Die Bücher Mary Baker Eddys, ihre Kopierbücher und Einklebebücher liefern einem persönlichen Einblick in ihr Leben.
Mary Baker Eddy war ihr ganzes Leben lang eine leidenschaftliche Leserin. Sie stand im Dialog mit dem Material, das sie las. Sie schnitt oft Artikel und Gedichte aus Zeitschriften und Zeitungen aus, um sie in Einklebebüchern aufzuheben, oder – besonders in ihrem frühen Lebensabschnitt – um sie per Hand in Hefte abzuschreiben, die Kopierbücher genannt wurden. Und wenn sie die Bibel studierte und die vielen anderen Bücher las, die zu ihrer persönlichen Bibliothek mit über 1000 Exemplaren Diese Zahl der Bücher in Mary Baker Eddys persönlicher Bibliothek wurde 1917 bei einer Bestandsaufnahme der Bücher in ihrem letzten Wohnsitz in Chestnut Hill, Massachusetts (USA) geschätzt. Die Mary Baker Eddy Bibliothek ist sich der exakten Zahl nicht sicher, da es keinen Nachweis darüber gibt, welche Bücher in der Zeit zwischen Eddys Tod 1910 und der Zeit der Bestandsaufnahme entfernt wurden oder noch hinzukamen. gehörten, markierte sie oft Stellen und schrieb Kommentare an den Rand. Eine ihrer Methoden, ihr Hauptwerk Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift zu überarbeiten, war sogar, die Änderungen an den Rand einer vorherigen Ausgabe zu schreiben.
Die Bücher und Artikel, die sie las, beinhalten Belletristik und Sachbücher und decken eine große Bandbreite von Themen ab, von aktuellen Ereignissen über Geschichte, Politik, Medizin, Triviales, Humor, psychischen Untersuchungen, Theologie, Naturwissenschaft, verschiedenen religiösen Bewegungen bis hin zu psychosomatischen Meisterleistungen von indischen Yogis. Dieses Material liefert umfassende Beweise dessen, was der Zeitungsreporter Joseph I. Clarke 1901 feststellte: „Sie liest viel, sagt sie, und hält Schritt mit dem Denken und Treiben der Zeit. Sie liest mehrere Zeitungen und abonniert sieben monatliche Magazine." Clarkes Interview mit Eddy erschien mit dem Titel „Die verschleierte Prophetin von Christian Science" im New York Herald vom 5. Mai 1901.
Die persönliche Bibliothek Mary Baker Eddys mit Büchern, Zeitschriften, Kopierbüchern und Einklebebüchern wird im Archiv der Mary Baker Eddy Bibliothek sorgfältig aufbewahrt. Sie begann in Kopierbücher zu schreiben, als sie noch sehr jung war. Die frühesten datierten Materialien in ihrem ersten Einklebebuch sind aus den 1830ern. Bis zum Ende ihres Lebens 1910 hatte sie zwei Kopierbücher und mehr als dreißig Einklebebücher gesammelt. Der Inhalt dieser Einklebebücher spiegelt die Ereignisse der Zeit wider: Die frühen Einklebebücher waren sehr persönlich, während die späteren Eddy als eine öffentliche Persönlichkeit dokumentieren und Zeitungsausschnitte über ihr berufliches Leben und die Entwicklung der Christian Science Bewegung beinhalten.
Artikel und Gedichte in Einklebebüchern und Kopierbüchern (auch bekannt als „Bücher des Alltäglichen") zu sammeln, war im 19. Jahrhundert üblich. Zeitungen und Magazine waren die wichtigsten Informationsquellen. Kommerzeill gedruckte Bücher waren nicht so leicht erschwinglich wie heute. Die Leser richteten ihre eigene persönliche Bibliothek ein, indem sie interessante Themen ausschnitten und in Einklebebüchern aufbewahrten. Als Mary Baker Eddys Einkommen in ihren späteren Jahren wuchs, kaufte sie Bücher und bekam sie als Geschenke. Dennoch blieb ihr Interesse, Einklebebücher zu benutzen und sie aufzuheben, unvermindert bestehen.
