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Die Bemühung, recht zu lieben.

Aus der Juli 1904-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die Liebe ist das Thema, welches die Gedanken der Menschen unaufhörlich beschäftigt, der Gegenstand von Gesang und Erzählung; aber was unter diesem Namen erscheint, ist nicht immer Liebe. Die sterblichen Menschen haben dieselbe in ihrer Vorstellung mit einem materiellen Wesen bekleidet und zu einem persönlichen Gefühl herabgezogen; und so kann sie ihnen zum Segen oder zum Fluch, zum Himmel oder zur Hölle werden Diese falsche Auffassung von dem wirklichen Wesen und Wirken der Liebe, dies Versenken des göttlichen in das Tierische, hat den Frieden und das Glück der Menschheit in furchtbarer Weise untergraben und zerstört. Die Liebe, als rein geistige Eigenschaft und Errungenschaft angesehen und geschätzt, würde viel dazu beitragen, das Menschengeschlecht von seinen ungesunden Neigungen und seiner niedrigen Auffassung von Sittlichkeit zu befreien.

In dem Verhältnis, in welchem dieser geistige Begriff der Liebe mit ihrer selbstlosen, schrankenlosen Tätigkeit verloren gegangen ist, sind die Sterblichen von dem hohen Ideal, welches der Mensch darzustellen bestimmt ist, herabgesunken zur Verkörperung alles dessen, was demselben ungleich ist. Mit dem Abweichen von diesem gottgleichen Verkehr unter einander, von brüderlicher Sympathie und Liebe, machte sich das Bedürfnis nach einer Religion geltend, welche die Menschen zurückführen würde zu dem göttlichen Geisteszustand, in welchem die Liebe über alles herrscht, und alle Menschen Brüder sind. Aus diesem Bedürfnis entsprang eine große Anzahl religiöser Glaubensformen; aber diejenige ist der Wahrheit immer am nächsten, welche das meiste Gute enthält und ihren Anhängern die größte Liebe und Wohlwollen einflößt. Die Unzulänglichkeit vieler derselben zeigt sich jedoch in der Heftigkeit böser Leidenschaften in der menschlichen Natur; andrerseits deutet dies auf die Tatsache hin, daß die Menschen es vernachlässigt haben, die Rettungsleitern, die zu ihnen hinabgelassen wurden, zu benutzen.

Jesus legte in seiner Lehre einen besonderen Nachdruck auf die Notwendigkeit der Liebe; ohne Liebe ist es unmöglich ein Christ zu sein; der Apostel Johannes macht die Liebe zum Kennzeichen des Christen. So können wir die Wichtigkeit der christlichen Liebe nicht überschätzen, denn sie ist das Lebenselement aller Religion und Ethik.

Das Christentum würde schnellere Fortschritte gemacht haben, und mehr göttliche Macht besitzen, wenn dieses Gebot Jesu nicht vergessen und vernachlässigt gewesen wäre. Der Geist, welcher die verschiedenen Parteien der christlichen Welt zu gegenseitigem Haß und Verfolgung verleitete, und heute innerhalb der Kirchengemeinden Streitigkeiten erregt, ist nicht der Geist des Christus, sondern des Beelzebub. Ein glänzender Hoffnungsstrahl in diesem neuen Jahrhundert zeigt sich in dem zunehmenden Verlangen unter den Christen aller Konfessionen, den Streit über bloße Lehre zu endigen, und sich in der gemeinsamen Liebe für Gott und die Menschen zu vereinigen.

