Ich hatte beschlossen, die Mönchsgelübde abzulegen. Ich hatte mich damit abgefunden, dass ich nicht mehr lange leben würde, und verbrachte meine Tage mit andächtigem religiösem Meditieren. Das gab mir Kraft und einen immer tieferen inneren Frieden – trotz meiner schlechten körperlichen Verfassung.
Früher war ich Skilehrer und ein erfolgreicher Geschäftsmann gewesen. Ich hatte zwei kleine Firmen besessen und Skireisen und Sommerkurse organisiert. Es war ein langer Weg von dort bis zu meiner Registrierung als Körperbehinderter. Ich war mit meinen eigenen Worten „ein hoffnungsloser Fall“.
Als Kind litt ich an einer Knochenkrankheit, die zur Folge hatte, dass ein Bein kürzer als das andere und mein Rückgrat verkrümmt war. Doch das hielt mich nicht davon ab, in meiner Kindheit aktiv Sport zu treiben. Ich spielte Fußball und Tennis, surfte und fuhr Rad. Nach dem Schulabschluss blieb ich weiter sportlich aktiv.
1995 begann ich plötzlich Gewicht zu verlieren. Die Ärzte hatten keine Erklärung dafür. Viele Monate lang musste ich mich Untersuchungen und Behandlungen mit Medikamenten unterziehen. Schließlich kamen die Ärzte zu dem Schluss, dass ich an einem Reizdarmsyndrom litt. Ich konnte gewisse Lebensmittel nicht vertragen. Ich litt auch an chronischem Erschöpfungssyndrom. Die Rücken- und Nackenmuskeln waren verkümmert, was die Schwäche in meinem Nacken, verursacht durch die Rückgratverkrümmung, freilegte. Ende 1997 wog ich nur noch ca. 48 kg. Ich konnte keine Nahrungsmittel mehr vertragen außer gekochtem braunem Reis und rohem geraspeltem Gemüse. Ich litt regelmäßig an Nackenverrenkung und war ans Bett gefesselt.
Dann sah ich im Frühjahr 2001 ein Poster, das einen Vortrag im Ort ankündigte. Es ging um eine Frau, von der ich noch nie etwas gehört hatte: Mary Baker Eddy. Ich konnte nicht verstehen, warum mir der Gedanke daran nicht aus dem Sinn ging. Ich hatte weder eine Verbindung zu dieser Frau, noch Interesse an ihr und auch nicht den Wunsch, etwas über sie zu erfahren, ganz abgesehen davon, dass der Vortragssaal für mich als Behinderten schwer zugänglich war. Doch der Gedanke ließ mich einfach nicht los. Er ging mir immer wieder durch den Kopf. So entschied ich mich letztlich, den Vortrag zu besuchen.
Langsam, mühsam und mit Geduld konnte ich den Vortragssaal erreichen. Ich war erschöpft und hatte ziemlich starke Schmerzen.
Was ich hörte, beunruhigte mich. Ich hörte die Worte Heilige Schrift. Als Junge hatte ich mich unter Leuten, die sich mit der „Heiligen Schrift“ befassten, sehr unbehaglich gefühlt. Ich hörte auch oft das Wort Heilung. Ich hatte viel Geld für alle möglichen alternativen Heilweisen oder Naturheilmethoden ausgegeben, von Akupunktur bis Zonentherapie und vieles mehr. Ich war nicht zu diesem Vortrag gekommen, um Heilung zu finden. Mein Interesse ließ schnell nach.
Die folgenden Worte aus Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy wurden erwähnt: „Gott ist zugleich der Mittelpunkt und der Umkreis des Seins“ (S. 203-204). Jetzt hatte die Vortragende meine Aufmerksamkeit geweckt! Mir kam sofort der Gedanke: „Wie in aller Welt kann Gott ‚der Mittelpunkt und der Umkreis‘ dieses Seins sein? Dieses Seins mit all seiner Krankheit, seinen Schmerzen und deformierten Knochen?“
Ich erinnere mich auch, gehört zu haben, dass Gott „das Gute“ bedeutet und dass dieses „Gute“ jederzeit allen Raum erfüllt. Darüber wurde ich ärgerlich. Was war schon „gut“ an all dem, was ich all diese Jahre gelitten hatte? Was war „gut“ daran, als Körperbehinderter registriert und mit 35 Jahren unheilbar zu sein? Ich war wütend und gab mich einer Tirade aufgebrachter Gedanken hin.
