Die Bibel zu studieren und ihren Lehren gehorsam zu sein, indem wir sie umsetzen, bringt Freiheit. Diese Freiheit ist nicht uns vorbehalten, sondern umfasst alle Menschen – eine Freiheit von materiellen Gesetzen, die uns binden und beschränken, bis sie als machtlos aufgedeckt werden und wir aufhören, sie zu befolgen.
Der Apostel Paulus in der Bibel sagt: „Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern verändert euch durch die Erneuerung eurer Gesinnung, damit ihr prüfen könnt, was der gute, wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist“ (Römer 12:2).
Ich wuchs in Südafrika auf, einem Land mit mehr als zehn verschiedenen Kulturen. Vor vielen Jahren meinte die Regierung, der beste Weg voran liege in einer getrennten Entwicklung dieser verschiedenen Kulturen und Menschenrassen. Sie bezeichneten das als Apartheid – „Getrenntsein“.
Obwohl ich dieser Regierungsform nicht zustimmte, erkannte ich erst bei einem Besuch in London, wie sehr das Konzept der Trennung und separaten Entwicklung jeden Bereich meines Lebens und Denkens durchdrungen hatte. Ich hatte mich, wie Paulus es ausdrückt, so dieser Kultur gleichgestellt, dass ich gar nicht merkte, wie gedankenlos manches war.
Ich erinnere mich gut an einen Abend. Es schneite und war bitterkalt in London, und als es dunkel wurde, dachte ich voller Mitgefühl an den Fernsehtechniker, der gerade telefonisch angekündigt hatte, dass er um 18 Uhr kommen und den Fernseher reparieren werde. Ich wollte ihm ein schönes heißes Getränk anbieten, wenn er ankam. Als ich ihm die Tür öffnete, war ich überrascht, einem freundlich lächelnden schwarzen Mann gegenüber zu stehen. Ich bat ihn herein, und er machte sich an die Arbeit. In meinem Denken war wilder Aufruhr. Ich machte einen tiefen Konflikt durch, weil ich dachte, nun könne ich ihm ja gar nichts Warmes zu trinken anbieten. Aus welcher Tasse sollte er denn trinken – ich hatte keine für schwarze Menschen.
Dank seiner erstklassigen Arbeit funktionierte der Fernseher bald wieder. Ich bedankte mich, schüttelte ihm die Hand und er ging.
Was hatte ich da gerade getan? Ich war schockiert über mich selbst. Natürlich hatte ich Tassen im Haus! Was hatte mich davon abgehalten, dem guten Mann etwas zu trinken anzubieten? Als ich mein Verhalten hinterfragte, verstand ich, dass ich als Kind Apartheid in allen Bereichen meines Lebens erlebt hatte, bis hin zu der Tatsache, dass weiße Arbeiter ein Tablett mit Tee aus besonderen Bechern bekamen, und die schwarzen Arbeiter erhielten ihr eigenes Tablett mit anderen Bechern, die ihnen vorbehalten waren. Ich war schockiert, dass diese Sitte der Apartheid so mein Denken, Leben und Handeln beeinflusste.
Von da an beschloss ich, mein Denken über meine Landsleute in jedem Augenblick zu prüfen. Ich machte mir ständig bewusst, dass jeder von ihnen das geliebte Kind Gottes, der Liebe, ist. Damit erfüllte ich das neue Gebot, das Jesus uns gegeben hat: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt; wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben“ (Johannes 13:34). Durch mein Studium von Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy lerne ich so zu lieben, wie Jesus es tat.
Als ich nach Südafrika zurückkehrte, setzte ich alles um, was ich als liebevolles Verhalten meinen Mitmenschen gegenüber erkannt hatte – bei der Arbeit, zu Hause und vor allem in meinem Denken. Ich servierte den Tee nie wieder in separatem Geschirr. „Sei die Veränderung, die du dir wünschst in der Welt“, wie Mahatma Gandhi nach allgemeiner Überzeugung gesagt hat – und genau das tat ich.
Nichts konnte mich davon abhalten, Liebe zu Gott und Seiner Schöpfung auszudrücken.
Ich fühlte mich nicht länger als Opfer des Apartheid-Regimes, noch kam ich mir hilflos vor, als könne ich nichts bewirken. Ich wusste, dass nichts mich davon abhalten konnte, Liebe zu Gott und Seiner Schöpfung auszudrücken, den Männern und Frauen, die nach Seinem Bild und Gleichnis erschaffen sind, wie wir im ersten Kapitel der Genesis lesen. Wenn mir Menschen begegneten, identifizierte und liebte ich die geistigen Eigenschaften, die sie ausdrückten, darunter Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Intelligenz. Auf diese Weise fing ich an, alle Kinder Gottes so zu lieben, wie Jesus dies getan hatte – indem ich das widerspiegelte, was Gott, der Liebe ist (wie uns die Bibel in 1. Johannes 4:8 sagt), in jedem von uns liebt und sieht. Gott und Seine Schöpfung sind eins – göttliche Liebe, die vom Ebenbild der Liebe, dem Menschen, widergespiegelt wird.
