Kari hatte sich sonst immer sehr auf Omas Besuch gefreut. Sie sammelte dann ihre besten Puppen und Lieblingsbücher zusammen, ordnete sie sorgfältig an und wartete auf den wunderbaren Augenblick, wenn die Oma mit in ihre Spielwelt eintauchen konnte.
Doch diesmal war Kari gar nicht froh, dass die Oma kam. Ihre Mutter war überrascht, besonders als Kari dann noch Sachen über ihre zweijährige Kusine Michelle sagte, die wirklich nicht sehr nett waren. Karis Augen füllten sich mit Tränen, und dann flüsterte sie ihr ein sehr trauriges Geheimnis zu: Sie hatte Angst, dass Michelle sie ersetzt hatte und dass Kari keinem mehr so wichtig war.
Die Oma kam an, bevor Kari und ihre Mutter über diese Befürchtung sprechen konnten. Kari erzählte der Oma traurig, dass alle ihre Puppen weggelaufen waren. Oma nahm sie zärtlich in den Arm. Sie sagte, wenn die Puppen gerade nicht da seien, könnten sie und Kari vielleicht zusammen ins Kunstmuseum gehen. Kari wurde gleich ein wenig fröhlicher, und so fuhren sie los.
Der Besuch im Kunstmuseum machte Kari viel Spaß. Besonders die Meisterwerke, die Blumen, Berge, Bäume, Bäche, Vögel und Kinder zeigten, gefielen ihr. Als die Oma sie zu Hause absetzte, wollte Kari der Mutter genau von den Gemälden erzählen, doch plötzlich hielt sie mit einem Seufzer inne.
„Jetzt wird Oma wohl nur noch mit Michelle ins Kunstmuseum gehen. Michelle ist ja so süß und lustig.“
Während Kari und Oma im Museum waren, hatte die Mutter gebetet und Gott gefragt, wie sie Kari helfen könne. Jetzt hatte sie eine Idee.
„Kari“, sagte sie, „lass uns mal an diese schönen Bilder denken. Denk mal an die Farben, die Gärten, die Berge, die Vögel und die Kinder. Diese Bilder sehen sich viele Leute gern an, weil sie so viele interessante Ideen wiedergeben. Das ist der Grund, warum die schönsten Gemälde als Meisterwerke betrachtet werden. Hast du mal daran gedacht, dass du auch ein Meisterwerk bist?“
„Ich?“, fragte Kari. „Aber von mir ist doch kein Bild in dem Museum.“
„Nein“, sagte die Mutter, „aber ein Meisterwerk ist ein wichtiges Kunstwerk, das ein sehr talentierter Künstler mit Sorgfalt gemalt hat. Ich finde, dass der Künstler, der dich geschaffen hat, ganz besonders talentiert sein muss.“
„Mag sein, doch selbst wenn ich ein Meisterwerk bin, denkt Oma, dass Michelle ein besseres Meisterwerk ist als ich.“
„Ich glaube, ich weiß, wie du auf diese Idee gekommen bist. Du bist auf die Lüge hereingefallen, dass Michelles Künstler besser ist als deiner. Aber ihr wurdet beide von genau demselben Maler geschaffen! Weißt du noch die Gemälde von Monet, die du heute gesehen hast? Sie wurden alle vom selben Maler gemalt, der immer wieder neue und wunderschöne Ideen über die Blumen in seinem Garten hatte. Jedes Bild ist fantastisch, auch wenn sie sich alle voneinander unterscheiden. Jedes ist ein Meisterwerk.
Der Künstler, der dich und Michelle erdacht hat, ist so von Ideen erfüllt, dass er euch beide braucht, um Seine Gedanken auszudrücken. Ja, Er hat so viele wunderbare Gedanken, dass Er jeden einzelnen von uns braucht.“
„Du meinst wirklich Gott, nicht?“ Kari hatte von klein auf die Sonntagsschule besucht und kannte den Bibelvers, der sagt: „Und Gott sagte: ‚Lasst uns Menschen machen nach unserem Bild, uns ähnlich‘“ (1. Mose 1:26).
Die Mutter lächelte und sagte: „Ganz richtig!“
„Ach so, dann ist das Bild Gottes wie ein Gemälde?“
„Genau, wie eine Abbildung Seiner Gedanken.“
„Also hat Gott, mein Maler, mich speziell als Abbildung Seiner Gedanken erschaffen!“
„Stimmt! Und je besser du deinen Maler kennst, desto besser kennst du dich selbst. Gott zeigt dir, dass du ein Meisterwerk bist, indem Er dir immer etwas Neues und Wunderbares über dich sagt, wenn du Ihm zuhörst. Er sagt dir morgens, mittags und abends immer nur Gutes!“
Kari fühlte sich gleich besser, als sie daran dachte, dass Gott ihr ständig etwas Gutes sagt. Dann kam ihr ein neuer Gedanke. „Wenn Gott immer mit mir redet, dann muss Er Michelle auch immer etwas Gutes über sie sagen. Sie kann mich nicht ersetzen, denn es gibt in jedem Rahmen nur Platz für ein Meisterwerk!“ Da wurde Kari wieder fröhlich. Es machte viel mehr Spaß, sich Michelle in ihrem ganz eigenen Bilderrahmen vorzustellen. Ja, Kari dachte, dass Michelle auch wirklich ganz schön süß war.
Als Oma und Opa ein paar Jahre später woanders hinzogen, machte es Kari und Michelle viel Vergnügen, sie zusammen zu besuchen. Kari hat festgestellt, dass alle Gotteskinder Seine Meisterwerke sind. Und das schließt dich mit ein!
