„ ... ein geistiges Verständnis ... eine selbstlose Liebe“Wissenschaft und Gesundheit, S. 1.
Harlem, New York, 2004
„Bevor ich den Kurs mitmachte, war ich keine Christian Science Heilerin, aber ich war Heilerin”, sagt Marjorie Moore, die früher in New York City eine Talkshow moderierte. „Bevor ich zu Christian Science kam, war ich immer irgendwie im Heilen aktiv. Ich war als spirituelle Heilerin bekannt. Doch ich fand, dass ich in meiner Heilarbeit keine klare Linie verfolgte.
Eine Stelle in Mary Baker Eddys Autobiografie Rückblick und Einblick stimmte mich jedoch nachdenklich:, Die beste geistige Art, auf christusgleiche Weise das Denken der Menschen zu heben und ihnen die göttliche Wahrheit zu vermitteln, ist beharrende Kraft, Stillesein und Stärke; und wenn wir uns dieses geistige Ideal zu Eigen gemacht haben, wird es zum Vorbild für das menschliche Handeln.’”Rückblick und Einblick, S. 93.
Wie Moore sagt, kam sie zu der Erkenntnis, dass „die Menschen von mir diese Tiefe, diese, beharrende Kraft', das, Stillesein’, ein Gefühl von Frieden und Harmonie erwarteten. Das sind Eigenschaften, die Heilung bringen. Ich nahm an dem Kurs teil, um an mir zu arbeiten, um höher zu streben und das, Vorbild für das menschliche Handeln’ zu finden.” Moore arbeitet daran, im Christian Science Journal als Christian Science Praktiker zu annoncieren.
Littleton, New Hampshire, 1884
Es ist ein Herbsttag im Norden von New Hampshire. Walter und Ada Watson befinden sich auf dem Weg zum Haus von Mary Tarbell. Walter ist Anstreicher, eines von neun kindern, deren Eltern „gute, aufrechte” Unitarier waren. Bei den Tarbells finden sich etwa ein Dutzend Leute ein, um von Julia Bartlett zu lernen, wie man andere durch Gebet heilt.
Die meisten Anwesenden sind von Bartlett durch Gebet geheilt worden. Sie ist eine der ersten Christian Science Lehrerinnen, die von Mary Baker Eddy, der Leiterin des Massachusetts Metaphysical College [Metaphysisches Lehrinstitut von Massachusetts], ausgebildet worden sind. Als Walter Watson an diesem Kurs in Littleton teilnimmt, geht er eines Tages auf dem Heimweg am Haus seiner Mutter vorbei. Sie ruft ihm zu, sie hoffe, er wird kein Geld für „solche Sachen” wie metaphysisches Heilen ausgeben. „Sie hat nie erfahren, dass ich eine Hypothek auf mein kleines Haus aufgenommen hatte, um die Unterrichtsgebühren von fünfzig Dollar für mich und meine Frau zahlen zu können — ein Schritt, den ich nie bereut habe.” Aus den Erinnerungen von Walter W. Watson, Mary Baker Eddy Sammlung.
Marjorie Moore und Walter Watson sind nur zwei von all denen, die von diesem spirituellen Unterrichtssystem der Christian Science Kirche profitiert haben.
Im Anfangskapitel ihres Lehrbuchs Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift legt Mrs. Eddy dar, was beim Lehren der Macht des Gebets und der wissenschaftlichen Heil-methode ausschlaggebend ist: „Das Gebet, das die Sünder umwandelt und die Kranken heilt, ist ein absoluter Glaube, dass bei Gott alle Dinge möglich sind — ein geistiges Verständnis von Ihm, eine selbstlose Liebe.”Wissenschaft und Gesundheit, S. 1. Und auf dieser zweifachen Grundlage — dem geistigen Verständnis von Gott und der selbstlosen Liebe seitens des Heilers — vollbrachte sie Heilungen und lehrte sie andere das Heilen.
Mrs. Eddys Anschauungen über eine systematische und gründliche Ausbildung von Heilern nahmen im Laufe von fast zwei Jahrzehnten feste Gestalt an. Was 1870 als Privatunterricht begann, kristallisierte sich nach mehr als zehn Jahren als das Massachusetts Metaphysical College heraus, das 1881 in Boston gegründet wurde. Mrs. Eddy unterrichtete alle außer sechs klassen, ehe sie das kolleg 1889 vorübergehend auflöste. Dass sie im späten 19. Jahrhundert ein Lehrinstitut gründete, war ebenso ungewöhnlich wie die Tatsache, dass sie in Boston, in Chicago und in anderen amerikanischen Städten von der Kanzel Predigten hielt. 1898 errichtete sie innerhalb ihres Lehrinstituts den Unterrichtsrat, der in den vergangenen 106 Jahren die Ausbildung von Heilern und Lehrern des Heilens geleitet hat.
