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Erfurt: Symbol für Gewalt oder Ausgangspunkt für Gebet?

Aus der August 2002-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


„Jeder ist wertvoll durch das, was er ist, und nicht durch das, was er kann.” Einhunderttausend Menschen in Erfurt hören diesen Satz von Bundespräsident Johannes Rau ebenso wie Millionen Zuschauer und Leser der Medienberichte über die größte Trauerfeier der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Sie gedenken der 16 Opfer des Amoklaufs im Gutenberg-Gymnasium. Viele Zeitungsüberschriften sprechen nach dem unfassbaren Blutbad eines 19-jährigen von Ratlosigkeit, Verzweiflung und lähmendem Entsetzen. Aus der ergreifenden Feier ragt noch ein weiterer Satz heraus, nämlich der der 18-jährigen Schülerin Constanze Krieg des Gutenberg-Gymnasiums. Sie sagt auf der Trauerfeier: „Unsere Schule war einmal von einer sehr familiären Atmosphäre geprägt, und das soll sie auch wieder werden.”

Neben dem Entsetzen über diese sinnlose Tat wenden sich die öffentlichen Diskussionen Fragen zu, ob die Darstellung von Gewalt im Fernsehen und unzählige Videospiele, deren einziges Ziel das Vernichten von Menschen ist, zu dieser beispiellosen Gewalt beitragen. Und es wird darauf hingewiesen, dass inzwischen auch Deutschland von einer Welle der Gewalt und Gewaltandrohung im Schulbereich erreicht wurde, für die es beinahe täglich neue Beispiele gibt.

Viele ernsthafte Diskussionsbeiträge zählen tatsächliche wie vermeintliche Ursachen für diese gewalttätigen Exzesse auf. Und gewiss ist es wichtig, dass sich jeder, ob mittelbar oder unmittelbar, darüber Gedanken macht, wie der Gewalt Einhalt geboten werden kann.

Unabhängig davon, was im reich der Medien, im Schulund Erziehungswesen an konkreten Aktionen verwirklicht werden wird, es lohnt über einen Einfluss nachzudenken, der keiner staatlichen Regelung bedarf und unverzüglich genutzt werden kann: die Wirkung des Gebets in einer solchen Situation.

Gebet, so könnte man sagen, beruht auf einem Gottes- und Menschenbild, das durch die Bibel und besonders durch das Neue Testament geprägt ist. Gott wird dort als ein liebender Vater beschrieben. Gott ist auch Mutter, die tröstet und vergibt. Und der Mensch ist, unabhängig von individuellen Verhaltensmustern, immer das geliebte Kind, die vollkommene Idee Gottes. Auf dieser geistigen Tatsache beruht auch die Aussage des Bundespräsidenten. Wir sind Gottes wertgeschätzte Manifestation des Guten, untrennbar mit unserem Schöpfer verbunden, und wir empfangen Seine Liebe tagein, tagaus.

Dies enthebt den Menschen nicht der Aufgabe, im weitesten Sinn Gott zu achten und zu ehren durch moralisch und ethisch einwandfreies Verhalten. Es auferlegt dem Menschen, sich wann immer nötig, vom falschen, gewalttätigen, unrechten Handeln abzuwenden und zu distanzieren. Reue und Umkehr sind dem Menschen zu jeder Zeit möglich. Der Mensch ist frei, sich immer wieder neu zu entscheiden: für Leben und das Gute, gegen Gewalt und das Zerstörerische.

Diese Gotteskindschaft des Menschen ist individuell und einzigartig. Sie muss nicht erkämpft oder verdient werden. Sie ist sein Geburtsrecht. Und sie besteht völlig unabhängig von der sozialen Stellung, der beruflichen Laufbahn oder dem gesellschaftlichen Erfolg des Einzelnen. Wer über diese geistige Tatsache nachdenkt und seine Äußerungen und Gedanken dementsprechend prägen lässt, wird jeden Menschen gleich behandeln — mit der gleichen Würde und dem gleichen Respekt — sei es ein Arbeitsloser, ein in der Schule Gescheiterter oder ein Versager im Sportklub.

Für Gott gibt es keine Versager. Wer betet, wer also seine Gefühle und Gedanken durch die Liebe Gottes zu jedem Menschen bestimmen lässt, trägt dazu bei, jeden Menschen in dieser einen harmonischen Familie zu halten, die niemanden ausgrenzt.

Die familiäre Atmosphäre, von der die Schülerin auf der Trauerfeier gesprochen hat, wird genau durch solche Gedanken geprägt. Die Werte, die eine Familie kennzeichnen, sind doch gegenseitiges Vertrauen, das rückhaltlose Eintreten für das Familienmitglied und die Bereitschaft, eher zu vergeben als zu verurteilen und eher zu helfen als hinauszuwerfen. So betrachtet ist „Familie” nicht auf die klassische Definition Vater/Mutter/Kinder beschränkt, sondern umfasst ebenso Alleinerziehende mit ihren Kindern wie auch Schulen, Vereine, Kirchen, Verbände und andere gesellschaftliche Gruppen, in denen Menschen gemeinsame Ziele ansteuern.

Für die Familie zu beten heißt dann, jede Form der Aggression und Gewalt gedanklich zurückzuweisen und gegebenenfalls hörbar zu ächten. Es bedeutet, nach Gemeinsamkeiten zu suchen und diese zu fördern. Es bedeutet, Werte zu entdecken, Respekt zu zeigen und Konflikte intelligent zu lösen.

Jedes Gebet, jedes Innehalten und Nachdenken, wie das Gute, das Friedfertige im Menschen gestärkt werden kann, ist ein Beitrag, die Gesellschaft von Gewalt und Mord zu befreien.

In diesem Sinn muss Erfurt nicht das Stichwort für die Unfassbarkeit des Bösen sein. Erfurt kann der Auftakt zum hoffnungsvollen Wandel einer Gesellschaft werden, die sich der Macht des Gebets bewusst wird. Mary Baker Eddy schreibt in dem Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, durch das sich das Thema der göttlichen Liebe für den Menschen wie ein roter Faden hindurchzieht: „Alles, was durch Weisheit, Wahrheit oder Liebe inspiriert — sei es Gesang, Predigt oder Wissenschaft —, segnet die menschliche Familie mit Brosamen des Trostes vom Tisch Christi, speist die Hungrigen und gibt den Durstigen lebendiges Wasser.

Wir sollten uns mehr mit dem Guten als mit dem Bösen vertraut machen und uns ebenso aufmerksam vor falschen Ansichten hüten, wie wir unsere Türen gegen das Eindringen von Dieben und Mördern verriegeln” (S. 234).

Gebet hat Macht. Es hat zu biblischen Zeiten wie auch in der Gegenwart Veränderungen bewirkt. Die Mauern Jerichos sind gefallen, Menschen wurden durch die Gebete Christi Jesu geheilt. Europa und die Welt hat politische Wandlungen erlebt, die für nahezu unmöglich gehalten und von weiten Teilen der Welt auf Gebet zurückgeführt wurden.

Bei Terror und Gewalt wird Gebet ebenso seine Wirksamkeit beweisen. Jeder Einzelne kann noch heute den „Amoklauf im eigenen Denken” stoppen und sich auf Friedfertigkeit, Achtung und Rücksicht einstellen.

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