In ihren späteren Jahren assistierten ihr Mitglieder des Haushalts und besonders ihr langjähriger Sekretär Calvin Frye beim Ausschneiden und Aufbewahren. Die Einklebebücher aus dieser Zeit – zahlreicher als aus den früheren Jahren – repräsentieren eine gemeinsame Bemühung von Eddy, Frye und anderen Angestellten. Sie beinhalteten Themen aus den Zeitschriften, die Eddy persönlich abonnierte, wie auch Artikel, die ihr von Alfred Farlow geschickt wurden, einem Beamten ihrer Kirche. Farlow, der in Boston lebte, war der Leiter des Komitees für Veröffentlichungen, und in dieser Funktion sammelten er und seine Mitarbeiter Zeitungs– und Zeitschriftenartikel über Christian Science, sowie solche, die Trends der Zeit dokumentierten. Es war seine Gepflogenheit, Eddy Artikel zukommen zu lassen, die sie interessant finden könnte. Aber Mary Baker Eddy mochte ihr erstes Einklebebuch mehr als die anderen. Einmal sagte sie zu einem anderen ihrer Sekretäre, Irving C. Tomlinson: „Wenn das Haus brennen würde und ich nur einem meiner Schätze retten könnte, denke ich, es wäre das gute alte [Einklebe-]Buch." Dokument A12026. Dieses Dokument stammt von einer Sammlung von Notizen, die Tomlinson nach Unterhaltungen mit Eddy über verschiedene Aspekte ihres Lebens machte. Ein Auszug daraus: EINKLEBEBUCH Von unschätzbarem Wert ist der Entdeckerin und Gründerin von Christian Science das alte Einklebebuch, das sorgfähltig treu ergeben aufgehoben und sorgfältig erhalten wurde. Sie sagte mir darüber: „Wenn das Haus brennen würde und ich hätte die Zeit, um nur einen meiner Schätze retten könnte, denke ich, ich sollte es wäre das gute alte Buch." Für Mary Baker Eddy ist es kostbar, weil es diejenigen wichtigen Ereignisse ihrer Familie vollständig dokumentiert, die in öffentlichen Artikeln erschienen, und weil es viele ihrer literarischen Produkte beinhaltet, die erschienen von von der Zeit ihrer Heirat mit Col. Glover bis zu der Zeit der Entdeckung von Christian Science. (Ende des Auszugs) Für Christliche Wissenschaftler und für all diejenigen, die den ernsthaften Wunsch haben, eine genaue Einschätzung eines Lebens zu gewinnen, das mehr und mehr ein wichtiger Faktor für den Fortschritt der Welt war und ist, besitzt dieses Buch einen einzigartigen Wert. Dieses Einklebebuch ist für uns heute von besonderem Interesse, denn es beinhaltetet biographische Informationen über Familienmitglieder wie auch viele ihrer ersten veröffentlichten Artikel und Gedichte.
Die vielen Bücher und Einklebebücher Mary Baker Eddys liefern somit ein Fenster zu vielen Aspekten der amerikanischen Kultur des 19. Jahrhunderts. Sie geben außerdem einen persönlichen Einblick in einige ihrer innersten Gedanken und Gefühle in verschiedenen Lebensabschnitten. Und sie tragen zu dem Blid einer vielseitigen Frau bei, die an der Welt um sie herum sehr interessiert ist. Im gewissen Sinne führte sie ihren Dialog mit diesen Büchern und Artikeln fort. Sie sprachen zu ihr mit Information, Inspiration, sogar Unterhaltung, und im Gegenzug schrieb sie oft an den Rand die Antwort auf das, was sie las. Besonders treffend sind ihre Kommentare, wenn das, was sie las, in traurigen und schwierigen Umständen ihre Gefühle ansprach.
In ihrem frühesten Einklebebuch, oben erwähnt als „das gute alte Buch", bewahrte Eddy ein Gedicht auf mit dem Titel „Der Befehl einer Mutter" von Lydia H. Sigourney (1791-1865), einer vielschaffenden Autorin, deren sentimentale Verse in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr beliebt waren. In diesem besonderen Gedicht mahnt eine Mutter den Mann ihrer frisch verheirateten Tochter, „mit meinem lieben Kind sanft umzugehen." Mary Baker Eddys eigene Mutter, Abigail Baker, schenkte dieses Gedicht George W. Glover, Eddys erstem Mann, nach deren Hochzeit Anfang Dezember 1843. Das war, bevor sich das frisch verheiratete Paar wenig später auf die Schiffsreise zu Glovers Heimat in South Carolina machte. Binnen sechs Monaten erlag Glover dem Gelben Fieber und seine schwangere Witwe kehrte zu ihrer Familie nach New Hampshire zurück. Am 12. September 1844 gebar sie einen Sohn. Der Tod George Glovers war der Beginn einer dunklen Phase in Mary Baker Eddys Leben, gezeichnet von zunehmender Invalidität, dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1849, dem Verlust des Sorgerechts für ihren Sohn, sowie 1853 der Heirat mit einem zweiten Mann, der ihr schließlich erwiesenermaßen untreu wurde. Mary Baker Eddys zweiter Ehemann war Daniel Patterson, von dem sie 1873 geschieden wurde. Sie heiratete Asa Gilbert Eddy 1877. Kurze Zeit nach dem Tod ihrer Mutter, vermutlich in den frühen 1850ern, schrieb Mary Baker Eddy in ihr Einklebebuch einen Kommentar zu diesem Gedicht:
„Den Vers auf der gegenüberliegenden Seite, mit einem Stern gekennzeichnet, gab meine wunderbare Mutter meinem verstorbenen Mann, der ihn erst auf halbem Wege unserer Reise in den Süden öffnen sollte – es war auf dem Atlantik, ich war hoffnungslos seekrank – als es mir besser ging, sah ich die nassen Tränen auf seiner Wange vom sorgfältigen Lesen –
Sie sind beide gegangen
Ich werde bald folgen."