Mrs. Eddy stellte sich ein Unterrichtssystem vor, das das geistige Wesen Gottes und aller Seiner Söhne und Töchter und deren Beziehung zu Gott in der Wissenschaft des Seins offenbaren würde — einer Wissenschaft, die die Hungrigen speist, die Kranken heilt und allen geistigen Fortschritt bringt. Doch der Weg von der Idee zur praktischen Ausführung war kein gerader und verlief nicht ohne Hindernisse. Ihr ganzes Leben lang sah sie sich als echte Forscherin. Bereitwillig änderte sie ihren Kurs und ließ sich durch Weisheit und neue Inspiration dazu führen, ihr Unterrichtssystem zu verändern, bis es eine Form hatte, die von Dauer sein würde.
Unterrichtsstoff ist in Wissenschaft und Gesundheit Enthalten
Wenn auch das Institut verschiedene Entwicklungsstufen durchgemacht hat, so ist doch der Unterrichtsstoff derselbe geblieben. Der Unterricht, den Mrs. Eddy „Elementarklasse” nannte, um ihn von der „Lehrerbildungsklasse” zu unterscheiden (siehe Kasten auf Seite), gründet sich auf Wissenschaft und Gesundheit. Er besteht aus 24 Fragen in dem 33 Seiten langen kapitel „Zusammenfassung” Ebd., S. 465-497..
Ruth Elizabeth Jenks — Lehrerin in Chicago und Präsidentin des Unterrichtsrates, der die Lehrerbildungsklasse sponsert — definiert die Elementarklasse als einen „Kurs, der aus zwölf Sitzungen besteht, die gewöhnlich je vier Stunden dauern”. Wie Jenks sagt, „haben die Schüler damit reichlich Zeit, sich den restlichen Tag mit der Lektion zu befassen”. Wenn auch das Kapitel „Zusammenfassung” das einzige Lehrmaterial darstellt, so bildet es Jenks zufolge sowohl die Grundlage als auch den Ausgangspunkt, und beides gibt dem Kurs eine Struktur und lässt zugleich Raum für Spontaneität. „Die Lehrer unterrichten aufgrund eigener Erfahrung, Inspiration und Heilungen, die sie in der Praxis erlebt haben“, sagt Jenks.
Das Kapitel „Zusammenfassung” erschien erstmals 1881 in Wissenschaft und Gesundheit, und zwar in der dritten Ausgabe. Am Anfang des Kapitels schreibt Mary Baker Eddy: „Diese Kapitel geht auf die erste Ausgabe des Manuskripts der Autorin für den Klasenunterricht zurück, das 1870 urheberrechtlich geschützt wurde. Nach viel Arbeit und nachdem ihr geistiges Verständnis gewachsen war, revidierte sie 1875 die Abhandlung für dieses Buch. Seine Darlegungen sind von absoluter Christian Science erfüllt, um die wissenschaftliche Metaphysik zu erklären.“ Ebd., S. 465.
Hinterfragen und führen
Mrs. Eddy lehrte in der Elementarklasse durch Frage und Antwort und bediente sich damit einer altbewährten Unterrichtsmethode. „Bei den alten Griechen war Bildung ein Erwachen”, erklärt Jenks. „Sokrates und Platon glaubten, dass der Lernende im Unterricht zur Erkenntnis von etwas geführt wird, was ihm schon innewohnt, was ihm angeboren ist. Bildung bringt die Schüler zu etwas, was sie bereits wissen.” Mit anderen Worten, was man über die Realitäten des Daseins — die Wahrheit selbst — lernt, kommt einem „fast wie eine Erinnerung” vor, um den Dichter John Keats zu zitieren. Keats: „To John Taylor”, 27. Febr. 1818.
Mrs. Eddy begann ihren Unterricht mit den grundlegendsten Fragen ihrer Zeit und aller Zeiten: „Was ist Gott?”, „Was ist der Mensch?”, „Was ist Intelligenz?”, „Denkt das Gehirn ...?”, „Was ist Substanz?” „Würden Sie bitte Krankheit erklären und zeigen, wie sie geheilt werden kann?”, „Wie lautet die wissenschaftliche Erklärung des Seins?”
