Ganz besonders zum Jahreswechsel sehen und hören wir in der Presse Umfragen, was die Menschen sich am meisten wünschen. Die häufigste Antwort neben Gesundheit ist: „Frieden für die ganze Welt!”
Den Wunsch und das Bestreben nach Frieden können wir wohl für alle Menschen als Grundbedürfnis betrachten, ob sie in Freiheit und Wohlstand leben oder in politischer oder auch wirtschaftlicher Unfreiheit. Die Frage ist nur, wie erlangen wir Frieden für die ganze Welt? Lange Diskussionen und zähe Verhandlungen, in denen man jemanden davon zu überzeugen versucht, dass er einen anderen Weg einschlagen müsste, führen bekanntlich nicht immer zum Erfolg. Ebenso vergrößern Sanktionen für einen einzelnen oder ein ganzes Land zwar sehr wohl den äußeren Druck. Aber ob sie zu einem gedanklichen Wandel führen bei den Betroffenen, ist offen. Wie erreichen wir dann eine gedankliche Umkehr von Gegeneinander zu Miteinander?
In dieser Frage kann es helfen, sich über Ursprung und Wesen von Frieden und Respekt füreinander einmal klar zu werden und von diesem Standpunkt aus die konkrete Situation zu betrachten. Gehen wir davon aus, dass Gott in der genauen Übersetzung aus dem Griechischen „das Gute” bedeutet und dass Gott den Menschen geschaffen hat. Da Ursache und Wirkung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, kann Gott den Menschen also auch nur gut geschaffen haben. Dazu zählt auch, dass der Mensch die Fähigkeit hat, andere Menschen ebenfalls als Gottes Geschöpf zu respektieren wie auch in Frieden mit seinem Nächsten zu leben.
Genau genommen sind wir alle ein Volk von Brüdern und Schwestern, denn wir sind alle Geschöpfe eines Vater-Mutter Gottes, der uns unendlich liebt. Vor Ihm sind wir alle gleich, mit dem gleichen Potenzial ausgestattet, das jeder individuell entwickeln und nutzen kann. Wir müssen also auch nicht wetteifern oder nach Besitz oder Macht streben, denn wir bekommen das, was wir nötig haben, von Ihm.
Liegen wir im Streit mit unserm Nächsten, bestreiten wir eigentlich, dass unser Nächster Teil der vollkommenen göttlichen Schöpfung ist. Unfrieden bedeutet also, dass wir im Denken über die göttliche Schöpfung falsch liegen. Wir glauben dann offensichtlich, dass ein anderes Geschöpf Gottes uns etwas nehmen oder vorenthalten oder beeinträchtigen könnte, was Gott uns gegeben hat — sei es Besitz, Autonomie, Identität, Freiheit, Wohlergehen, und meinen etwas an der Schöpfung verändern zu müssen.
Wir sind alle ein Volk von Brüdern und Schwestern, denn wir sind alle Geschöpfe eines Gottes.
Jesus Christus beauftragt uns förmlich: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst”. Umgekehrt heißt das ja dann auch, um im Frieden mit unserem Nächsten zu sein, müssen wir in uns Frieden herstellen. Das bedeutet, dass wir anerkennen, dass unser Bruder, Sohn, Nachbar oder Kollege die gleichen Rechte und Qualitäten von Gott empfangen hat wie wir. Wenn wir uns der Tatsache über einen liebevollen Gott und Schöpfer aller Menschen bewusst sind und sie auf alle Völker beziehen, haben wir eine solide Basis für Frieden. Was davon abweicht ist das Resultat falscher Vorstellungen über die göttliche Schöpfung. Und auch wenn man die Anschauungen des anderen nicht teilt, muss der Mensch zunächst respektiert werden.
Diesen Weg zum Frieden durfte ich auch in meiner Familie beschreiten. Das Verhältnis zu einem meiner Söhne war in der Vergangenheit oft schwierig. Ich konnte ihm nie meine Liebe näher bringen. Wir konnten kaum miteinander reden oder umgehen. Es fand eigentlich keine echte Kommunikation statt. Irgendwie hatte ich immer das Gefühl, dass er mich in einem falschen Licht sieht und mich nicht versteht.
Als ich vor Jahren Christian Science kennen lernte, fing ich an dafür zu beten und mir über unser beider wahre Identität als Gottes Kinder klar zu werden. Ich erkannte, dass streckenweise ich ihn mit falschen Augen gesehen hatte. Ich hatte geglaubt, er sei mein Sohn und daher hätte ich ein Recht auf ihn und es wäre selbstverständlich, dass er mich liebt. Aber das ist nicht so. Mir wurde klar, dass auch er Gottes Kind ist und seine Liebe von Gott empfing sowie auch alle anderen Eigenschaften und Ideen. Und so sah ich, dass es eine Gnade ist, wenn er mich liebt.
Es dauerte ca. fünf Jahre, in denen ich diese und ähnliche Gedanken immer wieder im Gebet bewegte und daran festhielt. Eines Tages dann kam er nach Haus, nahm mich in den Arm und küsste mich. Ich weinte vor Freude über seine Liebe, aber bald mehr noch darüber, dass ich erleben durfte, wie Gottes Wesen und Wirken jeden erreicht. Gott hatte auch ihn mit allem versorgt, was er brauchte.
Er sagte, dass er erkannt hat, was ihm seine Familie und auch ich ihm bedeuten; auch dass er wüsste, dass ich an diesem Gedankenwandel beteiligt gewesen sei. Er spürte jetzt Freude und es machte ihm Spaß anderen Freude zu bereiten. Und ich spürte wohl die Freude des Vaters bei der Heimkehr des verlorenen Sohns im Gleichnis aus der Bibel.
Der Frieden, den wir uns alle so sehr wünschen, beginnt nicht nur in unseren Herzen, er muss auch da praktiziert werden. Und er beginnt damit, die Liebe und Bereitschaft zum Frieden als machtvolles göttliches Erbe in jedem Menschen anzuerkennen. Wenn wir dieses Erbe als Quelle des Friedens anerkennen und aktivieren, können wir auch schon lange zurückliegende Ursachen für Konflikte ausschalten. Wie M. B. Eddy in dem Buch Wissenschaft und Gesundheit (S. 72) schreibt: „Nicht das persönliche Miteinander, sondern das göttliche Gesetz ist der Vermittler von Wahrheit, Harmonie und Gesundheit für die Erde und die ganze Menschheit.”