Und ich begriff, dass in menschlichen Kulturen die Vollstrecker der Rassentrennung ebenso in Ketten liegen wie die Opfer dieser Regierungsform. Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „Die Christliche Wissenschaft erhebt die Fahne der Freiheit und ruft: ‚Folgt mir! Entflieht der Knechtschaft von Krankheit, Sünde und Tod!‘ Jesus zeichnete den Weg vor. Bürger der Welt, nehmt die ‚herrliche Freiheit der Kinder Gottes‘ an und seid frei! Das ist euer göttliches Recht“ (S. 227).
Es war sehr befreiend für mich zu wissen, dass es in Gottes Reich weder Opfer noch Täter gibt – weder Opfer noch Vollstrecker einer ungerechten Regierungsform – und dass jeder Mann, jede Frau und jedes Kind ein Bürger der Welt ist. Wie schön, dass wir alle diese Bürger lieben können, denn sie sind Gottes Kinder und unterstehen Seiner Regierung, der einzig wahren.
Damals gehörte zu meiner Arbeit, mit Studenten im ganzen Land zusammenzukommen. Eine solche Versammlung mit einer Gruppe schwarzer Studenten war ebenfalls geplant worden. Das Treffen sollte in ihrer Uni in einer der Townships stattfinden. Doch am Abend vorher zeigten die Nachrichten erhebliche Unruhen und Proteste in den Townships. Menschen weißer Hautfarbe wurden angewiesen, sich von den Townships fernzuhalten, da ein Aufenthalt äußerst gefährlich für sie sei.
Ich betete und suchte in der Bibel nach einer Antwort. In Epheser las ich: „Nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts“ (Epheser 5:8). Damit hatte ich die Antwort! Es ging um Gottes Schöpfung, um Gottes Kinder, und ich liebte das, was ich lernte. Ich verstand, dass Hautfarbe in der Materie zwar häufig zu Spaltung führt, doch in der Seele, Gott, vereint Farbe die Menschen, sie verschönert sie und bringt allen Freude und Glück. Gottes Schöpfung spiegelt die Fülle der vielfarbigen Schöpfung der Seele in ihren ganz unterschiedlichen Daseinsformen wider. Als ich darüber nachdachte, dass wir Kinder des Lichts sind, verstand ich, dass wir weder schwarz noch weiß sind, sondern als „Kinder des Lichts“ bergen wir alle Farben der Seele in uns – den gesamten Regenbogen an Eigenschaften der Seele, Gottes, die sich unendlich vielfältig und schön zeigen.
Ein Gefühl von Frieden erfüllte mich. Am folgenden Tag fuhr ich voll freudiger Erwartung in die Township und sah dort nur Kinder des Lichts. Alles schien in Licht gebadet, und alle, denen ich begegnete, brachten nur Liebe, Freundlichkeit, Schönheit und Rücksichtnahme zum Ausdruck. Die Versammlung mit den Studenten war frei von Hürden. Es gab keine Beschränkungen unter uns aufgrund von Hautfarbe, Alter, einem Glauben an eine Unter- oder Überlegenheit oder wegen der verschiedenen Stämme und Kulturen, die vertreten waren. Es waren nur Bürger der Welt zugegen, und wir nahmen unser göttliches Recht, die ‚herrliche Freiheit der Kinder Gottes‘, in Anspruch und drückten sie aus.
Mit meinem neuen Denken und Handeln konnte ich nicht nur meine eigene Freiheit finden, mich von Gott geliebt zu fühlen und es auch zu sein, sondern ich konnte diese Freiheit und Liebe bei allen, mit denen ich in Kontakt kam, ganz natürlich als ihnen innewohnend fühlen. Das bewies sich mir, als eine Freundin mich in ihrer Muttersprache Tswana anredete. Ich sah sie verwirrt an. „Oh, entschuldige“, sagte sie. „Ich vergesse immer, dass du weiß bist!“ Wir erkannten beide die Kinder Gottes, die Kinder des Lichts, und „lebt[en] als Kinder des Lichts“. Wir waren uns beide der Schöpfung Gottes bewusst. Im 139. Psalm heißt es so passend: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke, das erkennt meine Seele sehr wohl“ (Vers 14). Wir waren eins – eins mit unserer wahren Quelle, unserem wahren und einzigen Herrscher, Gott, und Seiner alleinigen Schöpfung. Wir liebten unseren Nächsten wie uns selbst, und zwar so, wie Christus Jesus uns geliebt hat. Die Gesetze der Regierung wirkten sich nicht auf unsere Fähigkeit aus, andere zu lieben. Wir waren frei!