Die Fragen sollten die Schüler dahin führen, das ihnen innewohnende Gute, ihre Spiritualität und ihre Fähigkeit zum Heilen zu erkennen. Wenn ein Schüler am Ende des Kurses zum Heilen imstande sein soll, muss er sich vor allem ein geistiges Verständnis von Gott zu eigen machen, nämlich die Erkenntnis, dass Gott letztlich der einzige Heiler ist. Daher kam Mrs. Eddy im Laufe ihres Unterrichts immer wieder auf die grundlegenden Fragen zurück (die sie oft neu formulierte): „Was bedeutet Ihnen Gott?”, „Ist Gott Ihnen alles?”, „Was bedeutet Ihnen Gott als Prinzip?”, „Was ist Liebe als Gott?”
„Wie Jesus, und übrigens auch Sokrates, lehrte Mrs. Eddy durch Hinterfragen und behutsames Führen”, sagt Jenks. „Das tun auch wir in der Elementarklasse: Wir hinterfragen und führen behutsam. Die Antworten sind den Schülern schon bekannt.”
Das Ziel ist, Heiler heranzubilden
Man mag zwar wissen, dass Gott unendliches Gemüt, Geist, Seele, Prinzip, Leben, Wahrheit und Liebe ist. Doch die volle Bedeutung dieser Ausdrücke für Gott zu verstehen und praktisch anzuwenden, ist eine Sache für sich.
„Zweifellos ist es das Ziel dieses Elementarunterrichts in Christian Science, Heiler auszubilden”, sagt Tom Black, ein Lehrer im US-Staat Michigan, „und nicht Abstraktionen zu erforschen oder uns das Leben zu erleichten.”
Die fünfte Frage im Kapitel „Zusammenfassung” lautet: „Welche Forderungen stellt die Wissenschaft der Seele?”, und die Antwort darauf enthält nicht nur die Aufforderung, Gott besser zu verstehen, sondern auch Jesu Gebot zu befolgen: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.” Mt 22:39.
In Christus Jesus haben wir das Vorbild für einen Heiler und für einen Lehrer des Heilens, sagt Black. „Die reine Selbstlosigkeit und Selbstaufopferung in Jesu Leben, die im Gleichnis vom barmherzigen Samariter zum Ausdruck kommt, setzt den Maßstab — so dass wir dann, wenn wir Leuten begegnen, die sich in Not befinden, ihnen helfen können.”
Jean Hebenstreit, eine Lehrerin in Kansas City im US-Staat Missouri, knüpft an dieses Thema an und weist auf folgende Zeile in Wissenschaft und Gesundheit hin: „Jesus war selbstlos.” Wissenschaft und Gesundheit, S. 51. „Das kennzeichnet den Geist des Christian Science Klassenunterrichts. Der Unterricht bietet uns die Möglichkeit, unser Bewusstsein zu vergeistigen, unsere Untrennbarkeit von Gott und die uns innewohnende Freude und Herrschaft zu erkennen.” Doch letztlich gehe es nicht so sehr darum, was uns der Unterricht bietet, meint Hebenstreit, als vielmehr darum, wie er uns helfen kann, anderen zu helfen.
Fujiko Signs, eine neue Lehrerin in Japan, drückt es folgendermaßen aus: „Es wäre ja egoistisch, wenn wir das, was wir im Unterricht lernen, nur auf uns selbst anwenden würden. Es muss anderen zugute kommen — im Geist des barmherzigen Samariters.” Signs deutet auf eine Stelle in einem Brief von Mary Baker Eddy hin: „ ...Sie können nie ein praktizierender Christlicher Wissenschaftler sein, wenn Sie außer sich selbst nicht auch die Kranken und Sünder heilen. Wir sind zu egoistisch, wenn wir nur für uns selbst arbeiten und nicht auch für andere. Das hat nicht Gottes Segen.” L01953, Mary Baker Eddy an Ebenezer J. Foster Eddy, 17. Juni 1895.
Allen offen stehen
Wenn selbstlose Liebe eine Voraussetzung für die erfolgreiche Absolvierung des Kurses und für die Aufnahme der Heilpraxis ist, was sind dann die Aufnahmebedingungen für den Kurs? Mary Baker Eddy legte sie im Handbuch Der Mutterkirche fest. Es sind zwei: dass die Schüler „sich bewährt haben” sollen und dass „deren natürliche Neigung zu Christian Science zu Hoffnungen berechtigt” Kirchenhandbuch, Art. XXVI Abschn. 2..