Doch plötzlich änderte sich etwas. Ich wurde innerlich völlig ruhig. Ich merkte, dass die Schmerzen nachließen, zuerst im Magen, dann im Nacken und dann in den Knien. Ich hatte das Gefühl, als ob ich nicht mehr in einem unterernährten, verkrümmten, schmerzenden Körper eingesperrt war. Ich kam mir vor wie ein losgelöster schweigender Beobachter, der Zeuge einer zunehmenden Beschwerdelosigkeit wurde, die die ständigen Gefühle von Schmerz und Krankheit ersetzte. Wie ein Eiswürfel, den man auf einer warmen Fensterbank liegen lässt, langsam schmilzt und seine Form verändert, so schmolzen langsam die Schmerzen und die Versteifung und veränderten mein Inneres – lösten mich von der Versteifung, die mich so viele Jahre lang gefangen gehalten hatte. Ich war fassungslos.
Die einfachen Wahrheitsgedanken hatten meinen schmerzenden Körper verändert und ich verspürte eine fast empfindungslose Leichtigkeit. Was dann geschah, schockte mich. Ich verließ den Vortragssaal mit großen, forschen Schritten, Kopf und Brustkorb erhoben, ohne Schmerzen, Erschöpfung oder Behinderung. Ich lief die ganze Strecke nach Hause – etwa anderthalb Kilometer – und erreichte meine Wohnung mit überströmender Freude und Verwunderung darüber, was mit mir geschehen war.
In der Nacht schlief ich wie ein kleines Kind und wachte früh am Morgen mit dem Gedanken auf, dass Gott gut ist. Gott war wirklich „der Mittelpunkt und der Umkreis“ meines Seins. Ich erinnerte mich an andere Gedanken, die am Vorabend im Vortrag erörtert wurden. Da war die Stelle aus dem ersten Buch Mose: „Gott schuf den Menschen nach seinem Bild“ (1. Mose 1:27). Und der Vers: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und sieh, es war sehr gut“ (1. Mose 1:31).
Als ich aus dem Bett stieg, erlebte ich meine nächste Überraschung. Ich stand ganz gerade und aufrecht, ohne das übliche Gefühl, eine schiefe Hüfte zu haben, weil meine Beine unterschiedlich lang waren. Während ich das Ganze noch zu begreifen versuchte, hörte ich die Worte: „Wir müssen uns radikal auf Gott verlassen, um das Gute zu erleben.“ Ich war mir nicht bewusst, diese Worte im Vortrag gehört zu haben. Sie kamen mit solcher Bestimmtheit, dass ich nicht an ihrer Gültigkeit zweifelte. Ich fühlte mich auf der Stelle veranlasst, alle Spezialeinlagen aus meinen linken Schuhen herauszunehmen.
Dann hatte ich das überwältigende Verlangen, einkaufen zu gehen und mir alle Zutaten für ein normales Frühstück zu kaufen, wie Tee, Zucker, Milch, Getreideflocken, Brot, Butter und Honig. Sechs Jahre lang hatte ich keins dieser Lebensmittel essen können. Ich aß ein wunderbares „normales“ Frühstück ohne irgendeine negative Reaktion oder Spur von Unverträglichkeit. Eigentlich sah ich all das gar nicht als schockierende Veränderungen an, sondern einfach als Rückkehr zur Normalität. Und ich dachte nur, ich sollte mehr und mehr davon erwarten.
Zwei Tage später ging ich zu Fuß zu meinem ersten christlich-wissenschaftlichen Gottesdienst. Ich begann Wissenschaft und Gesundheit mit Hilfe der wöchentlichen Bibellektionen aus dem Vierteljahresheft der Christlichen Wissenschaft regelmäßig zu studieren.
Innerhalb von vier Wochen hatte ich fast 25 kg zugenommen. Ich konnte jede Art von Nahrungsmittel essen und verdauen. Ich lief jeden Tag mehr als drei Kilometer und nahm das Radfahren, Wandern und Schwimmen wieder auf. Ich fühlte mich wie neugeboren und fing ein neues Leben an. Mir war bewusst, dass mein Leben von Gott kommt und mir nicht genommen werden kann. Es konnte nicht auf irgendeine Art beeinträchtigt oder von materiellen Umständen abhängig sein.
Ich war ohne Erwartungen zu einem Vortrag der Christlichen Wissenschaft gegangen und verließ ihn ohne Behinderung. Ich hatte lebenslange Freiheit gewonnen.
Phillip Hockley
Farningham, Kent, England
