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Feature-Serie: Gerechtigkeit

Freude überwindet Begrenzungen

Aus der Januar 2004-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ja klar gibt es Dinge, die mir schwerer fallen als anderen oder die ich einfach anders organisieren muss. Zum Beispiel, wenn ich einkaufen gehe, komme ich an die oberen Regale nicht dran, aber dann bitte ich eben jemanden, mir zu helfen und bedanke mich für die Hilfe.

Mein tägliches Leben habe ich so organisiert, dass eigentlich alles gut klappt. Wenn ich so darüber nachdenke, fallen mir gar nicht so viele Dinge ein, die bei mir anders sind als bei anderen, zumindest kommt es mir nicht so vor. Klar, haben wir zum Beispiel die Küchenschränke so eingeräumt, dass alle Dinge, die man täglich braucht, wie Tassen, Teller, Gläser, Töpfe usw. weiter unten in den Schränken sind.

Es gab schon Situationen und gibt es immer wieder, in denen ich das Leben wirklich ungerecht fand. Mir schien alles schwerer zu fallen, als allen anderen. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass es mir nicht geholfen hat, zu hadern und mich zu fragen, warum ich nicht so groß bin wie alle anderen.

Eine Stelle aus den Psalmen, die mir oft geholfen hat, heißt: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin, wunderbar sind deine Werke, das erkennt meine Seele.”

In der Sonntagsschule lernte ich, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem, was „meine Augen sehen”, und dem, was „meine Seele erkennt”.

Wirklich einfacher wurde es, als ich begriffen habe, dass ich nicht alles, was mir in meinem Leben nicht gefiel, damit erklären konnte, dass ich kleiner bin als „normal”. Dadurch fühlte ich mich nicht mehr so hilflos dem Schicksal ausgeliefert. Ich fing an zu begreifen, dass es viele verschiedene Gründe gab, warum in meinem Leben Dinge anders waren, als ich sie gerne hätte. Und dass diese Gründe nicht nur auf mich zutrafen, sondern auf viele andere auch.

Und gleichzeitig merkte ich, dass ich wiederum Dinge konnte, die andere nicht so gut konnten. Z.B. fiel mir das Lernen immer ziemlich leicht, ich hatte nie wirklich Probleme in der Schule oder an der Uni. Auch fällt es mir sehr leicht, auf andere Menschen zuzugehen, mich mit ihnen zu unterhalten, etwas, was in meinem Beruf auch sehr wichtig ist.

Ganz wichtig ist es auch für mich, dass ich gelernt habe, mich über Dinge zu freuen, die andere gut können, ohne dabei neidisch zu sein. Je mehr ich das lerne, desto zufriedener und freudiger bin ich und entdecke dadurch auch immer mehr Sachen, die ich gut kann.

Es macht auch Spaß, anderen dabei zu helfen, zu entdecken, was sie alles gut können.

M. B. Eddy schreibt in ihrem Buch Wissenschaft und Gesundheit auf die Frage: Was ist der Mensch? „Der Mensch ist nicht Materie; er besteht nicht aus Gehirn, Blut, Knochen und aus materiellen Elementen. Die Heilige Schrift teilt uns mit, dass der Mensch zum Bild und Gleichnis Gottes gemacht ist.” Und weiter erklärt sie den Menschen als jemanden „der nicht eine einzige Eigenschaft hat, die nicht von der Gottheit stammt; der kein Leben, keine Intelligenz noch schöpferische Kraft aus sich selbst besitzt, sondern alles geistig widerspiegelt, was zu seinem Schöpfer gehört.”

Ja und dann fing ich an, nicht mehr auf den Körper zu schauen, sondern nach Eigenschaften zu suchen, die von Gott stammen. Dies machte ich nicht nur in Bezug auf mich, sondern auch auf alle Menschen um mich herum. Und so fand ich sowohl bei mir als auch bei anderen wunderbare Eigenschaften wie Aufgeschlossenheit, Freude, Liebe, Intelligenz, Geduld, Kreativität, Ausgeglichenheit, Sinn für Gerechtigkeit, Humor und Spontaneität.