Zu Mrs. Eddys Zeit waren die meisten Kursteilnehmer neue Leser von Wissenschaft und Gesundheit. Manche hatten bereits nach dem bloßen Lesen ihres Buches eine auf Gebet gegründete Heilpraxis aufgenommen. Andere Schüler hatten jedoch noch nicht ihr Buch gelesen, waren aber lernbereit und wollten den Unterricht im spirituellen Heilen aus humanitären Gründen absolvieren — und das genügte Mrs. Eddy, um sie als qualifiziert anzusehen.
Suzanne Cowin, eine Christian Science Lehrerin in Florida, war sehr von dem einfachen Bewerbungsformular angetan, das Mrs. Eddy verwendete (siehe Seite 27), und sie benutzt das gleiche Formular. Ob ein Bewerber „sich bewährt” hat und ob seine „natürliche Neigung zu Christian Science zu Hoffnungen berechtigt”, beurteilt Cowin hauptsächlich danach, wie er in seinem Herzen denkt. „Der Geist und die Beweggründe im Menschen sind das Wichtige.”
„Man braucht ein offenes Herz, um mehr von Gott begreifen zu können”, pflichtet Barbara Vining, eine Lehrerin in Ohio, bei. „Man muss bereit sein, seine Denkweise zu änderen und nach der Freiheit zu verlangen, die man zuvor nicht für möglich gehalten hat.”
Mrs. Eddy unterrichtete Menschen aus allen sozialen Schichten und religiösen Kreisen. Unter den Berufen der Bewerber befanden sich 1887 die folgenden: Lehrer, Hausfrau/Mutter, Haushälterin, Kaufmann, Werkzeugmacher, Buchhalter, Stenograf, Redakteur, Apotheker, Banker, Rechtsanwalt, Handelsvertreter, Schneider, Heiler.
Im selben Jahr befanden sich unter den Bewerbern auch Baptisten, Mitglieder der Church of Christ und der Kirche von England, Kongregationalisten, Episkopalisten, Methodisten, Presbyterianer, Unitarier und Universalisten.
Von 1884 bis 1889, dem Jahr, in dem Mary Baker Eddy ihre letzte Elementarklasse unterrichtet, nahmen mehr als 15 Geistliche und mehrere Ärzte am Unterricht teil. Oft erließ sie Geistlichen und Ärzten die Studiengebühr, zum Teil deshalb, weil sie sie mit christlich-wissenschaftlichen Heilmethoden vertraut machen, und vielleicht auch, weil sie Vorurteile und falsche Vorstellungen bei diesen Teilnehmern dadurch ausräumen wollte, dass sie die Lehre aus erster Hand hörten.
„Man braucht nicht Christlicher Wissenschaftler zu sein, um an diesem Kurs teilzunehmen”, sagt Karl Sandberg, ein Lehrer in Massachusetts, USA. „Es geht hier nicht um eine Konfession. Es geht hier darum, eine Wissenschaft zu studieren, die Wissenschaft des Christentums." Sandberg unterrichtete unter anderem eine Geburtshelferin, die noch immer im Krankenhaus arbeitet. „Sie wollte nicht ihren Beruf wechseln. Sie wollte Christian Science eben nur da anwenden, wo sie arbeitet, bei der Geburtshilfe. Und im Krankenhaus wird sie jetzt gern bei den schwersten Fällen eingesetzt.”
Die Anwendung in der Praxis
Mrs. Eddy erwartete von ihren Schülern, dass sie andere heilen würden, und zwar sofort. Sie sagte, sie könne jedem das Heilen beibringen, der ehrlich daran interessiert sei. Aus den Erinnerungen von Harriet Betts, Mary Baker Eddy Sammlung.
Oft wurden die Schüler angewiesen, jemanden vor dem nächsten Unterricht zu heilen. Janette Weller erinnert sich an Folgendes: „Ich glaube, es war am Ende des achten oder neunten Unterrichtstages, als Mrs. Eddy zur Klasse sagte:, Sie alle kennen jemanden, der krank ist, und ich möchte, dass Sie bis zum nächsten Mal, also morgen, einen Krankheitsfall heilen.’
Die Freundin, bei der ich wohnte, hatte mir oft ihr Leid geklagt”, fuhr Weller fort, „und ich sagte mir:, Das ist mein Krankheitsfall.’ ...Ich zog mich auf mein Zimmer zurück, um die Arbeit aufzunehmen, war mir jedoch sofort bewusst, dass Mrs. Eddy acht Lektionen mit uns durchgenommen hatte, ohne uns zu sagen, wie man Kranke heilt, oder gar ohne eine Krankheit zu erwähnen. Was sollte ich also tun? Dann erinnerte ich mich jedoch, worüber sie in den acht Lektionen gesprochen hatte, nämlich ausschließlich über Gott und Sein Bild und Gleichnis, den Menschen, und dass keiner von beidem krank sein kann. Meine Patienten sprach sofort auf diese Erkenntnis an und war geheilt.” Aus den Erinnerungen von Janette Weller, Mary Baker Eddy Sammlung.
