Als Teenager habe ich mir im Sommer einmal eine schmerzhafte Knöchelverletzung zugezogen. Meine unmittelbare Sorge war die bevorstehende Football-Saison, denn ich wusste, dass Verstauchungen Wochen oder gar Monate brauchen können, um zu verheilen, und ich war nicht mal sicher, ob der Knöchel nicht sogar gebrochen war.
Ich bat eine Praktikerin der Christlichen Wissenschaft um metaphysische Behandlung durch Gebet und betete auch selbst. An jenem Abend bekam ich beim Beten eine plötzliche, tiefe Überzeugung, dass meine wahre Identität geistig ist und somit keine Verletzung jeglicher Art erleiden kann. In diesem Augenblick verschwanden die Schmerzen, und die erhebliche Schwellung und die Verfärbung ließen sichtlich nach. Ich konnte wieder unbehindert und schmerzfrei laufen.
Ich muss nicht weiter betonen, dass mir diese Heilung seitdem von großem Wert gewesen ist. Doch ich habe im Lauf der Jahre auch über meine Reaktion darauf nachgedacht. Ich hätte sagen können: „Wow! Was für ein wundervolles, bemerkenswertes Geschenk die Christliche Wissenschaft ist! Ich werde hingebungsvoller sein, doppelt so viel in dieser herrlichen Wissenschaft forschen und ein besserer Heiler für mich und andere sein.“ Stattdessen sagte ich: „Super! Jetzt kann ich wieder Football spielen!“ Und das tat ich.
Ich komme noch auf diese Heilung zurück, doch wenden wir uns erst einem damit verbundenen Thema zu – geistigem Wachstum bzw. geistiger Umwandlung. Der Apostel Paulus gibt den Christen in Rom einen wichtigen Rat: „Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern verändert euch durch die Erneuerung eurer Gesinnung, damit ihr prüfen könnt, was der gute, wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist“ (Römer 12:2).
Einer der überzeugendsten biblischen Berichte einer Charakterumwandlung ist im 1. Buch Mose enthalten. In seinem ereignisreichen Leben war Jakob einmal mit einer Krise konfrontiert, bei der er erkannte, dass er radikale Veränderungen vornehmen musste. Während einer schlaflosen Nacht rang er mit einem „Mann“, den die meisten Kommentatoren als Engel Gottes interpretieren. Die Sonne ging auf, und der Engel versuchte zu gehen, doch Jakob sagte: „Ich lasse dich nicht gehen, es sei denn, du segnest mich.“ Daraufhin gab der Engel ihm den neuen Namen Israel, segnete ihn und verschwand (siehe 1. Mose 32:25–31).
Mary Baker Eddy gibt uns im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, eine Auslegung dieser Geschichte. Sie erklärt, dass Jakob in Wirklichkeit „mit der sterblichen Auffassung kämpfte, Leben, Substanz und Intelligenz existierten in der Materie mit ihren falschen Freuden und Leiden“ (S. 308), und dass der Engel – Engel werden im Glossar von Wissenschaft und Gesundheit u. a. als Gedanken von Gott definiert, die zum Menschen kommen (siehe S. 581) – erschien, um ihm bei diesem Kampf beizustehen. Mrs. Eddy sagt ferner, dass Jakob nicht von dem Engel abließ, „bis sein Wesen umgewandelt war“. Jakob wollte nicht nur das gegenwärtige Problem (so schlimm es auch war) gelöst bekommen, sondern er wollte eine „Erneuerung [seiner] Gesinnung“ – eine Umwandlung seines Charakters. Und die Bibel verdeutlicht, dass er genau das erhielt, wie durch seinen neuen Namen symbolisiert wurde.
