Es ist das ernstliche Verlangen eines jeden wahren Christian Scientisten, die geistige Bedeutung des Wortes „Liebe” zu verstehen, und es ist außerordentlich wichtig, daß wir von Tag zu Tag einen höheren, wahreren Begriff von der Liebe erlangen, und immer völliger ihre erhabene Macht zu beweisen vermögen. Die Frage, welche vielen, die aufrichtig das Licht suchen, entgegentritt ist diese: „Wenn Gott die Liebe ist, warum betrübt Er Seine Kinder und weigert sich, ihre ernstlichen Gebete um Befreiung von der Sklaverei der Sünde und des Leidens zu erhören? Warum werden Seine Segnungen so verschieden ausgeteilt, warum empfangen einige so wenig, während andere, die nicht würdiger sind, so reich gesegnet werden?”
Christian Science befreit uns von der falschen Vorstellung, daß Gott ein Rächer ist, welcher Seinen Kindern Heimsuchungen sendet. Sie offenbart die Unparteilichkeit und Unpersönlichkeit von des Vaters wunderbarer Liebe und stets wachsamer Sorge für Seine Kleinen. Gleichwie das alles durchdringende Sonnenlicht ebensowohl die elende Hütte erleuchtet wie den Palast, so leuchtet das ewige Licht der göttlichen Liebe allezeit für alle, selbst für das durch Sünde und Kummer getrübte Bewußtsein. Ist es nicht beglückend, zu wissen, daß Gott, die allmächtige Liebe, nicht verantwortlich ist für die Kämpfe des Menschen mit Sünde und Leiden? Daß Seine unwandelbare Güte es Ihm unmöglich macht, Kenntnis vom Bösen zu haben?
Christian Science zeigt uns die große Arbeit, die wir an uns selbst zu tun haben. Sie enthüllt uns das, was uns von der Wärme und dem Schutz der göttlichen Liebe ausschließt. Die Annahme, daß es Leben, Wesenheit und Intelligenz in der Materie gebe, fordert die Schlußfolgerung, daß es ein von Gott getrenntes Leben und Selbst geben müsse. Diese Annahme macht die Materie zu einer Wirklichkeit. Wenn wir volles Vertrauen auf materielle Mittel haben, um unsere Gesundheit zu erhalten, so scheidet uns dies von der Gegenwart der göttlichen Liebe. Unser Lehrbuch „Science and Health with Key to the Scriptures“ lehrt uns, daß der Mensch kein von Gott getrenntes Leben besitzt; es offenbart uns die Wirklichkeit des ewigen Lebens und die Tatsache, daß das Leben des Menschen „verborgen mit Christo in Gott” ist. Dieses Verständnis bringt uns Freiheit. Es vernichtet das falsche Selbst und lehrt uns, daß das Leben einfach das lebendige Gute, — die lebendige Liebe, ist, und wenn wir das Gute und die Liebe mit der Tat beweisen, so ist dies das ewige Leben.
Wenn wir zu einer unersättlichen Liebe zum Guten erwachen, so verlieren wir alle Freude am Bösen. Die Werke des Fleisches — Neid, Wetteifer und Streit — weichen den Früchten des Geistes, — der Liebe, der Freude, dem Frieden u. s. w. Wir sollten nicht nach dem falschen Sinn von Liebe verlangen, welcher uns blind macht gegen die zahllosen Irrtümer des Herzens, und welche uns in einen Zustand des Selbstbetruges versetzt, sondern wir sollten nach dem wahren Begriff von der Liebe verlangen, welche immerfort an dem rauhen Marmor der falschen Nachahmung des Menschen meißelt, und den Christus-Menschen in seiner Wahrhaftigkeit und Vollkommenheit enthüllt. Je nach dem Maße, wie die göttliche Liebe verstanden und bewiesen wird, beruhigt sie die Furcht, stillt den Schmerz, lindert den Kummer, ja, alle unharmonischen Zustände gehen unter in einem Frieden, „welche höher ist denn alle Vernunft.”
Die Christian Scientisten streben nach jener Liebe, die „rechnet das Böse nicht zu,” die vergißt sich selbst in der Liebe zu Gott und in der Arbeit für den Nächsten. Die Eigenliebe veranlaßt Streit. Selbstlose Liebe öffnet die Tür unseres Bewußtseins für die göttliche Liebe, welche die Kranken heilt, die zerbrochenen Herzen verbindet, und den Menschen in das Reich der Liebe auf Erden führt. Selbstlose Liebe verlangt nicht nach Anerkennung und Dankbarkeit der Sterblichen, sondern arbeitet weiter, unbelohnt, sicher in dem Bewußtsein, sich selber in dem Wirken für andere vergessen zu haben. Die Belohnung kommt von dem Vater des Lichts „bei welchem keine Veränderung statthat noch ein Schatten von Wandel” (Weizsäckers Übers.). Diese Belohnung ist ein befriedigtes Herz, Freude, daß wir Heilung und Glücklichkeit auf den mühsamen Leidenspfad der Kranken und Betrübten verbreiten können. Diese Freude wird allen zu teil, die in jener Liebe bleiben, „sie suchet nicht das Ihre, sie lässet sich nicht erbittern”; die Liebe „freuet sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freuet sich aber der Wahrheit.”