Kurs beginnt mit Heilpraktikum
So sehr Mrs. Eddy auch darauf bestand, dass die Schüler unverzüglich andere heilen sollten, so erwartete sie jedoch nicht, dass man in dem zwölftägigen Kurs alles über das Heilen lernen würde, was es zu lernen gibt. Es ist nur der erste Schritt in einem straffen Ausbildungsprogramm. Mit dem Intensivkurs unter der Leitung eines Lehrers, der das Metaphysische Lehrinstitut von Massachusetts absolviert hat, sind mündliche und schriftliche Arbeiten verbunden. Doch der Unterricht und die Weiterbildung hören nicht mit dem letzten Unterrichtstag auf. Vielmehr beginnt der Schüler danach eine praktische Schulungszeit, ein Praktikum, in dessen Verlauf der Lehrer den Fortschritt des Schülers zu fördern sucht (siehe Kirchenhandbuch, Artikel XXVI Abschn. 2). Der Lehrer übt die Aufsicht über das dreijährige Praktikum des Schülers aus, das erforderlich ist, bevor letzterer sich um Teilnahme an einer Lehrerbildungsklasse bewerben kann (die erfahrene christlichwissenschaftliche Heiler darauf vorbereitet, Christian Science Lehrer zu werden). In seiner Beziehung zu den Schülern übt der Lehrer auch die Funktion eines Helfers und Beraters aus. Schülerversammlungen zum Beispiel sind jährlich stattfindende, eintägige Treffen der Schüler eines Lehrers, die den gleichen Zweck haben wie etwa weiterbildende Seminare für Fachberufe.
Engagement vonnöten
Milliarden von Menschen, mehr noch als vor hundert Jahren, leiden heute unter körperlichen und geistigen Krankheiten. Sie suchen Heilung, die mehr als nur zeitweilige Abhilfe schafft — etwas, was tiefer geht, worauf Verlass ist, was von Dauer ist und was dem Denken eine völlig neue Auffassung vom Leben eröffnet. Die Absolventen der Elementarklasse sind imstande, auf dieses Bedürfnis einzugehen, und das ist eine Verpflichtung, der sie nachkommen müssen, sagt Tom Black.
„Denken Sie einmal darüber nach, rechnen Sie es sich aus”, sagt Black, der kürzlich die Lehrerbildungsklasse unterrichtet hat. „Alle drei Jahre gibt es höchstens dreißig neue Lehrer und sie lehren jedes Jahr höchstens 30 Schüler. Wie können sie rein zahlenmäßig die Millionen von Menschen erreichen, die, wie Mary Baker Eddy erwartete, von ihrem Heilungssystem profitieren würden? Somit ist doch klar, dass das Buch Wissenschaft und Gesundheit in erster Linie die, Millionen vorurteilsfreier Gemüter’ Wissenschaft und Gesundheit, S. 570. ansprechen muss. Deshalb kann die Elementarklasse nicht zu eigennützigen Zwecken benutzt werden.”
Black meint, der Klassenunterricht müsse jedem ein geistiges Engagement vermitteln: „Nicht nur, dass ich heilen kann, sondern dass ich auch heilen möchte und dass mich nichts daran hindern kann. Gott wird mir den Weg dazu öffen, weil dies Seine Liebe ist, die durch mich zum Ausdruck kommt.”
Der Kurs steht jedem offen, der lernen möchte, geistig zu heilen. „Er gibt einem eine völlig neue gedankliche Ausgangsbasis”, sagt Jenks. „Man geht von neuen Voraussetzungen aus und entdeckt dabei durch Gebet Freiheit und Zuversicht.”
NOTIZEN AUS DEM KLASSENUNTERRICHT BEI MARY BAKER EDDY
Joshua Bailey, ein Mann, der im US-Finanzministerium tätig gewesen war, für Thomas Edisons Telefonund Lichtgesellschaft gearbeitet und sowohl in Südamerika als auch in Europa gelebt hatte, nahm 1884 am Klassenunterricht bei Mrs. Eddy teil. Als der neu ernannte Chefredakteur des Journal wurde er von Mrs. Eddy gebeten während einer von ihr unterrichteten Elementarund einer Lehrerbildungsklasse im Jahr 1889 Notizen zu schreiben. Ein ganz kleine Auswahl der Notizen von der Elementarklasse erschien in ihren Vermischten Schriften 1883-1896 (S. 279-282). Einige weitere Notizen aus derselben Klasse sind unten abgedruckt.
