Lesen Sie den Geistesblitz Nr. 80 im Juli.
Meine Frau und ich hatten uns mit der Organistin unserer Kirche angefreundet und eines Tages lud sie uns zu sich nach Hause ein. Als wir bei ihr durch die Tür gingen und im Wohnzimmer standen, begrüßte uns der Anblick eines unerwartet voluminösen Instrumentes. Ein Klavier? Das hätte man bei einer Organistin erwarten können. Nein, es war eine Harfe.
Unsere Freundin erzählte uns ganz begeistert, dass sie erst kürzlich begonnen hatte, dieses Instrument zu lernen. Ich hatte bis dahin eine Harfe nur im Fernsehen oder auf Fotos gesehen, aber noch nie in Lebensgröße. Und ich war daher auch noch nie neben einer Harfe gestanden, die gespielt wurde.
Unsere Bekannte spielte uns etwas vor und ich war von der Klangfülle überrascht. Ich bin mit einem Cello vertraut, das vier Saiten hat und für seine Klangfülle und -qualität auf den Resonanzkörper angewiesen ist.
Eine Harfe besitzt ebenfalls einen Klangkörper, aber wesentlich mehr Saiten. Es war faszinierend für mich zu erleben, wie nicht nur die angezupften Saiten, sondern auch in entscheidender Art die nicht berührten Saiten durch ihre Resonanz und ihr Mitschwingen für die Klangfülle verantwortlich waren.
Dieses Beispiel ließ mich über unsere geistige Natur nachdenken, die auch aus vielen Saiten besteht, die unterschiedlich angezupft werden und erklingen.
Manchmal wollen wir gewisse Saiten ganz bewusst selbst anzupfen oder durch andere erklingen lassen. Und manchmal wollen wir gewisse andere Saiten festhalten, um sicher zu sein, dass da niemand darauf spielt.
So mögen wir meinen, dass wir uns am besten kennen und daher auch am besten wissen, wie unsere „Harfe“ zu spielen ist. Aber es gibt tatsächlich noch einen „Harfenisten“, der uns noch besser kennt als wir uns selbst, Gott, das eine allwissende und allliebende göttliche Gemüt, die göttliche Seele. Wenn wir Ihn spielen lassen, ist der Ton wunderschön, die Harmonie vollkommen und der Raum vom Klang erfüllt.
Wenn wir aber ein wenig Angst haben, Gott unsere Saiten anzuvertrauen, dann verrät das einfach, dass wir noch mehr Sicherheit und Vertrauen in die unendliche Güte Gottes gewinnen können.
Gott wird unser Vertrauen nie ausnutzen. Im Gegenteil: Ihm unsere tiefsten Wünsche und Hoffnungen anzuvertrauen und dann loszulassen, macht den Weg frei, um eine nie geahnte „Klangfülle“ zu erleben.
Was passiert, wenn wir Gott unser Herz öffnen und Ihm vorbehaltlos unsere „Harfe“ anbieten? Es kann sein, dass wir Saiten in uns entdecken, von denen wir bis dahin keine Ahnung hatten. Es kann auch sein, dass sich Empfindungen, mit denen wir uns bis dahin identifiziert haben, von uns scheiden und in uns nicht mehr „klingen“ oder „schwingen“, weil sie nie Teil unserer göttlichen Identität waren und sind.
Wir verlieren nie, sondern wir gewinnen nur einen besseren Begriff von uns, wenn wir Gott unsere „Harfe“ anvertrauen. Und das bringt unendlichen Segen in jeden Aspekt unseres Lebens.
