Von den Kritikern der Christian Science wird es häufig als Beweisgrund angeführt, daß die Christian Scientisten, wegen Mangel an technischer medizinischer Ausbildung, unfähig seien, eine richtige Diagnose der Krankheitsfälle zu machen, und daß es ihnen deshalb nicht erlaubt sein sollte, Kranke in Behandlung zu nehmen; doch wenn wir nach den vernunftwidrigen Widerreden und der Unbeständigkeit der sogenannten „sachverständigen Aussage” urteilen, die von Ärzten vor Gerichtsbehörden gemacht wurde, so könnte man einigen Mitgliedern der medizinischen Profession dieselben Beweisgründe vorwerfen.
Die Haltung der Christian Scientisten in betreff der Diagnose ist von Mrs. Eddy in unserem Textbuche erklärt: „Durch das Verständnis der geistigen Anatomie erkennt und behandelt der Christian Scientist die wirkliche Ursache der Krankheit. Der materielle Arzt tastet unter Phänomen umher, welche sich jeden Augenblick verändern, unter Einflüssen, die seine Diagnose nicht in sich schließen; also kann er straucheln und in der Finsternis fallen ”(„Science and Health,“ S. 462). Die Richtigkeit der Diagnose der Christian Scientisten ist durch die zahlreiche Heilung ihrer Patienten erwiesen.
„Zuverlässige Aussage” ist üblich bei Fällen, wo es sich um den gesunden oder ungesunden geistigen Zustand von Personen handelt, die der Gegenstand gerichtlicher Untersuchung sind; in diesen Fällen sind die sogenannten „Sachverständigen” verschiedener Meinung. Männer, die verhältnismäßig gleich hohe Stellungen in der medizinischen Profession einnehmen, ziehen gänzlich verschiedene Schlußfolgerungen aus denselben Tatsachen. Dieser Sachverhalt ist schon so bekannt geworden, daß von Gerichten und Geschworenen „zuverlässige Aussage” weniger begünstigt wird als früher. Daß es beiden Parteien möglich ist, zahlreiche „Sachverständige” vorzuführen, deutet auf einen Mangel an wissenschaftlicher Grundlage der Meinungen, die eidlich ausgesagt werden, oder auf einen Mangel an individueller Fähigkeit von den angegebenen Tatsachen eine korrekte Meinung zu fassen. Unter solchen Umständen ist entweder die Praxis der Medizin oder der persönliche Praktiker der Kritik ausgesetzt.
Kürzlich wurde ein Fall in einer Zeitung beschrieben, wodurch die Zuversicht vermindert wird, die Einzelne bisher in die absolute Gültigkeit menschlicher Urteilskraft setzten, wenn solches Urteil von denen geäußert wird, die nie um eine Meinung verlegen sind. Der vorliegende Fall zeigt die Rücksichtslosigkeit und Widersinnigkeit einiger eidlich abgegebener Meinungen. Der „Sachverständige” in diesem Falle sagte aus, daß gewisse Personen, die er aller Wahrscheinlichkeit nach nie gesehen und die er sicherlich nie untersucht hatte, geisteskrank seien, und nicht weniger erstaunlich ist es, daß dieser Mensch vor Gericht solch Zeugnis ablegen durfte. Die besagten Personen standen durchaus in keiner Beziehung zu dem Gerichtsfall, und wenn diese Aussagen in gesellschaftlichem Verkehr anstatt auf dem Zeugenstand gemacht wären, so würden dieselben unzweifelhaft als ehrenrührig angesehen.
Dies soll jedoch durchaus nicht heißen, daß solche Praxis bei Ärzten üblich ist, denn wir haben alle Achtung vor der Gesamtheit gewissenhafter Männer und Frauen, die ihren Nebenmenschen nach bestem Vermögen dienen, Männer und Frauen, die ehrlich und erbarmungsvoll mit allen verfahren, selbst wenn sie deren Ansichten nicht teilen. Solche Ärzte wissen, daß ihre Konzession als Arzt zu praktizieren ihnen nicht die Freiheit gibt, ihre Nebenmenschen ohne Unterschied zu verurteilen, noch sind sie deshalb außer dem Bereich moralischer Verantwortlichkeit zur Gesellschaft.