• Wir können uns nicht selbst gesund machen und unsere Mitmenschen krank sehen.
• Ein Gott, ein Gemüt, und liebt euren Nächsten wie euch selbst. In dieser Wahrheit sind wir in der göttlichen Harmonie. Den Nächsten zu lieben wie uns selbst ist genauso dringend geboten, wie einen Gott zu haben. Du sollst deinen Nächsten lieben usw. Dann haben wir nur ein Interesse, kein geteiltes Interesse. Es ist nicht mehr „Mein Interesse”, mein u. dein, sondern es ist unsers.
• Es gibt keine körperliche Heilung ohne moralische Heilung. Ihr heilt das Gemüt, nicht die Materie. Es ist eine Wirkung aufs Gemüt, nicht auf die Materie.
• Wir tun alles, was wir wissen, und Gott gibt uns die Kraft. Die einzige Behandlung sollte von Gott, dem einzigen Gemüt, erfolgen und sollte so bewusst dastehen, dass die so genannten Gemüter keine Macht haben. Und noch eines ... Wenn ihr auf dieser Basis keinen Erfolg habt, dann müsst ihr nach dem boshaften Element suchen. Das Letzte, womit sich der Meister am Kreuz auseinandersetzen musste, war die Macht des Hasses. Das erfordert, dass ihr so sehr liebt, dass der Hass keine Macht hat.
A12065 mit Genehmigung der Mary Baker Eddy Sammlung
ALLE IN DIESEM ARTIKEL ERWÄHNTEN HISTORISCHEN DOKUMENTE KÖNNEN IN DER MARY BAKER EDDY BIBLIOTHEK FÜR DEN FORTSCHRITT DER MENSCHHEIT EINGESEHEN UND GELESEN WERDEN. ALLE BILDER, WENN NICHT ANDERS ANGEGEBEN, ABGEDRUCKT MIT GENEHMIGUNG DER MARY BAKER EDDY SAMMLUNG UND DER MARY BAKER EDDY BIBLIOTHEK FUR DEN FORTSCHRITT DER MENSCHHEIT
EMMA MCDONALD — EIN BRIEF ÜBER DIE KLASSE MIT MARY BAKER EDDY
Emma McDonald besuchte die erste von vier Klassen, die Mary Baker Eddy im Mai 1884 in Chicago unterrichtete. Während des Kurses schrieb sie an ihre Familie in Green Bay, Wisconsin. Obgleich sie im Brief, von dem unten Auszüge zu lesen sind, einige Zweifel zum Ausdruck bringt, wurde sie doch Heilerin und später auch Christian Science Lehrerin.
Chicago, III., den 16. Mai 1884
Wir haben unsere dritte Lektion beendet, aber ich weiß noch nicht, wie das Resultat sein wird. Mrs. Eddy sagt: gut, aber ich habe manchmal meine Zweifel. Wenn ihr für einen oder zwei Tage herkommen könnt, dürft ihr eine oder zwei Stunden mit in den Unterricht kommen. Ich wünschte, ihr könntet einige ihrer Erklärungen hören, denn sie sind einfach großartig. Ich verstehe einige Teile der Bibel viel besser als je zuvor. Ein Dr. Thomas kam heute morgen für kurze Zeit in den Unterricht. Habt ihr schon mal über ihn gelesen? Er ist Methodist. Wir haben Ärzte und Geistliche und alle möglichen Leute in der Klasse.
... Sie sagt, sie würde uns lieber so unterrichten, wie wir sind, als wenn wir es vorher studiert hätten. Und sie sagt, wir werden die Klasse gut zum Abschluss bringen.
— Erinnerungen von Emma A. McDonald mit Genehmigung der Mary Baker Eddy Bibliothek für den Fortschritt der Menschheit.
WAS SCHÜLER ÜBER DEN KLASSENUNTERRICHT SAGEN
Fujiko Signs, eine Lehrerin in Tokio, Japan, erinnert sich, dass sie Wissenschaft und Gesundheit las und Heilungen erlebte und sich daraufhin fragte: „Gibt es eine Möglichkeit mehr über Christian Science zu lernen?” Sechs Monate nachdem sie zum ersten Mal mit Christian Science Bekanntschaft gemacht hatte, bewarb sie sich um Teilnahme an einem Lehrkurs. Sie begann sofort danach andere Menschen zu heilen und seit dem Jahr 2000 annonciert sie ihre Praxis. Signs sagt, dass sie sehr berührt war von den Opfern, die die Menschen zu Mrs. Eddys Zeit für den Klassenunterricht brachten. „100 Dollar waren damals eine Menge Geld. Diese hingebungsvollen Leute borgten sich Geld, um am Unterricht teilnehmen zu können, und opferten alles dafür. Ich spürte, dass mir diese Hingabe fehlte. Ich gab nicht 100 Prozent wie diese Leute. So beschloss ich einen Schritt weiter zu gehen, Disziplin in mein Leben zu bringen und mich dieser Sache ganz zu verpflichten.”
