In letzter Zeit hat es vermehrt Äußerungen von Kolumnisten und Kommentatoren über das zunehmende Maß an Intoleranz in der heutigen Gesellschaft gegeben. Und verschiedene Vorfälle in den letzten Monaten deuten darauf hin, dass die Geduld der Menschen erschöpft ist. Sie fordern ein zivilisierteres Miteinander.
Als der bekannte amerikanische TV-Talkshow-Gastgeber Don Imus eine überwiegend aus Afro-Amerikanerinnen bestehende Basketballmannschaft mit einem rassistischen, sexistischen Schimpfwort beleidigte, was weltweit Aufsehen erregte, wurde er gefeuert. Als der berühmte Humorist Michael Richards in einer Vorstellung in Los Angeles auf Zwischenrufer einschlug, verließen viele Zuschauer den Raum voller Abscheu. Und als das rücksichtslose soziale Verhalten einiger der hoch bezahlten Profis der Amerikanischen Football-Liga außer Kontrolle geriet, wurden sie von der Liga für längere Zeit ohne Bezahlung gesperrt. Und besonders zu Zeiten der Vorwahlen zur kommenden präsident-schaftswahl gibt es immer wieder Diskussionen über politische Werbefeldzüge, in denen der Charakter der Kandidaten angegriffen wird, um Wähler zu gewinnen.
Solche Vorfälle haben zu Forderungen in den Medien geführt, eine der wichtigsten Tugenden in die Öffentlichkeit zurück zu bringen, nämlich Kultiviertheit wozu, so stimmen die meisten Menschen zu, auch Höflichkeit, Respekt, Zuvorkommenheit und gegenseitige Achtung gehören. „Der freie Meinungsaustausch wird durch Kultiviertheit aufgewertet“, schreibt der Verleger Tim O'Reilly in einem Artikel in der New York Times vom 9. April 2007 und deutete damit an, dass möglicherweise viel mehr Menschen heute etwas von freier Meinungsäußerung als von Höflichkeit verstehen.
Kommt es nicht darauf an, wie wir andere bei alltäglichen Begegnungen sehen und behandeln? Überall, wo Sie hingehen, treffen Sie Gläubige, selbst wenn diese sich nicht als „religiös“ bezeichnen. Gott ist für sie eine Wirklichkeit. Gebet ist für sie eine Wirklichkeit. Sie respektieren Werte wie Fürsorge und Achtung und Opferbereitschaft für andere. Jeder ist innerhalb der Reichweite des göttlichen Gemüts.
Mary Baker Eddy schreibt: „Wenn das Herz spricht, so einfach die Worte auch sein mögen, immer ist seine Sprache denen verständlich, die ein Herz haben.“ (Vermischte Schriften, S. 262) Je mehr wir über Gott wissen, desto mehr wissen wir über unseren Nächsten – und sehen in ihm oder ihr nicht ein gesichtsloses Wesen, dem wir indifferent oder mit Verachtung begegnen, sondern jemanden, dessen Herz wir wirklich erreichen können.
Die Forderung, allen Söhnen und Töchtern Gottes mehr Liebe entgegenzubringen, geht direkt auf die Lehren von Jesus zurück, die ihre Bedeutung oder ihre heilende Macht nie eingebüßt haben, nicht einmal in einem elektronischen Zeitalter mit seinen vielen Verbindungen, die ohne Gesicht und in Anonymität ablaufen.
Die Wahrheit ist, dass wir uns nicht länger verstecken können. Wir haben den deren so viel zu geben. Und je näher wir den Menschen sind, umso besser können wir deren echte Nöte erkennen, zu denen oft ein inneres Sehnen nach Heiligkeit gehört. „Wir alle sind, wenn wir es nur wüssten", so schreibt der Autor Eugene Petersen, „auf der Suche nach dem Heiligen, nach einem Leben, das nicht darauf reduziert werden kann, wie wir aussehen oder was wir gerade tun oder was andere über uns denken ... Wir wollen ein auf Gott beruhendes und von Gott geprägtes Leben: ein heiliges Leben" (The Jesus Way, Eerdmans).
Und diese Heiligkeit – nicht Frömmigkeit, sondern Ganzheit – ist nichts, was man fürchten müsste. Es kann nicht verbannt werden in die „gute alte Zeit”, als die Menschen selbstverständlicher an der Zufriedenheit, dem Glück und Wohlergehen der anderen Anteil nahmen. Heiligkeit ist im heutigen Cyberspace-Zeitalter der Kopfhörer und elektronischen PDAs genauso Bestandteil unseres Lebens, wie es in biblischen Zeiten war.
Aber damit Kultiviertheit zu einer einigenden, heilenden – heiligen – Kraft im Leben aller Menschen werden kann, muss sie über das simple Erwarten guter Manieren und höflichen Verhaltens hinausgehen. Es muss in dem verankert sein, was Jesus meint, wenn er davon spricht: „Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe.” (Johannes 15). Mit anderen Worten: mit Gebet und Behutsamkeit, hingebungsvoll und ausdauernd.
Wir können das jeden Tag praktizieren. Wir können unsere Gebete verstärkt darauf richten, dieses wertvolle, zivilisierte Ziel, „mit einer selbstlosen, anspruchslosen, unparteiischen, universalen Liebe – die nur liebt, weil sie Liebe ist” (Mary Baker Eddy, Kanzel und Presse, S. 21) – zu erreichen. Die Lehren Jesu, durch die Christliche Wissenschaft erklärt, offenbaren Wege, das Klima von Zuvorkommenheit zu verbessern. Dazu zählen vielleicht folgende Punkte:
Lernen Sie Ihren Nachbarn kennen, egal, wie unzivilisiert dessen Verhalten zu sein scheint, so dass er nicht gesichtslos und anonym bleibt.
Lieben Sie Ihren Nachbarn ohne vorgefasste Gedanken über dessen menschliche Geschichte, seine Kultur oder seine Verhaltensmuster.
Zeigen Sie mehr geistige Qualitäten wie Geduld, Demut, Respekt und Großzügigkeit im Bewusstsein. Sie und Ihr Nachbar werden davon profitieren.
Solche Schritte, neben vielen anderen, werden eine Rückkehr zu größerer Zivilisiertheit garantieren.
