Die wehmütige Frage Hiobs: „Wird ein toter Mensch wieder leben?” wird von unserm Meister mit den folgenden Worten vollständig beantwortet: „So jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich.” Ferner haben wir die Erklärung der Christian Science: „In der Science ist des Menschen Unsterblichkeit von der Unsterblichkeit Gottes abhängig; sie ist die notwendige Folge der Unsterblichkeit des Guten” („Science and Health“, S. 81).
Trotz der Tatsache, daß alle ausgesprochenen Christen die Lehren Jesu als die endgültigen Worte der Wahrheit ansehen, besteht unter ihnen, ebenso wie unter den Ungläubigen, ein gewisser Grad des Zweifels und der Ungewißheit in Bezug auf die Unsterblichkeit des Menschen. Es ist dies bei solchen ganz begreiflich, die in dieser höchst wichtigen Frage die materiellen Beweismittel für entscheidend ansehen. Wer von der Voraussetzung ausgeht, daß der Mensch aus Materie bestehe, verfährt logisch richtig, wenn er mit Hiob zur folgenden Überzeugung kommt: „So ist ein Mensch, wenn er sich legt, und wird nicht aufstehen, und wird nicht aufwachen, so lange der Himmel bleibt, noch von seinem Schlaf erweckt werden.” Allerdings hat die Theologie von jeher diese Anschauung verworfen und geistige Tatsachen hervorgehoben; es wurde jedoch stets auf Dinge hingewiesen, deren Verwirklichung man erst nach dem Tode erwartete. Das Verlangen des Wahrheitssuchers nach einem Glauben, der die Vernunft befriedigt und jetzt schon Tatbeweise liefert, blieb unbefriedigt, bis die Christian Science erschien.
Man darf die Tatsache nicht übersehen, daß Frömmigkeit vor dem sogenannten materiellen Gesetz keine Gültigkeit hat. Denn demselben gemäß ist sowohl der Heilige wie der Sünder sterblich. Nun ist die Christian Science erschienen, um die geistigen Sinne zu erwecken, welche die Unsterblichkeit alles dessen erkennen, was Gott ausdrückt. Welcher Art auch immer die materiellen Beweismittel sein mögen: der geistig Erleuchtete hält sich an die oben angeführten Worte Jesu, indem er sich weigert, den Tod zu „sehen”.
Nun entsteht die Frage, worin sich diese Stellung von der Stellung derjenigen unterscheidet, welche die Materie und die materiellen Gesetze für wirklich halten. Darauf antworten wir, daß nichts in der Bibel steht, was zu der Annahme berechtigt, daß das Materielle unsterblich sei. Ganz das Gegenteil ist der Fall. Wir finden bestimmte Beweise in der Heiligen Schrift, daß der Mensch jetzt und immerdar unsterblich ist. In dem Maße, wie diese geistige Wahrheit verstanden wird, verschwinden Furcht, Krankheit, Sünde und Tod. Unser Fortschritt mag langsam erscheinen; dies war jedoch stets bei denen der Fall, die ihr Anrecht auf religiöse und politische Freiheit geltend machten. Sie hatten auf Schritt und Tritt mit Schwierigkeiten zu kämpfen, aber durch Treue und Ausdauer bewiesen sie zuletzt, daß sie der Freiheit wert waren. Der Dank, den wir ihnen schulden, läßt sich nicht mit Worten abzahlen.
Als Christus Jesus für die Unsterblichkeit des Menschen eintrat, fragten ihn seine Zuhörer in zornigem Tone: „Bist du mehr denn unser Vater Abraham, welcher gestorben ist? und die Propheten sind gestorben. Was machst Du aus dir selbst?” Und als er behauptete, der Mensch sterbe nie, „huben sie Steine auf, daß sie auf ihn würfen”. Indem wir uns nun von dieser Szene abwenden und die Ereignisse am Auferstehungsmorgen betrachten, wie Johannes sie darlegt, erhalten wir eine wunderbare Lehre. Maria, trostlos und nahezu gebrochenen Herzens, schaute in das Grab und erblickte da zwei Engel, welche sie mit den Worten begrüßten: „Weib, was weinest du?” Hatte sie nicht guten Grund zum Weinen? War sie nicht einige Tage zuvor Zeuge des traurigsten Ereignisses gewesen, das die Geschichte kennt? War nicht durch den Tod dessen, der seinen Nachfolgern ewiges Leben versprochen hatte, alle Hoffnung zunichte geworden? Noch ehe sie die Frage des Engels so recht verstanden hatte, stand der Meister selbst vor ihr und bot ihr den gleichen Gruß. Ferner trug er ihr auf, den Brüdern — allen denen, die offene Ohren hatten — zu sagen, daß sein Vater ihr Vater und sein Gott ihr Gott sei. An diese trostreiche Zusage klammern sich die Christian Scientisten an in all ihrem Bestreben, mit Christus aufzuerstehen, bis, wie Paulus sagt, der Tod verschlungen ist in den Sieg.
