurrenz da, aber eher unterschwellig. Weil es nicht in dem Sinne gegen den anderen geht, sondern mit dem anderen gegen sich selbst. Es ist eher so, dass man sich selbst besiegen muss statt irgend jemand anderen. Und wenn man selbst eine neue Bestleistung erzielt hat und der andere war halt besser, dann war er halt besser. Aber es ist immer fair. Ich hab in einem Mehrkampf noch nie erlebt, dass da geschubst wurde oder Ähnliches. Es ist eher das Gegenteil der Fall, dass dann Schuhe und Geräte ausgeliehen werden, damit die Leute ihren Wettkampf fortsetzen können.

Ist es ein Kampf gegen die eigenen Grenzen?

Auf jeden Fall. An manchen Tagen fragt man sich dann halt schon: Warum mach ich das eigentlich? Nach dem Training ist man kaputt, und man hat auch bestimmte physiologische Erscheinungen, die dann nach außen so aussehen, als ob einem das jetzt alles reichen müsste. Aber hinterher fühlt man sich wirklich wieder gut, weil man einfach gesehen hat, dass man eine Grenze erreicht hat und sie vielleicht auch überschritten hat.

Wie sieht für Sie das Training aus?

Ich habe im Training ein Programm, da hätte ich eigentlich drei Tage völlig schlaff sein müssen. Aber man trainiert dann die folgenden Tage trotzdem. Und das ist auch der Effekt, der erwünscht wird. Man trainiert so viel, dass man gerade nicht mehr topfit ist und wenn man dann aufhört, erholt man sich sehr schnell. Dadurch wird der Körper in einen Zustand gebracht, der leistungsfähiger ist als vor dem Training. So erreicht man seine Wettkampfleistung. Ein Wettkampf ist ja nur ein sehr gutes Training.

Ich hab z. B. gestern Treppentraining gemacht. Man steht da unten, hat immer 90 Stufen, man springt immer hoch und geht immer wieder runter. Wenn man das dann dreihundert Mal gemacht hat, dann hat man auch keine Lust mehr. Vor allem, wenn man alleine ist. Im Wettkampf ist das anders.

Bei solchen Übungen, die langweilig oder anstrengend sind, was motiviert Sie da? Ist es das Gefühl sich selbst überwunden zu haben? Oder die Tatsache, eine Aufgabe geschafft zu haben?

Schwer zu sagen, wohl beides. Es gibt natürlich Aufgaben, die sind einfach nur langweilig. Und man macht sie trotzdem, weil man weiß, wofür sie gut sind. Und man weiß eigentlich auch vorher schon, dass es einem hinterher wirklich schlecht gehen wird. Aber so was gehört auch dazu. Man besiegt sich halt immer selbst und man schafft es auch immer wieder seinen inneren Widerstand zu brechen und erweitert dadurch nicht nur seinen körperlichen, sondern auch seinen mentalen Horizont.

Ist der Körper ein Freund oder ein Feind?

Der Körper muss eigentlich der Freund sein, aber er ist in gewisser Weise auch der Feind. Wobei der Feind weniger das Körperliche ist als das Mentale. Es ist daher der Kopf, der die Limitierung setzt.

Ich bin früher ungern 300 oder 400 m gelaufen, egal ob im Training oder im Wettkampf. Weil ich vor dem Lauf schon immer Angst hatte, dass es mir nach dem Lauf schlecht gehen könnte. Und das Ergebnis war dann, ich bin schlecht gelaufen und hinterher war mir schlecht. Irgendwann hab ich gesagt: „Eigentlich ist es ja blöd. Stell dich mal hin und gucke mal, was du laufen kannst. Und wenn es dir hinterher schlecht geht, dann geht's dir halt schlecht, aber vielleicht auch nicht." Wenn man sich so einem Problem stellt, dann ist man schneller und es geht einem hinterher nicht schlecht. Oder nur selten.

Ich glaub, Sportler erreichen so einen geistigen Zustand eher, weil sie solchen extremen Situationen ausgesetzt sind. Man lernt eben verschiedene Eindrücke anders zu interpretieren, weil sie mehr zum Sport und zu diesem Leben dazugehören. Was z. B. den Schmerz angeht: Es gibt Situationen im Sport, da ist zwar Schmerz noch immer unangenehm, aber man interpretiert ihn nicht mehr als negativ. Weil der Schmerz einem halt anzeigt, man hat was geleistet. Und der Körper verarbeitet das jetzt.

Liegt das daran, dass Sie wissen, wo der Schmerz herkommt und sie keine Furcht haben?

