Nie werde ich vergessen, wie ich mich an meinem ersten Tag an der High School gefühlt habe.
Ich war gerade von St. Louis, Missouri, USA, nach Denver, Colorado, USA, umgezogen–von der Principia School, einer kleinen Privatschule für Christliche Wissenschaftler, an eine riesige öffentliche Schule. Und ich hatte mir unbemerkt selbst eingeredet, dass ich nur von Leuten akzeptierd und geliebt werden könnte, die denselben Glauben haben wie ich. Ich hatte Angst, in eine Schule zu gehen, an der ich nur meinen Bruder kannte, wo die Lehrer mich nicht kannten und wo es keine Kleiderordnung gab und die Schüler Piercings, Tattoos und pinkgefärbte Haare trugen. Alles war so anders!
Das Arbeitspensum half auch nicht wirklich. Ich hatte mich in so viele Kurse eingetragen, wie mein Stundenplan hergab, und es war eigentlich untragbar, zu all dem auch noch Crosslauf zu trainieren. Die ganze erste Woche weinte ich immer wieder, vermisste meine alten Lahrer und Freunde. Jeden Abend ging ich nach Hause une weinte noch mehr und flehte meine Eltern an, mich wieder an meine alte Schule in Missouri gehen zu lassen. Sie aber sagten, das wäre genau der richtige Moment, das in die Praxis umzusetzen, was ich an der alten Schule und in meiner Sonntagsschule gelernt hatte. An einem Abend lachte mein Vater über all die Beschreibungen meiner Ängste.
„Wie bitte?!", fragte ich nach. Wie konnte er nur so gefühllos sein!
Er aber sagte: „Du glaubst also, dass Gott und die göttliche Liebe überall sind – außer in diesem einen Schulgebäude."
Ich musste zugeben, dass das ziemlich töricht klang, also ging ich am nächsten Tag durch das Schulhaus und sagte im Stillen eine mir vertraute geistige Feststellung auf: „There is no spot where God [Love] is not" („Es gibt keinen Ort, wo Gott [Liebe] nicht ist.") Außerdem rief ich mir ein Zitat aus der wöchentlichen Bibellektion in Erinnerung: „...meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, dass er mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schickte?" (Matthäus 26)
Diese Inspiration tröstete mich den Morgen über. Trotzdem rannen mir am Ende der zweiten Unterrichtseinheit Tränen übers Gesicht. Mein Lehrer schaute mich besorgt an und war wohl etwas unsicher, was er tun sollte. Aber er unterrichtete weiter. Nach dem Klingeln blieb ich sitzen, als alle andern schon rausgingen, und versuchte mich zu sammeln, um mich bei meinem Lahrer zu entschuldigen, dass ich in seinem Unterricht geweint hatte. Aber kein Wort kam über meine Lippen. Mein Lehrer sagte, es sei schon o.k., als er zusammenpackte, und lud mich in sein Büro ein.
Als ich endlich wieder sprechen konnte, erklärte ich ihm, dass ich das erste Mal an einer so großen Schule war und dass ich aus Missouri komme. Da erzählte mir mein Lehrer, dass er auch in Missouri gelebt hatte und dort an einer großen Schule war und dann zu einer kleinen gewechselt war und dass er gut verstand, was ich gerade durchmachte. Er sagte mir, dass er für mich da sei, wenn ich noch mal jemanden zum Reden brauchte, und ich beruhigte mich und ging.
Als ich zum Mittagessen ging, schaltete ich mein Handy ein und sah, dass ich zwei Nachrichten von meiner Mama hatte. (Später stellte ich fest, dass mein Lehrer nach unserem Gespräch meinen Eltern und meinem Crosslauf-Trainer eine E-Mail geschickt hatte.)
Die erste Nachricht war ein Zitat von Mary Baker Eddys Schriften: „Gute Gedanken sind ein undurchdringlicher Panzer; damit angetan, seid ihr gegen die Angriffe des Irrtums jeder Art vollständig geschützt." (Erste Kirche und Verschiedenes, S. 210) In der zweiten erwähnte meine Mama eine Bibelstelle aus der Bibellektion über Engel: „Zwölf Legionen Engel–wusstest du, dass das ungefähr 72000 sind? Mehr Engel als Schüler!" Ich dachte über die Idee nach, dass da sogar mehr Engel über mich wachen, als es Schüler an der Schule gibt, von denen ich glaubte, sie hätten etwas gegen mich.
Es war das erste Mal, dass ich mich geliebt fühlte in dieser Schule. Kurze Zeit später fielen mir lauter kleine Dinge auf – ein Mädchen, das mich jedes Mal anlächelte, wenn wir uns im Schulhaus begegneten (dessen Namen ich noch immer nicht kenne); mein „furchterregender" Mathelehrer, der Späße mit uns machte und sich als großer Teddybär herausstellte; einige Leute, die ich im Treppenhaus gesehen hatte und vor denen ich mich gefürchtet habe, die aber eigentlich unglaublich nett sind; und ein Mädchen, das mich ansprach und sagte: „Hey, wir sind im selben Sprachkurs! Wir sollten Freunde sein!"
Wohin ich auch sah, ich sah mehr Liebe als Furcht. Meine Noten wurden bald besser, ich hatte Freunde in der Klasse, ich hatte Leute, mit denen ich zum Essen ging, und ich wechselte vom offenen Crosslauf (den langsamsten Wettkämpfen) zu den Wettkämpfen der Schulmannschaften des Bundesstaates.
Klar hatte ich das Jahr über immer mal Schweirigkeiten mit schwerem Unterrichtsstoff, zeitaufwändigen Hausaufgaben, beim Sport, Freunde treffen und in Kontakt bleiben mit meinen alten Freunden, aber am allerwichtigsten ist, dass ich meine ne anfängliche Furcht verloren habe.
Letzten Sommer wechselte ich noch mal an eine neue große staatliche Schule in einem anderen Bundesstaat. Aber ich erwartete einen wesentlich sanfteren Übergang und genau so erlebte ich es auch. Ich konnte weiter beweisen, dass das Gefühl, geliebt zu werden, nicht auf die Menschen aus der eigenen Glaubensgruppe beschränkt ist. Wir müssen einfach um uns herum schauen und die Liebe sehen.