Mir scheint, dass ich mich von früher Kindheit an nach Gott gesehnt habe, und das Heranwachsen in meiner Kirchengemeinde gehörte selbstverständlich in mein Leben. Früh beschäftigten mich Fragen nach Gott und Jesus, auf die ich unbefriedigende Antworten erhielt. So begab ich mich selbst auf den Weg, um Antworten zu finden, die ich annehmen konnte. Und eines Tages fühlte ich mich so allein, als ich mich mit einem unangenehmen körperlichen Zustand – einem starken Druck auf der Schilddrüse, der auch durch ärztliche Behandlung nicht besser geworden war, – auseinandersetzen musste. Da sagte ich laut: „Ich kann nicht mehr, ich brauche Hilfe!"
Manche Leserin oder manchen Leser wird es nicht überraschen zu vernehmen, dass ich 15 Minuten später vor dem Schaufenster eines Leseraums der Christlichen Wissenschaft stand, das ich vorher nie bemerkt hatte. Ich hatte das Gefühl, dass alles in mir wusste, dass hier die richtigen Antworten auf mich warten würden, und so ging ich durch die geöffnete Tür.
Nach einiger Zeit der Beschäftigung mit diesen geistigen Gesetzen erkannte ich einen sehr aggressiven Gedanken, den ich über viele Wochen heruntergeschluckt hatte. Als ich ihn ausgesprochen und korrigiert hatte, verschwand der Druck.
Heute stehe ich am Beginn meiner Praxis als Praktikerin.
Über Jahrzehnte hat mich der Bibelvers aus dem Matthäusevangelium (Kapitel 25) beschäftigt: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Meine spontane Hilfsbereitschaft fühlte sich immer schnell angesprochen, und die Versuchung, mich für scheinbar hilflose Personen verantwortlich zu fühlen, lag ständig auf der Lauer. Seit ich die Schriften von Mary Baker Eddy studiere, verstehe ich mehr und mehr, dass jeder „Bruder" eine Widerspiegelung Gottes ist, genau wie ich.
Im Lehrbuch Wissenschaft und Gesundheit von der eben genannten Verfasserin heißt es auf Seite 305: „Ein Bild in der Kamera oder ein Gesicht, das der Spiegel reflektiert, ist nicht das Original, obwohl es ihm gleicht. Als das Gleichnis seines Schöpfers spiegelt der Mensch das zentrale Licht des Seins, den unsichtbaren Gott wider. So wie keine Körperlichkeit im Spiegelbild ist, das nur eine Widerspiegelung ist, so spiegelt der Mensch, wie alle wirklichen Dinge, Gott, sein göttliches Prinzip, nicht in einem sterblichen Körper wider.“ Und auf Seite 337 heißt es weiter: „Die wahre Idee vom Menschen, als Widerspiegelung des unsichtbaren Gottes, ist den begrenzten Sinnen ebenso unbegreiflich wie das unendliche Prinzip des Menschen.“
Ich begann regelrecht zu üben, in jedem Menschen, den ich anschaute, Gottes Wirken zu erkennen.
Ich begann regelrecht zu üben, in jedem Menschen, den ich anschaute, Gottes Wirken zu erkennen. Das hat aber meine kritischen Beobachtungen, wie z. B. ‚der sieht aber gut aus'„ der könnte sich besser kleiden'„ der geht aber krumm' usw. zunächst kaum verändert bis ich im Urlaub in einer Fußgängerzone einer unglaublich korpulenten Frau vor mir gewahr wurde. Es war nicht möglich, meine Betroffenheit über den Anblick zu ignorieren, weil sie in kurzer Zeit drei Mal vor mir auftauchte.
Gibt es Zufälle? Ich bin überzeugt: Nein!
So fühlte ich mich aufgefordert, meine Gedanken zu überprüfen.
Was war schön an dieser Frau? Ich versuchte einen Blick von der Seite zu erhaschen. Aha, sie trug Ohrringe und hatte eine gepflegte Gesichtshaut. Meinem Begleiter fiel der selbstbewusste Gang in modischen Schuhen auf. Immer wieder beschäftigte uns der Anblick dieser besonderen Frau, wie wir sie nannten, um die Unförmigkeit aus unseren Gedanken zu verbannen.
Ich betete um die rechte Sicht davon, dass der Mensch die Widerspiegelung Gottes sei, und bat, dies für die Frau erkennen zu dürfen. Und dann war es, als würde sich ein Hebel umlegen. Ich erkannte und anerkannte ihren Sinn für Schönheit. Diese Sicht hat mir einen wunderschönen Blick auf alle Menschen eröffnet — auch ich selbst sehe mich viel klarer als Widerspiegelung Gottes.
In meiner Stadt sitzt bei Wind und Wetter ein Bettler. Jetzt bewundere ich an ihm seine Ausdauer als die Widerspiegelung einer Eigenschaft Gottes. Ein anderer Mann spielt tagein, tagaus dieselbe Melodie auf seinem Instrument. Kann er nichts anderes? Wie ist er doch aufdringlich! Und bei diesem Gedanken legte sich der Hebel wieder um. Diese Melodie, so zart gespielt, ist als Widerspiegelung der Harmonie längst in mich eingedrungen. Ich bedankte mich bei dem Spieler und erlebte eine echte Begegnung. v
Jetzt entdecke ich an jedem Menschen irgendeine Schönheit.
Es macht richtig Vergnügen, in die Stadt zu gehen, denn sie ist voll von Widerspiegelungen der Vollkommenheit, die wir Gott nennen. Und so muss der Überschrift, ob Engel dick sein können, nichts hinzugefügt werden. Sie sind keine körperlichen Wesen, und sie haben keine äußerlichen Merkmale. Natürlich nicht.: -).