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„Vergebet, so wird euch vergeben”

Aus der Januar 1913-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Deine Sünden sind dir vergeben”! Was berechtigte Jesus zu dieser kühnen Erklärung, und mit welchem Recht vergab er Sünden, als sich die Leidenden ihm nahten und ihn baten, sich ihrer zu erbarmen? Wie konnte er Sünden vergeben? Die Christliche Wissenschaft lehrt uns, daß Vergebung der Sünde nur durch Tilgung derselben möglich ist. Wie kann aber ein Mensch die Sünden eines andern tilgen? Wie kann er den Zustand des Gemüts, der einer solchen Änderung vorausgeht, in ihm bewirken? In der Christlichen Wissenschaft lernen wir, daß vergeben niemals bedeutet, etwas Gottunähnliches zu ertragen, sondern, mit demselben aufzuräumen, es aus dem Bewußtsein zu entfernen — das früher in den Gedanken gehaltene Bild des Beleidigers durch ein neues zu ersetzen. Wir können dem Beleidiger nur dann einen wahren Begriff von sich selbst geben, wenn wir einen solchen im eignen Bewußtsein hegen. Hierdurch üben wir die rechtmäßige Gewalt aus, die der Meister besaß, eine Gewalt, die die Folge der Erkenntnis ist, daß der wahre Mensch Gott wiederspiegelt. Jesus konnte dadurch, daß er den Menschen in diesem wahren Lichte, als die vollkommene Widerspiegelung des vollkommenen Gemüts sah, die Sünde für vergeben erklären, für getilgt, soweit sein eignes Bewußtsein in Betracht kam. Soviel sollte jeder Mensch für den andern erstreben, und in diesem Sinne ist die Versöhnung stellvertretend.

Die Sterblichen können Sünde nur in ihrem eignen Bewußtsein vergeben, denn nur da ist sie zu finden. Dies ist der Grund, weshalb unsre eigne Erlösung völlig davon abhängt, ob wir andern vergeben. Es wird uns in dem Maße Vergebung zuteil, wie wir die Fehler andrer aus unserm Denken entfernen. Wenn wir mit unsern Mitmenschen nichts zu schaffen hätten und nicht in untrennbarer Zusammengehörigkeit lebten, so gäbe es weder falsche Begriffe zu berichtigen, noch hätten wir die Annahme zu überwinden, daß uns Leid zugefügt werden kann oder daß wir dem Haß ausgesetzt sind. Wir bedürfen oftmals der Vergebung, weil wir andern nicht vergeben. Wenn wir fortwährend falsche Akkorde anschlagen, wird sich uns die Harmonie der Musik niemals offenbaren; wohl aber können wir durch die Kenntnis der richtigen Akkorde bei einiger Sorgfalt und Aufmerksamkeit das Greifen falscher Töne vermeiden. Wenn die Erkenntnis in uns erwacht ist, daß der Mensch im göttlichen Gemüt besteht, und wenn wir uns dann sogleich in Gedanken von den falschen Äußerungen des sterblichen Sinnes abwenden und uns der Erörterung derselben enthalten, so heben wir unsern Bruder in unserm Bewußtsein aus einer falschen Beleuchtung heraus; mit andern Worten: wir vergeben ihm.

Da es unsre falsche oder sterbliche Anschauung von uns selbst und andern ist, die unsre eignen unharmonischen Zustände verursacht, so können wir selbst nur in dem Maße harmonisch werden, wie wir uns von Schwächen und Unvollkommenheiten abwenden und uns der Betrachtung des ewig Guten widmen. Wenn wir uns der großen Sünde des falschen Zeugnisses wider unsern Nächsten enthalten, erschließt sich uns die wissenschaftliche Auffassung von Vergebung. Die Gelegenheit, andern zu vergeben, beschränkt sich nicht auf diejenigen, die uns persönlich ein Leid zugefügt haben, sondern erstreckt sich auf alle, die sich irgendwie in der Knechtschaft des Irrtums befinden. Wir sind bisweilen durch ein unserm Nächsten zugefügtes Unrecht ebenso tief verletzt, als seien wir selbst betroffen worden. Sehr überraschend ist uns oft die Entdeckung, daß wir die Schuld tragen an dem zweifachen Ergebnis, das entsteht, wenn wir die Fehler andrer im Bewußtsein halten. Wir gehen dann nämlich nicht nur in einer Weise vor, die geeignet ist, sie „in Versuchung” zu führen, sondern bringen uns tatsächlich dadurch, daß wir ihrem Denken Irrtum anstatt Wahrheit einflößen, in die gleiche Versuchung und begehen leicht dieselbe Sünde! Dies meinte Paulus, als er an die Römer schrieb: „Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der da richtet; denn worinnen du einen andern richtest, verdammst du dich selbst; sintemal du eben dasselbige tust, das du richtest.” Man denke: „dasselbige”, ebendasselbe, was wir bei einem andern so verurteilt haben!

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