Das gehört mit Sicherheit dazu. Es hat aber nicht nur mit der Einstellung zum Sport zu tun, sondern auch dem Leben gegenüber. Wenn man eine Trennung erlebt oder sonst irgendeine andere schmerzhafte Erfahrung, kann man sagen: „Ich will jetzt nicht mehr.” Aber man kann auch sagen: „Na gut, das tut jetzt sehr sehr weh, aber man wird dadurch stärker.” Insofern ist eine negative Erfahrung auch immer eine gute, weil man dadurch lernt. Weil sie einen weiterbringt. Mit dem Schmerz ist es genauso. Ich bin ja kein Masochist, der zum Training geht und sagt, Hauptsache es schmerzt. Aber es ist ein tolles Gefühl, etwas geschafft zu haben.

Wie wichtig ist eigentlich der Erfolg?

Das ist schwer zu beantworten. Es ist eher ein persönlicher Erfolg als ein direkt messbarer. Wenn man eine neue Punktzahl erreicht, die man vorher nicht erreicht hat, dann freut man sich darüber und man erntet natürlich auch Anerkennung von anderen. Aber es ist eher ein Gefühl der Selbstbestätigung. Erfolg, den misst man an sich selbst. Und dabei können andere besser sein als man selbst. Man kann auch im Wettkampf Fünfzehnter werden und trotzdem sehr zufrieden mit sich sein. 1997 zum Beispiel in Frankreich im Wettkampf in Talence habe ich meine Bestleistung gemacht mit 7800 Punkten und wurde Elfter. Der Rest war Weltspitze und mit den 7800 Punkten war ich froh, dass ich so dicht an der Weltspitze war. Man darf nicht antreten, um es anderen beweisen oder zeigen zu wollen. Das muss man für sich selbst machen. Die Motive sind doch entscheidend.

Wie verarbeiten Sie Niederlagen?

Indem ich nicht so viel darüber nachdenke. Ich bin eher jemand, der die Fehler analysiert und sich im Training darauf einstellt. Ich bin jemand, der seinen Körper sehr gut erfühlen kann. Ich weiß relativ gut, was im Körper vorgeht und welche Sachen woran liegen. Und ob es eher ein Problem vom Kopf her ist oder ob ich es wirklich nicht kann. Dann versuche ich das kurzfristig zu berücksichtigen.

Welche Rolle habeñ die Zuschauer beim Wettkampf für Sie? Registrieren Sie die überhaupt?

Ja, die Zuschauer können sehr leistungsfördernd sein. Weil die auch Spaß machen. Da ist dann mehr Schau, man konzentriert sich weniger auf seine körperlichen Befindlichkeiten. Gerade nach dem ersten Tag kenne ich wirklich niemanden, dem es so richtig gut geht. Und da sind Zuschauer sehr wichtig, weil man sich dann auf andere Dinge konzentriert und mit seinem eigenen Körper wesentlich entspannter umgeht. Man denkt dann nicht an den einen oder anderen Zwicker, den man irgendwo hat. Man sieht, die Leute sind interessiert und haben auch ihren Spaß.

Das spornt schon sehr an. Also, ob das in Ratingen ist, wo die Zuschauerzahl auch relativ gering ist, oder bei internationalen Wettkämpfen. Ich fahr zum Beispiel sehr gern nach Tallin zu Wettkämpfen. Ich war jetzt zum vierten Mal dort und da sind die Zuschauer völlig verrückt. Die kommen dort ins Stadion, sie singen, bringen ihre Musikinstrumente mit. Der Lokalmatador ist Erki Nool, der absolute Volksheld. Der ist eigentlich bekannter als der eigene Premierminister und da machen die einfach Stimmung. Das macht Spaß. Das ist unfassbar. Und in Tallence ist es ähnlich. Da sind dann 17 000 Zuschauer in einem Stadion, wo 12 000 reinpassen. Da ist es einfach toll. Man springt sich beim Stabhochsprung ein und die Zuschauer sind begeistert, als ob man gerade Weltrekord gesprungen ist.

Was sind Ihre Ziele?

Also, langfristig einmal bei den Olympischen Spielen teilnehmen, im besten Fall natürlich Athen. Danach wäre ich wohl schon relativ alt. Und kurzfristig: Nächstes Jahr sind Europameisterschaften in München. Das ist in jedem Fall ein Ziel. Und ganz kurzfristig erst mal 8000 Punkte zu machen. Das ist dann so die Grenze, wo gesagt wird, ja, da fängt das ganze so richtig auf Weltniveau an. Meine Bestleistung liegt jetzt so bei 7900 Punkten. Das ist dann nicht mehr so viel, aber es sind doch eben noch rund 100 Punkte.

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