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Auszug aus einem Gespräch mit dem früheren Erzbischof

von Kapstadt und Friedensnobelpreisträger Desmond Mpilo Tutu Das Gespräch führten Hedwig Gafga und Burkhard Weitz

Aus der August 2007-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Sie waren 19 Jahre alt, als die Unterscheidung nach Rassen in Südafrika Gesetz wurde. Was hieß es für Sie persönlich, von da an als Mensch zweiter Klasse angesehen zu sein?

... es war so, dass sich Opfer solcher Ungerechtigkeit nach und nach fragen mussten, ob sie vielleicht nicht Gottes Kinder waren. Ob sie vielleicht nicht ganz so menschlich geschaffen waren wie die anderen. Und ich habe immer gesagt, dass das die schrecklichste Konsequenz von Unterdrückung und Ungerechtigkeit war. Es war eine Blasphemie, ein Kind Gottes daran zweifeln zu lassen, dass es ein Kind Gottes sei.

Würden Sie sagen, dass Glaube an Gott wichtig ist, wenn man sich in einem Kampf befindet?

Ich hätte ohne nicht überleben können. Ich sage nicht, Atheisten könnten nicht gegen Ungerechtigkeit kämpfen, ich bin mir sicher, sie können es. Aber sehen Sie, was erhielt uns in den dunkelsten Momenten des Kampfes? Wir erinnerten uns, dass wir einen Gott haben, der Partei für die Hungrigen, die Armen nimmt. Und dass dieser Gott letztlich gewinnt. Dass dieser Gott sagt: Ich habe dein Leiden gesehen, ich komme herab. Der Gott des Exodus ist derselbe Gott, den wir erwarteten und der nun auch herabkommen würde und uns erlösen würde.

Sie verwenden oft Wörter wie „schwarzer Stolz", „Selbstvertrauen“, „Trotz“. Viele Menschen lernen, im Christentum gehe es mehr um „Bescheidenheit“, „Gottvertrauen“ und die „Bereitschaft zu dienen“. Ist das kein Widerspruch?

Es ist kein Widerspruch. Zu sagen, ich bin ein Kind Gottes, ist die Basis des größten Stolzes. Aber es ist ein Stolz, der sagt: Es gehört nicht mir, es ist alles ein Geschenk. Und — ja! Wie zeige ich, dass ich wirklich ein Kind Gottes bin? Indem ich dem anderen dienen kann. ... die Politiker lieben es zu sagen: Mische keine Politik mit Religion, bleib bei der Religion. Da sage ich: Ja, ich bleibe bei der Religion, aber meine Religion sagt: Alles gehört Gott (lacht).

Was hat Ihr persönliches Leben seit dem Ende der Apartheid am stärksten beeinflusst?

Ich bin ständig erstaunt über die Art der Veränderungen, die wir überhaupt hatten. ... Es gab Gesetze, die Mischehen verhinderten, sie nannten es „Unmoral“, wenn Weiße sexuellen Kontakt mit Nichtweißen hatten. ... Sie beschmutzten wirklich etwas Schönes: die Liebe. Jetzt sehen Sie Paare unterschiedlicher Hautfarbe unbekümmert Arm in Arm. ... ich fragte mich: Warum haben wir so viele unserer Ressourcen verschwendet, um solche Gesetze aufrecht zu erhalten? Warum waren wir so lange so dumm? ...

Was geht Ihnen am meisten von der Arbeit in der Wahrheitskommission nach, was beschäftigt Sie heute noch davon am stärksten?

Wir alle waren schockiert, zu welch tiefer Verkommenheit Menschen herabsinken können. Dass wir solche Abscheulichkeiten begehen konnten. Aber ich staune immer darüber, dass nicht Verwüstung übrig geblieben ist. Es war ein Hochgefühl zu entdecken, dass Menschen diese wunderbare Fähigkeit zum Guten haben. Dass Menschen so großmütig sein können, nicht nur Schwarze, auch Weiße. ... Aber warum sollte ich erstaunt sein. Gott hat uns zur Güte erschaffen!

In der Anglikanischen Kirche gibt es einen tiefen Riss. Es geht darum, ob ein Homosexueller Priester oder gar Bischof werden kann. Sie haben klar Position bezogen.

Meine Gründe sind gerade heraus. Einmal von den theologischen Fragen abgesehen: Ich habe gegen ein System opponiert, das Menschen kriminalisiert hat wegen etwas, wogegen sie nichts tun konnten: Wegen ihrer Rassenzugehörigkeit. Ich nahm an der Opposition gegen ein System teil, das Menschen bestrafte wegen einer Sache, gegen die sie nichts konnten, ihr Geschlecht. Lange wurden keine Frauen zu Priestern ordiniert. Ich sagte: Ich kann nicht gegen die Ungerechtigkeit des Rassismus opponiert haben, ohne in gleicher Weise gegen die Ungerechtigkeit der Geschlechter-Diskriminierung zu opponieren. Ebenso kann ich nicht still bleiben im Angesicht der Ungerechtigkeit, Leute für etwas zu bestrafen, gegen das sie nichts unternehmen können: ihre sexuelle Orientierung. ... Das ist für mich eine Frage der Gerechtigkeit. ...

Sie sprechen von Glauben als Geschenk. Aber haben Christen nicht auch einen Auftrag? Kürzlich gab es starken Protest gegen ein Treffen der führenden Politiker der G8-Staaten in Heiligendamm. Meinen Sie, Christen sollten sich an solchen Protesten beteiligen?

Ich meine, dass es wichtig ist. ... Vorwenigen Jahren haben nur wenige Menschen über die Umwelt gesprochen. Man hielt sie für seltsam, ... In gleicher Weise haben Leute gegen den Krieg im Irak protestiert. Das hat die USA und ihre Alliierten nicht davon abgehalten, das Land zu erobern. Aber heute sehen wir, wer Recht hatte. ... Auch hier gilt: Christen müssen nicht versuchen erfolgreich zu sein. Sondern sie sollen immer für die Wahrheit geradestehen. Damit letztlich die Wahrheit triumphiert.

Was können wir Deutsche von der afrikanischen Ubuntu-Theologie lernen?

Dass man nie ein Mensch in Isolation sein kannst, man kann nicht für sich allein menschlich sein. Man braucht andere Menschen, um menschlich zu sein. Wir — nicht nur Deutsche, die ganze Welt muss das wissen: Wir werden nie, nie den Krieg gegen den Terror gewinnen, solange Menschen in Teilen der Welt unter Situationen leiden, die sie verzweifeln lassen. Und Ubuntu sagt: Wir sind im Netzwerk der wechselseitigen Abhängigkeit gefangen. Wir können nur gemeinsam frei sein. Wir können nur gemeinsam sicher sein. Wir können nur gemeinsam wohlhabend sein. Wir können nur gemeinsam menschlich sein.

Vielen Dank für das Gespräch.

Gott segne Sie.

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung Quelle und vollständiger ext: www.chrismon.de (dort auch als Audiodatei) Siehe auch: chrismon – Das evangelische Magazin, Heft 07/2007 (Beilage zu verschiedenen Zeitungen).

Nachdrucke auf dieser Seite geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion des Herold der Christlichen Wissenschaft wieder.

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