Je mehr ich über Gott und das Beten nachdachte, desto klarer wurde mir auch, welche Rolle dabei die Freude spielt, was Freude wirklich ist. Im 1. Thessalonicher 5: 16, 17 steht: „Seid allezeit fröhlich und betet ohne Unterlaß.” Ich fand zuerst, daß Gott ganz schön viel von uns verlangt: Immer fröhlich zu sein und immer zu beten. Immer fröhlich zu sein erschien mir ja noch erstrebenswert, wenn auch ganz schön schwierig. Aber immer zu beten, das war eine echte Herausforderung. Ganz ehrlich schien es mir auch ein bißchen langweilig zu sein und daher gar nicht so erstrebenswert.

Je mehr ich aber über diese Stelle nachdachte, desto natürlicher wurde diese Forderung, die Gott an uns stellt. Ich merkte, daß es nicht nur eine Forderung von Gott an uns war, sondern auch ein Versprechen an uns, daß wir immer fröhlich sein können und immer beten können.

Beten ist für mich heute mehr als nur eine bestimmte Zeit des Tages, in der ich mich an Gott wende. Dies gehört auch dazu. Aber es ist nur ein Teilaspekt. Beten ist für mich viel mehr auch Gottes Willen zu erkennen und dann auch danach zu leben, mich in Harmonie mit Ihm zu bewegen. Und dies ist etwas, was man immer tun kann — in Harmonie Gott leben.

Es ist oft einfach zu denken, wenn ich nur jetzt nicht mehr arbeiten müsste, sondern mit Freunden ans Meer fahren könnte, dann würde ich mich ganz automatisch freuen, dann wäre alles gut.

Aber so einfach ist es nicht. Ich habe es erlebt, dass ich genau das gemacht habe, wovon ich dachte, dass es ganz viel Spaß machen würde und dann war es nur ganz nett oder hat überhaupt keinen Spaß gemacht. Und dafür war ich in anderen Situationen sehr glücklich, in denen es eigentlich keinen äußeren Anlass gab sich zu freuen und trotzdem war eine ganz tiefe Freude in mir.

Freude ist nicht von Personen oder Situationen abhängig. Ich kann grundsätzlich immer und überall fröhlich sein. Natürlich erlebe ich mit anderen Menschen zusammen Freude, aber ich erwarte die Freude nicht von ihnen, sondern bin mir bewusst, dass Gott alle Menschen geschaffen hat. Durch diesen Bezug zu Gott ist es dann auch möglich, mit jedem Menschen Freude zu erleben.

Von einem kleinen Kind habe ich eine große Lektion über Freude gelernt. Es war gerade die Zeit, in der ich ziemlich viel für mein Examen lernen musste und überhaupt keine Lust dazu hatte. Ich beobachtete ein kleines Kind, das sich total freute, weil es gerade gelernt hatte, wie es eine Tür beim Krabbeln aufmachen kann, um durchzukommen. Dieses Kind saß auf dem Boden, schwang die Tür immer hin und her und lachte und war ein einziges Bild der Freude, weil es wieder etwas Neues dazugelernt hatte. Und da habe ich gemerkt, dass ich mich eigentlich auch freuen kann, dass ich so viel Neues lerne. Es war meine Entscheidung, Jura zu studieren, und ich war sehr froh, dass ich die Möglichkeit hatte zu studieren und Richterin zu werden.

Von da an habe ich bewusst mit viel Freude gelernt und war nicht mehr genervt, sondern dankbar, dass ich lernen durfte. Die äußere Situation hatte sich nicht geändert, ich musste weiterhin viel für das Examen lernen, aber meine Einstellung dazu war nun eine andere.

Ich versuche immer mehr alles, was ich mache, mit Freude zu machen. Es gelingt mir nicht immer und manchmal bin ich auch genervt und lustlos. Aber inzwischen habe ich gelernt, dass es ein göttlich verliehenes Recht ist, Freude zu empfinden und dieses Recht nehme ich für mich in Anspruch, so wie ich auch sonst meine Rechte kenne und für mich in Anspruch nehme.