Signs sagt, wenn man wartet, bis man glaubt für den Klassenunterricht „bereit” zu sein oder das im Unterricht Gelernte anwenden zu können, um andere zu heilen, dann macht man diesen Schritt vielleicht nie. „Ich brauchte ein Ziel, das ich erreichen wollte, bzw. ich wollte, dass ich ein gröberes Verständnis davon erlangte, wer ich bin. Ich fragte mich immer:, Was ist der nächste Schritt? Was kann ich noch tun?' Schließlich wird man ja in Wissenschaft und Gesundheit und im Klassenunterricht aufgefordert in die Welt hinauszugehen und nicht das, was man übers Heilen gelernt hat, für sich selbst zu behalten.
Wenn man sich dazu verpflichtet”, so sagt sie, „wird man nie Angst haben oder sich Sorgen machen, was passieren oder nicht passieren könnte, ob im finanziellen oder anderweitigen Bereich. Nur Gutes kann die Folge sein.”
Violet Graham aus Upland, Kalifornien, nahm nicht an dem Kurs teil mit der Absicht ihren Beruf zu wechseln. „Ich wollte einfach lernen zu heilen”, erinnert sie sich. Graham, die jetzt vollzeitig in der Heilpraxis ist und im Journal annonciert, war ausgebildete Krankenschwester, bevor sie am Klassenunterricht teilnahm. „Ich hatte eine völlig andere Mentalität.” Um mit dem Stress am Arbeitsplatz fertig zu werden, war sie von Amphetaminen, Schlaftabletten, Alkohol und Tabak abhängig geworden.
Einer Religion gehörte sie damals nicht an. „Ich hatte nichts, worauf ich mich verlassen konnte, außer mir selber — aber ich hatte nur ein Gefühl der Unzulänglichkeit." Deshalb gab sie die Krankenpflege auf. Dann fing sie an Wissenschaft und Gesundheit zu lesen. Daraufhin veränderte sich alles. Ihre Liebe zu anderen hatte Graham veranlasst Krankenschwester zu werden, und jetzt wurde ihr beim Lesen von Wissenschaft und Gesundheit klar, dass Liebe die Grundlage für eine wissenschaftliche und verlässliche Heilmethode ist. Der Intensivkurs, den sie mitmachte, verstärkte in ihr den Wunsch das Gelernte praktisch anzuwenden. Was war das Wichtigste, das sie gelernt hat? Dass Christus — nämlich Gottes Gegenwart und Botschaft an die Menschheit — der Heiler ist. Und wie Graham sagt: „Der Christus ist immer da.” Gleich nach Abschluss des Kurses bekam Graham schon Anrufe von Leuten, die sie um Hilfe baten. Der erste Anruf kam von der Mutter eines 8-jährigen Mädchens, bei dem in drei verschiedenen Krankenhäusern eine Leukämie diagnostiziert worden war. Vier Monate später war das kleine Mädchen gesund. Sechs Monate darauf nahm sie an einem Kinderlager teil.
Grahams Praxis kam in Schwung und schließlich entschloss sie sich zu einem Berufswechsel. Sechs Jahre später annoncierte sie im Journal. Im Kurs gehe es eigentlich darum, so sagt sie, „dich selbst aufzubauen, deine wahre Christusgleichheit zu entdecken und das dann umzusetzen — diese Christusgleichheit auch in deinem Nächsten zu sehen — und so der Welt Heilung zu bringen”.
