In einem Wirbel von Geschäftigkeit, inmitten von Rucksäcken, Lautsprecheransagen und durcheinander strömenden Reisenden stand ich am Sonntag, den 1. Juni, frühmorgens auf dem Flughafen Tegel.
Berlin war fast zeitgleich Gastgeber zweier Veranstaltungen, des ersten Ökumenischen Kirchentags und, als erste Stadt neben Boston seit Bestehen von Christian Science, der Jahresversammlung der Mutterkirche. Hunderttausende Besucher des Ökumenischen Kirchentags rückten bereits einige Tage vor Beginn der Jahresversammlung das Thema „Glaube” in den Fokus der Öffentlichkeit.
Nichts schien so zu sein wie sonst. In U-Bahnen, die bis ans Limit ausgelastet waren, sangen Fahrgäste und sprachen Fremde miteinander. In einem wahren Ausnahmezustand, voll überschäumender Fröhlichkeit und mit sommerlicher Hitze empfing uns Berlin.
Wie durch ein Geschenk konnte ich, die ich noch nicht sehr lange Mitglied bin, ohne lange Anreise die Kirche intensiver und aus anderen Blickwinkeln kennen lernen als bisher. Drei Tage im Kreis von Menschen aus 54 Nationen ließen mich viele Teilnehmer erleben, die oft schon ihr ganzes Leben lang das Bestehen der Kirche rund um die Welt mittragen. Persönliche Gespräche in der „Discovery-Area”, dem Bereich der Max-Schmeling-Halle, der mit Computerplätzen und farblich ansprechenden Sitzgruppen für zwanglose Begegnungen und das Erforschen von Christian Science eingerichtet worden war, machten die Gemeinschaft mit Wissenschaftlern aus fernen Gegenden fühlbar. Ich hörte von Teilnehmern aus so unterschiedlichen Ländern wie Australien, Nigeria oder den USA Wertvolles über ihre jeweiligen Lebensumstände.
Und ich habe seitdem ein klareres Verständnis davon, wie Hilfe ganz konkret und im Gebet aussehen kann. Andere Besucher erzählten sich wiederum gegenseitig, was sie in Berlin Eigenes erlebten: einige das Wiedersehen nach langer Zeit mit alten Bekannten, etliche vor allem die Stärkung bestehender Gewissheiten, wieder andere die Befreiung von begrenzenden Vorstellungen und viele den Wunsch, die Ideen von Wissenschaft und Gesundheit anderen mitzuteilen.
Große Leinwände im Inneren der Halle übertrugen simultan die Vorgänge aus Boston nach Berlin und umgekehrt. So konnten die, die wie ich noch nie in Boston gewesen waren, zum ersten Mal im Leben via Satellit die Mutterkirche von innen sehen, während alle Teilnehmer gleichzeitig hier wie dort in einem bewegenden Moment zu Beginn des Eröffnungsgottesdienstes gemeinsam in unseren verschiedenen Sprachen „Angels' Song” sangen.
Als weitere Programmschwerpunkte hörten wir Berichte von Mitgliedern aus Teilen Europas, die vormals politischer Repression ausgesetzt gewesen waren — von Angehörigen zum Beispiel aus der ehemaligen DDR, die Christian Science viele Jahrzehnte lang in ständiger Gefahr und gestützt durch diskrete Hilfsmaßnahmen der Mutterkirche im Verborgenen hatten leben müssen, Berichte aber auch aus Kasachstan und aus Russland.
Mir wurde deutlich, zu welchen spirituellen und materiellen Entbehrungen diese Mitglieder gezwungen gewesen waren und welche respektheischende Rolle die Mutterkirche mit ihrer nicht nachlassenden Unterstützung im Verborgenen bei der Überwindung dieser Entbehrungen spielte.
Selten, außer vielleicht auf wenigen innigen Familienfeiern, habe ich eine solche Harmonie in Gemeinschaft empfunden wie während der Jahresversammlung. Und doch befanden sich in der Max-Schmeling-Halle oft bis zu 3000 Menschen! Während der gesamten Veranstaltung boten Imbissstände zu moderaten Preisen in den Pausen kleine Mahlzeiten an. Shuttle-Busse zu und von den Hotels, Ordnerdienst, Kopfhörer für Simultan-Übersetzungen, Kinderbetreuung, Ruheräume, Info-Services, alles war vorhanden und kostete nichts.
Ich erlebte die Jahresversammlung dankbar als puren Akt der Liebe, als Sichtbarwerdung von Mary Baker Eddys Definition von „Kirche”: „Die Struktur von Wahrheit und Liebe; alles was auf dem göttlichen Prinzip beruht und von ihm ausgeht” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 583).
Durch den Besuch der Jahresversammlung bin ich dank dieser gelebten und erlebten Selbstlosigkeit im Umgang mit Wahrheit und Liebe ein großes Stück gewachsen.