Wir alle wünschen für unsere Freunde liebenswerter und für unsere Feinde weniger anstößig zu werden. Wie können wir das erreichen, wenn wir nicht selber geben, was wir zu empfangen hoffen? Unser eigenes Lieben macht uns liebenswert und entwaffnet die Feindseligkeit anderer. Die Sehnsucht nach Liebe ist das allgemeine Bedürfnis der Menschen; denn wer kann ohne Liebe leben? Nichts kann ihren Verlust oder ihre Abwesenheit ersetzen. Das menschliche Herz, der Liebe beraubt, würde wie eine entwurzelte Pflanze verdorren. Weshalb sollten also die Menschen dessen entbehren, welches in solcher Fülle existiert, wenn der Grund der Armut nicht darin läge, daß sie besitzen wollen, ohne zu geben? Viele von uns leben in den unterirdischen Kellern der Selbstsucht, wo nichts als unsere Trägheit uns hindert, in den lieblichen Sonnenschein selbstlosen Liebens empor zu steigen. Der Mensch, welcher seinen Bruder wirklich haßt, hat es nicht mehr nötig zu lieben als wir, die wir vielleicht so mit uns selber beschäftigt sind, daß wir die Bedürfnisse und Rechte anderer vergessen. Der gehässige und rachsüchtige Mensch ist dem Verlangen nach einem freundlicheren, liebevolleren Herzen vielleicht ebenso nahe, als sein lauwarmer Bruder, der in seinen eigenen selbstsüchtigen Träumen befangen ist.

Obgleich die Liebe in ihrer göttlichen, geistigen Natur und Tätigkeit ein ungehindert freier Trieb ist, und ohne Anstrengung glüht, so können die Sterblichen, welche in dem Bewußtsein der Entfremdung von Gott leben, und den Menschen als materiell anstatt geistig ansehen, doch dieses himmlische Bewußtsein nicht ohne Anstrengung erlangen. Das Verlangen zu lieben kommt ohne Mühe und Opfer, aber die Erfüllung dieses Verlangens bedingt die Überwindung von Leidenschaften und selbstsüchtigen Trieben. Jesu Liebe für andere brachte ihn ans Kreuz, und von vielen wurde seine unschätzbare Gabe verachtet. Zu lieben, wie Jesus liebte, wird den Menschen viel Kampf, Wachen und Beten kosten; aber der Meister sagte: „Das ist mein Gebot, daß ihr euch unter einander liebet, gleich wie ich euch liebe.” So zu lieben sollte das Ziel unserer täglichen Arbeit und Strebens sein; es mag ein rauher Weg sein, und für einen selbstsüchtigen Sinn das Kreuz bedeuten, aber kein anderer Weg führt zum Himmel.

Unsere Freunde zu lieben ist leicht, denn das Herz schlägt ihren liebenswürdigen Eigenschaften ohne Anstrengung entgegen, und für die Menschheit im allgemeinen mögen wir vielleicht eine Art negativer Zuneigung empfinden; aber keins von diesen Gefühlen ist die Liebe, welche wir gewinnen müssen, auf die sich der Apostel Johannes bezog als er schrieb: „Wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott.” Das Lieben von Personen hängt zu sehr von dem ab, was wir durch die Sinne wahrnehmen, und kann daher nicht jene göttliche innere Kraft sein. Das Lieben und Hassen von Personen sind beide das Erzeugnis menschlicher Vorstellung und stellen den wandelbaren und launenhaften Charakter aller sinnlichen Ideale dar. Daher sollten unsere Bemühungen zu lieben sich nicht auf die Pflege und Erweiterung von rein persönlicher Zuneigung richten, sondern auf den Besitz jenes geistigen Bewußtseins, in welchem unsere Liebe, das Ebenbild der göttlichen, wie der Duft der Blumen, sich auf alle ausgießt, die empfänglich dafür sind.