Ursula Klauss aus Berlin begann sich vor fünf Jahren für Christian Science zu interessieren. Eine Freundin gab ihr Wissenschaft und Gesundheit. Sie las das Buch, fand es anfangs aber zu schwer zu verstehen, denn es „es war eine Konfrontation mit Dingen, über die ich noch nicht nachgedacht hatte”. Sie bewarb sich bei einem Christian Science Lehrer um Aufnahme in den Unterricht, weil sie „hoffte, das Buch besser verstehen zu lernen”. Mary Baker Eddys Leben interessierte sie auch sehr, besonders deren „Liebe zur Bibel und zur Menschheit”. Ihr Lehrer machte ihr „alles so klar”, sagte Klauss. „Er erschloss mir eine neue Welt. Mir wurde deutlich, dass Christian Science mein Leben ist. Ich erfuhr erst vor fünf Jahren davon, aber ich glaube, ich habe es immer gelebt. Es macht mich so frei. Dieser Kurs war sehr wichtig für mich, denn sonst hätte ich nicht so eine Klarheit über Christian Science gehabt. Und ich hätte auch nicht so viel Freiheit gespürt. Wenn ich Wissenschaft und Gesundheit jetzt lese, spricht das Buch zu mir.”
EIN UNTERRICHTSSYSTEM FÜR SPIRITUELLES HEILEN
Mary Baker Eddy unterstellte den Unterricht von Christian Science dem 1898 errichteten Unterrichtsrat im Massachusetts Metaphysical College. Ihr Unterrichtssystem besteht aus Folgendem:
Elementarklasse: Ein intensiver Lehrgang im Heilen mit mündlichen und schriftlichen Arbeiten unter der Leitung eines Christian Science Lehrers. Die Elementarklasse nimmt zwölf Unterrichtstage in Anspruch und danach können die Betreffenden im Journal und Herold annoncieren. Praktiker müssen mindestens drei Jahre praktische Erfahrung haben, ehe sie sich um Teilnahme an der Lehrerbildungsklasse, wo Praktiker zu Christian Science Lehrern ausgebildet werden, bewerben können.
Schülerversammlung: Ein jährlich stattfindendes, eintägiges Treffen der Schüler eines Lehrers. Dieses Treffen dient dem gleichen Zweck wie weiterführende Seminare für Fachberufe. Es gleicht einem Praktikum oder weiterführenden Seminar, das Heilen zum Thema hat. Bei seinem Werdegang als Heiler steht dem Schüler sein Lehrer wie ein Mentor mit Rat zur Seite.
Lehrerbildungsklasse: Ein alle drei Jahre stattfindender Lehrgang, bei dem Christian Science Heiler für die Verantwortung, das geistige Heilen zu lehren, ausgebildet und geprüft werden. Das Massachusetts Metaphysical College verleiht den Lehrern ein Diplom, das ihnen ihre Lehrbefugnis bescheinigt. „Spirituelles Heilen zu praktizieren ist eine Sache. Aber es ist etwas ganz anderes, den Leuten das spirituelle Heilen beizubringen. Das erfordert zusätzliche Fähigkeiten, die sich vom Heilen an sich unterscheiden”, erklärt Tom Black, der kürzlich die Lehrerbildungsklasse unterrichtet hat.
KOSTEN, DAS HEILEN ZU LERNEN
Mary Baker Eddy schätzte ihre Heilmethode und ihren Unterricht sehr hoch ein und erwartete von ihren Schülern, dass sie mit dem Gelernten ihren Lebensunterhalt bestreiten würden. Sie hielt es für selbstverständlich, dass die Nachfrage nach einer wirksamen, spirituellorientierten Gesundheitsfürsorge ständig zunehmen würde. Anfangs berechnete sie ihren Schülern ein Unterrichtshonorar und erbat sich einen kleinen Prozentsatz von ihrem Einkommen. Später sah sie vom Einkommensanteil ab und berechnete im Durchschnitt eine Studiengebühr von 300 Dollar. Viele Bewerber unterrichtete sie kostenlos und für andere, die in der Lage waren, einen Teil des Unterrichtshonorars aufzubringen, ermäßigte sie die Gebühr.
1910 setzte sie die Gebühr für die Elementarklasse auf 100 Dollar fest und das hat sich seitdem nicht geändert. Man muss hierbei bedenken, dass es zu Mary Baker Eddys Zeit keine Inflation in der Art gab, wie wir sie heute gewöhnt sind. Zwischen 1870 bis 1898, als Mrs. Eddy keinen Unterricht mehr erteilte, verschlechterte sich aber die Wirtschaftslage erheblich und der Preis für Waren und Dienstleistungen, ging beträchtlich zurück. Dienstleistungen, die 1870 noch 100 Dollar gekostet hatten, beliefen sich 1898 nur auf 62,57 Dollar.
Nach jahrzehntelanger Inflation im 20. Jahrhundert entsprechen die damaligen 100 Dollar heute einer weit höheren Summe. Was sich 1910 auf 100 Dollar belief, würde heute fast 2000 Dollar kosten. Aus Dankbarkeit zahlen daher viele, die heute an diesem Unterricht teilnehmen, viel mehr für das Gelernte.