Das Gefühl von Verzweiflung, auf das die letzten Zeilen dieses Eintrags hinweisen, sollte sich bei zahlreichen Gelegenheiten während ihres ganzen Lebens wiederholen. Aber sie fand den Gegenpol dazu in einer immer wiederkehrenden Überzeugung, dass das menschliche Leben eine tiefere Bedeutung bereithielt, die unerklärliche Tragödien, Krankheiten und Sterblichkeit umwandelte, mit denen sie konfrontiert wurde. In ihren früheren Jahren fand diese Uberzeugung in der Hoffnung auf den Himmel Ausdruck, die sie der orthodoxe christliche Glaube lehrte, welchen sie von ihren Eltern geerbt hatte. Dieser fand auch in der Fähigkeit Ausdruck, sich aus der Verzweiflung zu erheben, um unaufhörlich nach Antworten und Lösungen zu suchen, was sich in ihrer Erforschung verschiedener alternativer Heilpraktiken des 19. Jahrhunderts zeigt, wie Homöopathie, Hydrotherapie und Heilen, das auf Magnetismus beruht. Folgt man jedoch ihrer Heilung von den Folgen eines Unfalls 1866, als sie auf dem Eis stürzte – eine Wiederherstellung, bei der sie fühlte, dass diese ausschließlich durch die Kraft Gottes geschehen war – begann sie eine immer tiefergehende Zwiesprache mit der Bibel zu führen, an die sie sich wandte, um mehr darüber zu erfahren, wie sie geheilt wurde und wie sie andere heilen könne.
Eine der Früchte ihres intensiven Bibelstudiums war das Verfassen und Veröffentlichen ihres Hauptwerks Wissenschaft und Gesundheit im Jahr 1875. Mary Baker Eddy fuhr jedoch fort, sich an die Bibel um tägliche Inspiration und Führung zu wenden, als die Jahre vergingen und sie zunehmendem Druck als Autorin, Herausgeberin, Verlegerin, Sprecherin, Lehrerin und Leiterin einer weltweiten Bewegung ausgesetzt war. Auch wenn sie physische Heilung brauchte, hielt sie sich an die Bibel. An einem Tag nach einer Nacht des Ringens, öffnete sie die Bibel bei Paulus' Brief an die Philipper, Kapitel 1, Verse 23 und 24:
23 Denn es setzt mir beides hart zu: ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden und bei Christus zu sein, was auch viel besser wäre;
24 aber es ist nötiger, im Fleisch zu bleiben, um euretwillen.
Diese Verse sprachen anscheinend ihr sehr menschliches Sehnen nach Erleichterung der heftigen Herausforderungen an, denen sie sich oft zu stellen hatte. Sie entsprachen aber auch ihrer tiefen Überzeugung, dass sie aufgrund ihres Bewusstseins von Gottes Liebe für die Menschheit eine Mission zu erfüllen hatte, die „nötig" für den geistigen Fortschritt aller Menschen war. Sie schrieb an den Rand dieses Verses: „Oh die Qualen der letzten Nacht! Oh die Liebe Gottes."
Mary Baker Eddys Bücher, Kopierbücher und Einklebebücher beinhalten viele solcher persönlicher Aufzeichnungen, die uns einen Blick auf ihre ständige Zwiesprache mit dem geschriebenen Wort werfen lassen. Alle ihre Kopierbücher, Einklebebücher, mit Anmerkungen versehenen Bücher und die vielen Ausgaben von Wissenschaft und Gesundheit, in die sie ihre Revisionen hineinschrieb, können nun von der Öffentlichkeit im Research Room der Mary Baker Eddy Bibliothek in Boston, USA, eingesehen werden.
Diese geschriebenen Texte – und Mary Baker Eddys Dialog mit ihnen – sind heute für all jene von unschätzbarem Wert, die ein tieferes Verständnis ihres Lebens und ihrer Leistungen suchen.