Unseren Bemühungen dieses Ideal zu erreichen, setzt sich der Glaube an ein abstoßendes, gefallenes Menschentum, welches nicht aus Gott, der göttlichen Liebe, hervorgeht, entgegen. Das Aufgeben dieses Glaubens ist die Tür zum göttlichen Lieben. Um die Liebe widerzuspiegeln, die unser Meister besaß, müssen wir den Menschen so sehen, wie er ihn sah, nicht als sündigen Sterblichen, sondern als Kind Gottes, herrlich und schön. Der persönliche Zustand des Sterblichen, so widerwärtig er auch sein mochte, stieß Jesus nicht ab, denn für ihn war dies nur die Lüge über den Menschen, welche die Wahrheit und Liebe entfernen würden. Auch sollten wir nicht versuchen, ein menschliches Gefühl von Liebe mit der Lage und Umgebung, in der wir uns befinden auszusöhnen, denn dies ist nicht die Erfüllung des Christusideals von universeller Liebe. Was auch immer die unparteiische Tätigkeit der geistigen Liebe hindert, müssen wir entfernen. Gedanken von Unfreundlichkeit, Wiedervergeltung, Ärger, Hochmut, Habsucht, Anstoß nehmen an den Worten und Handlungen anderer, Verdacht, Haß u. s. w. werden, wenn wir ihnen nachgeben, in uns ein Ebenbild des Bösen schaffen, welches keine Liebe widerspiegeln kann. Alles, was uns nicht liebender und liebenswerter macht, verhüllt in uns und andern den Christusmenschen, den wir ans Licht bringen sollten.

Die Liebe ist nicht ein sinnliches Gefühl, auch wird sie nicht beeinflußt durch das Anziehende und Abstoßende, welches wir in der materiellen Auffassung von Personen und Dingen wahrnehmen. Die Liebe ist der göttliche Geist (Science and Health, S. 96), und lieben heißt geistig leben. Die Bemühung recht zu lieben hat zur Bedingung, daß wir den Glauben, daß irgend etwas hassenswertes oder abstoßendes aus Gott hervorgehen kann, aufgeben.

Es wird nicht von uns verlangt, daß wir widerwärtige, kleinliche und böse Personen lieben sollen, sondern daß wir die Liebe in uns widerstrahlen lassen, welche nichts Böses sieht, das abstoßen könnte. Wir können keine Gefühle von Zuneigung für andere hegen, so lange sie uns unangenehm oder böse erscheinen, denn darin läge das Anerkennen einer bösen Macht; während die Christusliebe alles, was den Menschen als etwas anderes als das Kind Gottes darstellt, entfernt.

Die Liebe existiert aus sich selbst heraus, und gleich der Sonne, strahlt sie ihre Wärme gleichmäßig nach allen Seiten hin aus. Unsere Aufgabe ist es, alles das zu entfernen, was in uns die Offenbarung des göttlichen Ideals hindert, dessen Leben, Geist und Tätigkeit Gott, die göttliche Liebe, und nichts anderes ist. Wenn wir dies tun, so werden unsere Herzen von einer unparteiischen geistigen Zuneigung, welche auf alle Menschen ihren heilenden Einfluß ausgießt, erglühen. Dies ist kein zu hohes Ideal für das tägliche Leben, denn lieben ist immer praktischer als hassen, und jeder Mensch kann Liebe geben. Dieses göttliche Geben wird ihn aus dem Verlangen nach irdischem Gewinn und dem Elend herausführen, und ihm die rechte Erkenntnis von Gott verleihen, „denn die Liebe allein .... versteht die Liebe.”

Das Erringen der Fähigkeit diese geistige Liebe zu betätigen ist ein Vorrecht des Christen, welches die Welt ihm niemals rauben kann. Das innerste Wesen des Lebens ist Liebe, und die Erkenntnis dieser Tatsache bedeutet die Beseitigung aller Furcht und Befreiung von allem Bösen. Diese himmlische Wirklichkeit erreichen wir durch das Wachstum und die Entwicklung des Denkens aus dem Gefühl der blos persönlichen Liebe für die, welche uns lieben, oder dem Verlangen nach persönlichem Glück, heraus zu dem weiteren Begriff des Seins, worin die Liebe liebt, weil es ihre Natur ist, und sie keine andere Tätigkeit kennt.

Dies ist meinem Verständnis nach Christian Science, wie Mrs. Eddy sie lehrt und beweist.

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