Kurz vor Weihnachten des Jahres 1900 kam eines Tages tränenden Auges ein Freund zu uns mit der betrübenden Nachricht: „Wenn ihr noch einmal meine Frau sehen wollt, so kommt bald zu uns; denn nach dem Ausspruche der Ärzte wird in den nächsten Tagen die Auflösung erfolgen. Es ist keine Rettung für sie mehr möglich.” Meine Frau besuchte darauf die befreundete Familie, besonders um die Kinder der schwerkranken Frau in ihrer Trübsal zu trösten und zu erheben.
Nach dem Krankenbesuche kam meine Frau zu einer anderen Freundin unseres Hauses. Diese nahm den Zustand der Erregung wahr, und nach Rede und Gegenrede sagte meine Frau: „Weißt du nicht, wie man der Armen Hilfe bringen kann? Es ist doch tiefschmerzlich für eine Familie, wenn kurz vor Weihnachten der bittere Tod seinen Einzug hält.” Nach einigem Sinnen erinnerte sich die Freundin eines Briefes, den sie vor einigen Tagen aus Dresden erhalten und der von einer herrlichen Rettung aus schwerer Krankheit berichtet habe. Meine Frau las den Brief und erfaßte den Gedanken sogleich. Sie ging sofort zu meinem Freunde und brachte ihm die Botschaft von der Möglichkeit einer Hilfe — durch Christian Science. Der Freund nahm das Anerbieten dankbar an und übertrug zunächst meiner Frau die Leitung der ganzen Angelegenheit.
Ein Eilbrief erreichte eine Dresdener Heilerin noch um Mitternacht — es war eines Donnerstags. Am folgenden Freitag früh erhielt meine Frau das Telegramm: „Behandlung begonnen, Brief folgt.” Mit welcher Spannung wir der Dinge, die da kommen sollten, entgegen sahen, vermag ich nicht in Worte zu fassen. Als wir uns Freitags nach dem Befinden der Kranken erkundigten, erhielten wir zur Antwort: „Merkwürdig, es ist in den fast toten Körper neues Leben gekommen.” Die Besserung schritt langsam aber stetig vorwärts. Nur wenn der Hausarzt kam, der noch als Freund die Kranke besuchen durfte, trat ein Stillstand ein, und ein Hindernis für die Heilerin bildeten die leisen Zweifel, der die kranke Mutter umgebenden Kinder.
Die seit Jahren kränkliche, dahin siechende Frau ist heute gesund; der Blutumlauf ist vollständig umgebildet; sie hat rote Backen bekommen, kann sich wieder freuen und dankt Gott und auch der unermüdlichen Heilerin.
Das war uns der erste herrliche Beweis von der Wahrheit der Christian Science. Der Psalmist, der sich geborgen wußte unter dem Schutze des Herrn singt: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt, und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.” Es ist die alte Wahrheit, oft gehört und oft vergessen. „Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut, der hat auf keinen Sand gebaut.” Der Schild des wahren Glaubens ist das Wort der Wahrheit, das Schirmdach des Herrn, Seine allgegenwärtige Liebe und Gnade. Im Hangen und Halten an Gottes Allmacht und Allweisheit, im Trauen und Bauen auf Seine Liebe und Güte, durch Gebet und Arbeit im Geiste wollen wir alle Furcht und Verzagtheit überwinden. Unsere Herzen sind befriedigt, voll Zuversicht und Freude; getrost schreiten wir als gute Streiter Christi voran; wir wissen: „Gott ist Liebe.”
Bautzen, Sachsen, Deutschland.
