Diese Frage wurde von der Inhaberin eines Buchladens an mich gerichtet. Wir kennen uns gut und ich stöbere immer wieder gern in ihren Regalen. So auch an diesem Tag im September. Zufällig hörte ich dabei die Fetzen eines Telefongesprächs, das sie führte. Offensichtlich ging es um sogenannte Herbstdepressionen. „Oh ja, das fühle ich auch... Kopfweh... niedergeschlagen... schlapp...”
Dann etwas später beim Bezahlen an der Kasse diese Frage. Ich schaute sie lächelnd an. Sie erwartete von mir wohl eine Zustimmung zu den grauen, düsteren, niederdrückenden Seiten des Herbstes. Zuerst schaute sie überrascht, lachte dann aber zurück als ich antwortete: „Ich liebe den Herbst mit seiner verschwenderischen Fülle und seinen bunten Farben. Außerdem macht es mir nichts, wenn die Tage kürzer und kühler werden. Das ist wieder die Zeit für Kerzenlicht und wohliges Feuer im Ofen.”
Einige Tage später fühlte ich mich schlapp, lustlos, kraftlos. „Fühlst du auch schon den Herbst?” Plötzlich war mir die Begegnung im Buchladen wieder völlig gegenwärtig. Hätte ich jetzt womöglich gesagt: „Ja, ich fühle ihn auch...”? Bevor ich etwas von Herbst depressionen wusste, hatte ich derartige Phänomene auch nicht gespürt.
Die Entdeckerin von Christian Science, Mary Baker Eddy, schreibt in ihrer ersten Ausgabe der Monatsschrift „Christian Science Journal” von 1883: „Werde dir der lebendigen Wahrheit bewusst, dass jeder Gedanke sich am Körper ausdrückt und hier die entsprechenden Empfindungen hervorruft.”
Einer mag an den Herbst denken und zunehmende Dunkelheit und Rückzug vor Augen haben, während ein anderer berauschende Farben und verschwenderische Fülle sieht.
Einer mag an den Herbst denken und zunehmende Dunkelheit und Rückzug vor Augen haben, während ein anderer berauschende Farben und verschwenderische Fülle sieht. Jede dieser mentalen Haltungen hat eine andere Wirkung auf unseren Körper. Nehmen Sie sich einmal die Zeit und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Dunkelheit und Rückzug. Was spüren Sie? Vielleicht Beklemmung, Angst, ein Zusammenziehen des Körpers? Nun halten Sie sich einmal Farben und Fülle vor Augen. Was spüren Sie jetzt? Vielleicht Freude, Weite, Freiheit, einen entspannten, harmonischen Körper?
Was wir erleben, ist im Grunde immer unser Denken, das sich vergegenständlicht hat. Körper und Bewusstsein sind nicht zwei voneinander getrennte Dinge. Wir haben nicht einen materiellen Körper, der irgendwie von einem mentalen Wesen oder Bewusstsein bewohnt wird, das durch Willenskraft bewusst oder unbewusst auf diesen Körper einwirkt. Diese Vorstellung entspricht dem zweiten Schöpfungsbericht, in dem der Mensch aus Erde vom Acker geformt und ihm der Odem des Lebens in die Nase geblasen wird. (1. Mo 2:7)
Der erste Schöpfungsbericht jedoch hat uns zuvor bereits ein ganz anderes Menschenbild gezeigt. 1. Mo 1:27 sagt uns: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn...” Das bedeutet doch, dass der Mensch genauso geistig, vollkommen, unbegrenzt, harmonisch ist wie Gott.
Ich stand nun also vor der Wahl, welches dieser beiden entgegengesetzten Gedankenbilder mein Erleben bestimmen sollte. Wollte ich mich als materiellen Menschen sehen, in einer materiellen Welt, beeinflusst von materiellen Gesetzmäßigkeiten? Oder wollte ich mich dem ersten Schöpfungsbericht zuwenden mit seinem geistigen Menschen, der voll und ganz — als Widerspiegelung — von Gott abhängt und beeinflusst wird? Ich konnte mich entscheiden. Und da ich aus Christian Science wusste, dass der Mensch — durch Widerspiegelung — dieses wahre Wesen Gottes als frei und unabhängig schon kennt, fiel mir die Entscheidung leicht. Ich beanspruchte diese herrliche Freiheit und Unabhängigkeit von äußerlichen Bedingungen für mich und wies jede andere entgegengesetzte Vorstellung als falsch von mir. Als Ergebnis verschwanden alle negativen Empfindungen und Körperzustände sehr schnell.
Wenn meine Bekannte mich jetzt gefragt hätte, hätte ich geantwortet: „Oh, ja, ich fühle den Herbst auch! In seiner ganzen Farbenpracht, seinen selbstlosen, reichen Gaben, seiner geheimnisvollen Vorahnung auf eine bevorstehende Zeit der Ruhe!” — als friedliche, harmonische Entfaltung des göttlichen Gesetzes.
Wie sich das anfühlt? Gut — ein — fach nur gut.