Manchmal passiert es mir, dass mich jemand, der mich nicht kennt, zum Beispiel auf einer Party, nach meinem Beruf fragt und dann erstaunt reagiert. Meist ist es so eine Mischung zwischen Erstaunen und Hochachtung. Die meisten stellen sich Richter natürlich anders vor. Inzwischen habe ich mir angewöhnt zu lachen und zu sagen: „Ja klar bin ich Richterin, ich kann genauso Verhandlungen leiten, mit Menschen sprechen, Akten lesen und Urteile fällen wie andere auch.” Meistens lachen die anderen dann mit.

Natürlich weiß ich, dass sich jeder, der mich zum ersten Mal sieht, ein wenig wundert. Das stört mich auch nicht, sondern ich versuche, mich einfach normal zu verhalten und allen um mich herum das Gefühl zu vermitteln, dass sie mich normal behandeln sollen.

Ich weiß auch, dass fast alle, die zu mir am Gericht in eine Verhandlung kommen, erstaunt sind, egal ob die Anwälte oder die Parteien selbst. Aber da ich meistens gleich anfange zu verhandeln und über die Fälle zu sprechen, merken sie schnell, dass ich meine Arbeit mache, wie jeder andere auch. Und dann agieren sie auch und haben gar keine Zeit mehr, sich zu wundern.

Mit Vorurteilen ganz anderer Art hatte ich auch tun, nämlich Vorurteile, die ich mir selbst gegenüber hatte: Sachen, bei denen ich dachte, das kann ich nicht. Diese Begrenzungen musste ich überwinden, die mich auch neidisch gegenüber anderen sein ließen, weil ich dachte: „Och, andere können das und ich nicht.” So habe ich zum Beispiel gelernt zu tanzen, in den Bergen zu wandern oder auch Betreuerin bei einer Kinderfreizeit zu sein.

Das kam so: Vor ein paar Jahren rief mich eine Freundin an und fragte mich, ob ich für sie als Betreuerin bei einem Kindersommerlager einspringen könnte. Wir verabredeten, dass ich es mir einige Tage überlegen sollte. Ich betete und empfand dabei eine große Freude. Wegen der Freude, die ich empfand, sagte ich zu, ohne mir genau vorstellen zu können, wie es werden würde.

Ich wusste, diese Freude war der beste Ausgangspunkt. Alles Weitere würde sich zeigen und so war es auch. Es war eine wunderschöne Zeit, die ich mit den Kindern und den anderen Betreuern verbrachte, und diese Verbundenheit mit Gott und die Freude, die ich anfänglich empfand, habe ich auch während der ganzen Ferienfreizeit erlebt. Wenn Probleme auftraten, konnten wir sie immer mit Gottes Hilfe lösen.

Mir passiert es öfters, dass Kinder mich sehen, auf mich zukommen und einfach fragen: Warum bist du so klein? Zuerst habe ich immer versucht, lange, umständliche Erklärungen zu geben, aber irgendwann habe ich mir angewöhnt, zu antworten: „Weil ich nicht mehr gewachsen bin.” Eigentlich sind die Kinder mit dieser kurzen und einfachen Antwort immer zufrieden. Sie finden es manchmal sogar ganz praktisch, dass sie nicht immer so weit hochschauen müssen, um mit einem Erwachsenen zu reden.

Bei dieser Kinderfreizeit sagte eines der Kinder nach ein paar Tagen zu mir: „Weißt du, eigentlich vergesse ich ganz oft, dass du kleiner bist.” Natürlich habe ich mich sehr über diese Worte gefreut, denn das ist es genau, was ich gerne möchte, dass die Menschen um mich herum mich normal behandeln.

Ja, ich bin glücklich und genieße mein Leben, so wie es jetzt ist. Ich bin Gott dankbar für eine liebe Familie, für viele Freunde und einen erfüllenden Beruf. Dies bedeutet nicht, dass ich nicht auch Ideen habe, was sich noch verändern könnte. Aber ich habe inzwischen gelernt, dass man Gott seine Wünsche nennen darf und trotzdem zugleich mit dem zufrieden ist, was man hat.

Es ist sehr hilfreich, sich zu überlegen, was man alles hat, wofür man alles dankbar sein kann. Und das ist meistens ganz schön viel.

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