Als ich zum erstenmal etwas über die Christliche Wissenschaft hörte und mir gesagt wurde, die Anhänger dieser Lehre behaupteten, ihr Heilungswerk werde durch Gebet bewirkt, rief ich aus: „Die sind wohl nicht recht bei Trost!” Einige Zeit darauf fand ich zu meiner Überraschung in einem Werke von George Bernard Shaw den Ausspruch, daß die Christlichen Wissenschafter konsequent genug seien, sich in allen Dingen auf den Gott zu verlassen, an dessen Allmacht sie glaubten und die sie verkündeten.
Zur Zeit, da ich die Christlichen Wissenschafter für toll erklärte, weil sie Krankheit durch Gebet zu heilen suchten, glaubte ich, meine Ansicht werde durch Vernunft und gesunden Menschenverstand vollauf bestätigt, ungeachtet des Umstands, daß die bekanntesten und, nebenbei bemerkt, kostspieligsten medizinischen Behandlungen zur Hebung von Krankheit damals bei mir versagt hatten und ich mich infolgedessen unter dem Druck der Enttäuschung befand. Ich hatte alle Mittel angewandt, die mir von anerkannt tüchtigen Spezialärzten verschrieben worden waren, hatte alle ihre Vorschriften aufs genaueste befolgt und mit peinlicher Sorgfalt alles gemieden, was sie mir verboten hatten. Mit gläubigem Vertrauen, ja mit Ehrfurcht vernahm ich die Worte des Arztes. Sein fachmännisches Urteil war mir der letzte Ausspruch der Wissenschaft, trotzdem diese stets neue und wichtige Entdeckungen verkündet. Dies sage ich nicht in kritischem Geist, denn unter den Ärzten, von denen ich behandelt wurde, waren ehrliche Denker und rastlos tätige Männer, die in jeder Weise bemüht waren, mir Hilfe zu verschaffen. Dennoch wurde es mit meinen Leiden immer schlimmer.
Sehr zutreffend ist das Gespräch zwischen Macbeth und dem Hofarzt, wo Macbeth sagt:
Kannst nichts ersinnen für ein krank Gemüt?
Tief wurzelnd Leid aus dem Gedächtnis reuten?
Die Qualen löschen, die ins Hirn geschrieben?
Und mit Vergessens süßem Gegengift
Die Brust entled'gen jener gift'gen Last,
Die schwer das Herz bedrückt?
Hierauf antwortet der Arzt:
Hier muß der Kranke selbst das Mittel finden.
Darauf Macbeth:
Wirf deine Kunst den Hunden vor, ich mag sie nicht.
So war es auch in meinem Fall. Medizinische Mittel halfen nichts. In meinem Gemüt herrschte damals Verzweiflung, ein erdrückendes Gefühl von der Nichtigkeit des Lebens und alles dessen, was es in sich schließt, dazu Kummer, Verzagtheit und nie endende Disharmonie. Mir fehlte die Erkenntnis von dem Wesen Gottes, hierin lag das ganze Übel, und da ich Gottes Wesen nicht erkannt hatte, wußte ich auch nichts vom Leben und dessen Bedeutung. Tag für Tag drückte mich mein eignes und der Welt Elend bis aufs tiefste nieder. Was können Strychnin, Digitalis oder Kalomel in solchen Fällen ausrichten? Was kann durch Schlaf oder eine Reise durch liebliche Gegenden erreicht werden, wenn der Schatten der eignen Disharmonie stets zugegen ist? Welche Wirkung können Bäder haben? Wie kann durch Manipulierung des Fleisches und der Knochen das Übel gebannt werden? Innerhalb der Gefängniszelle eines verdunkelten Bewußtseins dreht der Gefangene die Mühle seiner kranken Gedanken weiter.
Nun gibt es aber andrerseits Leute, welche fragen: Was kann eine Kenntnis von dem Wesen Gottes bei organischen Leiden ausrichten? Vermag Religion stockende Blutzirkulation zu beschleunigen und Gesundheit und Leben wiederherzustellen? Welchen Wert hat geistiger Zuspruch in Fällen von mangelhafter Verdauung, Blutleere, schwacher Sehkraft usw:? So fragte ich einstmals, denn dies war der scheinbare Widerspruch, an dem ich Anstand nahm. Heute aber bin ich ein lebendiger Beweis dafür, daß die richtige Kenntnis von dem Wesen Gottes eine glückliche und gesunde Gemütsverfassung sowie dauernde Zufriedenheit verleiht; und dieses glückliche Gemüt oder diese frohe Sinnesart, verbunden mit wahrem Gebet, erfüllt den Körper, jeden Teil desselben, mit Lebenskraft und Lebensfreude.
Unser Erlöser hielt es nicht für eine Schande, sich auf Gottes Macht zur Beseitigung von Leiden zu stützen; er dachte nicht, daß es töricht sei, durch geistige Mittel Krankheiten und organische Leiden aller Art denen abzunehmen, die ihn um Hilfe baten. Die Welt hat also angesichts dieser Dinge keinen Grund, denjenigen skeptisch und höhnisch gegenüberzutreten, die am Kranken- und Schmerzenslager sich demutsvoll Gott zuwenden und mit einer durch wissenschaftliche Kenntnis von dem Wesen und dem Gesetz des Gemüts erlangten Sicherheit und Wirksamkeit beten. Noch weniger braucht die Welt zu spotten angesichts der durch wissenschaftliches Gebet erzielten Ergebnisse — angesichts der Tatsache, daß die Lahmen gehend, die Blinden sehend, die Kranken gesund gemacht werden; daß die sogenannten unheilbar Kranken geheilt aufspringen, wandeln und Gott loben.