Zurück zur Heilung meines Knöchels. Rückblickend ist ziemlich klar, dass ich damals im Gegensatz zu Jakob nicht sonderlich an einer Umwandlung meines Wesens interessiert war. Ich wollte geistigen Fortschritt – aber nicht zu viel! Ich wollte gerade genug, um meine Aktivitäten fortzusetzen und meine eigenen wertvollen Pläne und Wünsche zu verfolgen.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Es ist absolut in Ordnung, geheilt werden zu wollen. Viele Menschen, die sich an die Christliche Wissenschaft wenden, wünschen sich Abhilfe von einer Art Leiden, und bleiben bei ihr, weil sie diese Abhilfe erhalten. Doch wenn wir ein regelmäßiges Studium und die Praxis der Christlichen Wissenschaft fortsetzen, werden wir erkennen, dass ein Wunsch nach Heilung uns begrenzen kann, wenn wir Heilung nur als die reine Behebung eines Problems betrachten. Das liegt daran, dass wir uns umso weniger darauf konzentrieren, was Gott uns sagt, je mehr wir auf das fokussiert sind, was die körperlichen Sinne uns mitteilen. Und was Gott uns sagt, ist immer die Wahrheit, die einzige Wahrheit über uns und die Situation, in der wir uns befinden. Ja, Gott ist Wahrheit, und Wahrheit ist immer gut und immer geistig, denn Gott ist auch Geist (siehe Johannes 4:24).
Der Bedarf an geistiger Umwandlung ist somit nicht etwas, das Gott uns auferlegt, wie wenn ein Professor Prüfungen abnimmt oder ein Feldwebel Rekruten durch einen Hindernisparcours schickt. Vielmehr ist sie das natürliche Ergebnis der unveränderlichen Wirklichkeit von Gottes Güte und der Erkenntnis unserer wahren Identität als Ausdruck dieser Güte. Egal, wie unser Leben oberflächlich gesehen zu laufen scheint, machen wir keinen Fortschritt, solange unser Fortschritt nicht geistig ist. Sonst treiben wir nur dahin, augenscheinlich ohne Verankerung in dem, was substanziell und wahr ist. Und je schneller wir dies berichtigen, indem wir uns geistigem Wachstum zuwenden, desto besser.
Dieses Wachstum kann viele Formen annehmen. Es kann (wie bei Jakob) echte Reue für Missetaten anderen gegenüber und eine Verpflichtung zu Entschädigung sein. Es kann Vergebung von etwas sein, das uns angetan worden ist; das Erlangen einer tiefen Anteilnahme an Menschen in Not; das Loslassen tief gehegter Wünsche, denen wir entwachsen sind; das Überwinden von unerwünschten Charaktereigenschaften wie Sturheit oder Übellaunigkeit und stattdessen Eigenschaften wie Demut und Freundlichkeit; oder einfach ein Wachsen im Glauben an Gott und Seine Allheit und Güte. Dies sind nur einige Beispiele, und wenn wir uns selbst ehrlich prüfen, werden wir sicher erkennen, dass es keinen Mangel an Wachstumschancen gibt!
Mit klarerem Verständnis fangen wir an, Heilung als geistige Umwandlung statt als ein reines Beseitigen von Schwierigkeiten zu betrachten, und das Ziel unserer Gebete wird Umwandlung werden. Das natürliche – und unvermeidbare – Ergebnis unserer Gebete ist dann ein gesünderes, sinnvolleres und produktiveres Leben, selbst wenn dies nicht unser Hauptziel ist. Diese Umwandlung findet nicht auf einmal statt, sondern nach und nach. Selbst nach seiner Nacht des Kampfes mit dem Engel musste Jakob andere Schwierigkeiten überwinden, die jeweils weiteres geistiges Wachstum erforderten. Umwandlung ist eine beständige, lebenslange Anstrengung, doch sie ist nötig und unumgänglich – und äußerst lohnenswert.
Es ist nicht immer leicht, geistiges Wachstum anzustreben, wenn wir eine große Herausforderung zu meistern haben, ob körperlicher oder sonstiger Art. Furcht, Schmerzen, Verwirrung und emotionaler Aufruhr wollen alle unsere Aufmerksamkeit, und wir sehnen uns verständlicherweise nach Abhilfe. Doch wir können immer Gott demütig fragen, wo Wachstum erforderlich ist. Wir können Umwandlung anstreben; ja, wie Jakob können wir darauf bestehen. Wenn wir über unsere unmittelbaren Probleme hinaussehen und an unseren „Engeln“ – den geistigen Botschaften, die Gott uns beständig schickt – festhalten, bis wir umgewandelt sind, werden wir auch Heilung erlangen, denn Umwandlung ist Heilung, und Heilung ist Umwandlung.
