Mein ganzes Leben ist mir folgendes Erlebnis eine Hilfe geworden. Es hat mir sehr zu denken gegeben. Ich hatte meine Mutter verloren, mein Bruder war weit weg, ich stand ganz alleine. Ich war damals nicht in der Kirche und ein mit mir befreundeter Pfarrer machte mich darauf aufmerksam und sagte: „Es ist besser, wenn Sie in die Kirche kommen. Bei so einem Verlust ist es nicht gut, wenn Sie alleine dastehen.” Ich war mir meiner Sache sicher und sagte: „Ich bin nicht alleine. Ich bin zwar allein, aber nicht einsam. Ich kann in großer Gesellschaft sein und bin einsam.” Hier war ich nun wohl äußerlich allein, aber für mich war es klar: „Christus ist da. Da bin ich nicht allein.”
Aber der Moment kam, dass mich die Einsamkeit doch beschlich und da war ich ganz verzweifelt. Ich ging in meiner Verzweiflung auf den Friedhof. Und auf dem ganzen Weg dorthin ging mir durch den Kopf: „Gott ist Liebe. Gott nimmt uns nicht das Liebste und lässt uns dann in unserem Kummer allein. Das würde der göttlichen Liebe regelrecht widersprechen. Das passt nicht.”
Als ich auf dem Friedhof angekommen war, da stand ich vor dem Grab und hatte nur den einen Wunsch, das Gebet des Herrn zu sprechen. Ich kam noch nicht bis zur Anrede, da wurde ich plötzlich von einem Gedanken regelrecht angesprochen: „Warum bist du traurig?” Ich antwortete: „Ich hab meine Mutter verloren.” Dann sagte der Gedanke in mir: „Bin ich dir nicht alles? Vater! Mutter!” Und da wurde ich nachdenklich und da sprach die Stimme weiter: „Wann bist du traurig?” Da dachte ich nach. „Wenn ich nach Hause komme und die Wohnung leer ist. Ich möchte was erzählen. Es ist niemand da, der zuhört.” Und da sagte die Stimme: „Wenn du die Mutter vermisst, dann bist du traurig. Wenn du sie aber nicht vermisst, z. B. wenn du bei der Arbeit bist, dann bist du nicht traurig. Ist das nicht eigentlich Egoismus?” Und da war ich doch erschrocken. Ich dachte: „Egoistisch willst du in der Liebe zu deiner Mutter nicht sein.” Und schlagartig war die Trauer weg. Einfach so. Und ich hatte innerlich Ruhe.
Darüber habe ich viel nachdenken müssen.
Ich hatte eine Kollegin, die war in der gleichen Situation. Ich sprach ihr meine Anteilnahme aus und dann erzählte ich von meinem Erlebnis. Und da sagte sie zu mir: „Das klingt sehr hart, aber es ist die Wahrheit.” Und dann hatte ich eine Bekannte, die hatte ihren Mann verloren. Sie ging jeden Tag auf den Friedhof. Und da habe ich ihr auch meine Erfahrung erzählt. Und da sagt sie zu mir: „Das klingt sehr hart, aber es ist die Wahrheit.”
Aber wenn man diese Wahrheit lebt, ist sie nicht hart. Sie entspricht nur nicht dem, was wir uns vorstellen. Oder was wir gerne hören würden. Und deshalb empfinden wir sie als hart.
So wie im Jesaja steht: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken. ...” (Jes 55:8).
Etliche Zeit später habe ich meine Bekannte wieder getroffen. Da sagte sie: „Deine Worte, die haben mir so geholfen. Und wenn ich am Boden bin, dann muss ich immer wieder darüber nachdenken. Über die Wahrheit. Und da bin ich dann immer ganz ruhig.”
Und später stieß ich auf eine Stelle im 2. Korinther, Kapitel 1. Und dort heißt es: „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzichkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott.”
Ich bin aus tiefstem Herzen dankbar, dass ich den Weg gefunden hab.