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Entmutigung — ein Trug.

Aus der Mai 1905-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Da wir uns jetzt noch auf den Anfangsstufen unseres Studiums dieser unermeßlichen Wissenschaft des Daseins befinden und gerade erst lernen, wie die einfachen Wahrheiten des Seins zu erfassen sind, so bedürfen wir nach jeder Richtung hin der Ermutigung, denn unglücklicher Weise scheinen sich unseren Bemühungen auf Schritt und Tritt Einflüsterungen entgegenzustellen, die uns unser weiteres Streben als nutzlos zu erweisen suchen. Der Grund hierfür ist dieser: Wir haben uns so lange in dem Bann der Materie befunden, jede Einzelheit unserer Umgebung und Erfahrung in derselben erscheint unseren Blicken infolge der langjährigen Gewöhnung an die verkehrte Anschauungsweise so wirklich, daß es uns schwierig vorkommt unsere Blicke in die entgegengesetzte Richtung zu wenden. Wenn ein Schiff sich selbst überlassen wird, so wird es hilflos von Flut, Strom oder Wind fortgetrieben. Setzt man nun die Maschine in Tätigkeit und sucht den ungefügen Koloß zu beherrschen, so wird sich zeigen, daß derselbe nicht sofort bereitwillig dem neuen Antrieb gehorcht. Die Naturkräfte scheinen ihre Herrschaft nicht aufgeben zu wollen. Unter mächtiger Anspannung wird das Forttreiben allmählich verringert, bis das Fahrzeug sich schließlich unter dem Einfluß zielbewußter Führung bewegt. Schritt für Schritt bahnt es sich seinen Weg gegen den Strom, bis es den Hafen erreicht.

Dieses Bild ist vielleicht nicht in jeder Beziehung zutreffend, es stellt jedoch in ziemlich genauer Weise den Zustand dar, in welchem sich ein Sterblicher befindet, wenn er erwacht und sich hilflos von der Flut allgemeiner Vorstellungen und Anschauungen fortgetrieben sieht. Hier hat er gerechten Anspruch auf jede Ermutigung und Hilfe, die er finden kann. Vor allen Dingen muß er jederzeit die Zügel der Herrschaft über sich selber so sicher in der Hand haben, daß er durch die Tücken, durch welche der Trug von Leben und Intelligenz in der Materie seinen Fortschritt zu hindern sucht, nicht hintergangen wird. Der Christian Scientist muß ein erfahrener Logiker sein, im Besitze einer so klaren Denkkraft und Einsicht, daß er im stande ist jeden Trug aufzudecken. An dieser Eigenschaft fehlt es den Menschen vielleicht am meisten. Die Welt gibt sich meistens mit einer Logik von sehr untergeordnetem Werte zufrieden; sie berührt das Wesen einer Frage nur an der Oberfläche, anstatt tiefer in dieselbe einzudringen und dafür muß sie leiden. Bacon sagt, daß Schreiben den Menschen gründlich macht; wenn dies wahr wäre, so wäre es wünschenswert, daß wir alle Schriftsteller würden. Aber dem Schreiben liegt etwas anderes zu Grunde, welches Gründlichkeit im Menschen erzeugt. Unsere Denkmethoden müssen gründlicher und genauer werden, wenn wir für die Forschung in der Wahrheit tauglich sein wollen. Es wird uns berichtet: „Maria aber behielt alle diese Worte, und bewegte sie in ihrem Herzen.” Sie gab sich der Betrachtung der himmlischen Wahrheiten, die sich ihrem reinen Bewußtsein offenbarten, hin. So müssen wir alle tief nachdenken, und dieser Umgang mit dem Höchsten, dieses Trachten nach einer besseren Kenntnis des unwandelbaren Schöpfers und Seiner unwandelbaren Gesetze wird in einem jeden von uns einen klaren Blick entwickeln; und das Denken wird sich notwendigerweise nach dem Ebenbilde Dessen bilden, welcher für alle Ewigkeit der Inbegriff aller Wahrheit, Gesetzmäßigkeit und Vollständigkeit des Seins ist. Das Ebenbild Gottes kann nicht ein oberflächlicher Denker sein. Wenn das Denkverfahren, welches für die praktische Ausübung von Christian Science erforderlich ist, in rechter Weise geschätzt wird, so wird sich zeigen, daß dieselbe ihren Titel mit Recht führt, und die oberflächlichen Kritiken das Gebiet rechten Denkens kaum berühren.

Eine solche durchgebildete Fähigkeit gründlichen Denkens ist für den Christian Scientisten von hohem praktischem Werte; sie setzt ihn in den Stand Situationen zu durchschauen und Erscheinungen zu erklären, sie sichert ihn gegen die kleinen Täuschungen des sterblichen Geistes, welche immer viel gefährlicher sind, als die grell ins Auge springenden Übel. Wer hat z. B. nicht vorübergehend das Gefühl der Niedergeschlagenheit empfunden, wenn plötzlich ein Irrtum in jemand anders seinen Blicken sich enthüllte? Ich glaube, alle Christian Scientisten machen die Erfahrung, daß sie den schwächenden Einflüsterungen über die Fehler eines andern ihr Ohr leihen, als ob das Ende alles Guten und der Untergang des Menschengeschlechtes herbeigekommen wäre. Nichts ist so niederdrückend als einen Gegenstand seiner Verehrung fallen zu sehen, wenn derselbe nur in unseren Gedanken aufgebaut war. Aber das Gefühl der Enttäuschung über die Personen ist ein günstiges Vorzeichen für das Erwachen jenes geistig wissenschaftlichen Bewußtseins, welches nur in Dingen, wie Gott sie machte, volle Befriedigung findet, und keine Zeit verschwendet das zu beklagen, was nicht existiert. Und doch fallen wir so leicht der Versuchung anheim, den Charakter einer Person zu beobachten, Fehlbarkeit mit göttlichen Eigenschaften zu bekleiden und dann mit dem unvermeidlichen Fall dieses Idols selber zu fallen. Es ist eben eine Art der Übertretung des ersten Gebotes, worüber wir uns anfangs nicht klar werden. Hier hilft uns die Gabe genauen Denkens die Schwäche eines solchen Verfahrens aufzudecken. Es liegt auf der Hand, daß, wenn wir dazu verleitet werden könnten, unsere Blicke auf einen oder mehrere Sterbliche geheftet zu halten, während sie sich aus demselben Bann, der uns gefangen hält, loszuringen suchen, wir wenig oder gar keine Fortschritte machen würden. Ein solches übel angebrachtes Beobachten läßt allen Irrtum der menschlichen Natur in vergrößertem Maßstabe erscheinen, verstärkt den Begriff von der Gebrechlichkeit und Fehlerhaftigkeit des sterblichen Menschen, und erweckt so eine Mutlosigkeit, welche lähmend auf die Energie wirkt und die Bemühungen fruchtlos macht.

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