Einige Bergsteiger, die einen Gipfel in den Alpen erreichen wollten, kamen an eine Stelle, wo der Pfad, der sich auf einem schmalen Vorsprung längs eines steilen Abhanges dahinzog, von einem großen, durch den Regen losgelösten Felsblock fast ganz versperrt war. Erst hatte es den Anschein, als ob der Aufstieg deswegen aufgegeben werden müsse; aber der Führer erwies sich bald als Herr der Situation. Er nahm festen Stand und reichte den Zaghaften die Hand, um sie im Umgehen des Hindernisses zu stützen So gelangte einer nach dem andern auf die andre Seite des Felsblocks. Als jedoch eine der Damen den fast gänzlich versperrten Pfad in der Nähe sah und einen Blick in die Tiefe tat, trat sie erschrocken zurück und getraute sich nicht weiter. Der Führer ließ sich aber nicht beirren. Mit einem freundlichen Lächeln und einer Stimme, der man Vertrauen schenken mußte, sagte er: „Kommen Sie, fürchten Sie sich nicht. Diese Hand hat noch keinen Menschen verloren.” Für mich enthielt dieser Vorfall mancherlei nützliche Lehren.
Die Bibel enthält viele Stellen, wo die Hand bildlich angewendet wird, um die Macht und das Walten Gottes auszudrücken. Gottes Hand ist eine stets hilfsbereite Hand; sie hat unendlichen Segen zu verleihen. Welch ein Gefühl der Ruhe und des Friedens bringt doch die Verheißung, welcher Jesaja Ausdruck gibt, den Kindern Gottes: „Fürchte dich nicht, Ich bin mit dir; weiche nicht, denn Ich bin dein Gott; ... ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.” Können wir mehr wünschen? Diese Verheißung hat Bezug auf alle Übel und Mißstände, welche die Menschheit plagen: Furcht, Zweifel und Sorge, Mangel an Vertrauen auf den einen, allmächtigen Gott. Sie hilft die unharmonischen und schädlichen Elemente aus dem Bewußtsein entfernen, und zwar dadurch, daß sie uns die beständige Nähe Gottes vor Augen hält, dessen Hand stets imstande und stets bereit ist zu helfen. Die Heilige Schrift bildet ein erhabenes Te Deum, indem sie die den Kindern Gottes gewordenen herrlichen Beweise der göttlichen Liebe und Fürsorge zusammenfaßt. In unsrer Zeit nun, wo durch die Christliche Wissenschaft die Erkenntnis wieder zur Geltung gekommen ist, daß Gott unendliches, göttliches Gemüt und der Mensch Gottes Idee ist, und wo dank dieser Erkenntnis allerlei Krankheiten geheilt werden, lassen Tausende von glücklichen Seelen in allen Ländern wiederum ihr Lob- und Danklied erschallen.
Der alte theologische Begriff von Gott, nach welchem Er in einem fernen Himmel auf einem Throne sitzt, wo man Ihn anflehen muß, um Sein Ohr und Seine Gunst zu gewinnen, brachte natürlicherweise ein Gefühl der Entfremdung mit sich. Durch ihre geistige Auslegung der Schrift und durch ihre Offenbarung der Wahrheit in bezug auf das Wesen Gottes und des Menschen Beziehung zu Ihm beseitigt die Christliche Wissenschaft ein solches Gefühl.
Es gibt viele Erfahrungen, die dem Erlebnis der Bergsteiger, als sie sich plötzlich vor einem fast unüberwindlichen Hindernis befanden, sehr ähnlich sind — Erfahrungen, die den Menschen leicht einschüchtern und entmutigen. Aber auch da, gerade wie in obigem Vorfall, lautet die Ermahnung: „Fürchte dich nicht!” denn die beschützende Hand der Liebe hat noch nie einen Menschen verloren. Nach der früheren Anschauungsweise betrachteten wir Disharmonie, schwere Prüfungen, Mißgeschick oder Unglück gewöhnlich als die unergründlichen Fügungen der Vorsehung oder als geheimnisvolle Kundwerdungen des göttlichen Willens, die wir, ohne eine Erklärung erwarten zu dürfen, stillschweigend hinnehmen müßten. In der Christlichen Wissenschaft lernen wir jedoch, daß solche Zustände, anstatt von Gott verordnet zu sein, der Beweis davon sind, daß des Menschen wahre Beziehung zu Gott, d.h. die Wahrheit, die die Menschen von aller Sünde und allem Unglück freimacht, noch nicht erkannt worden ist. Wenn die sterbliche Vorstellung dem geistigen Verständnis Platz gemacht hat und der menschliche Wille dem göttlichen untergeordnet ist, besteht ein bewußtes Sichverlassen auf Gott, ein vertrauensvolles Sichstützen auf Seine Hand. Dann wird alles scheinbare Böse als nichtbestehend erkannt, und das göttliche Gute wird zur stetsgegenwärtigen Wirklichkeit.
Jesu vollkommenes Verständnis von der Allgegenwart Gottes und Seiner Widerspiegelung, von der Unwirklichkeit alles dessen, was Seinem Wesen nicht entspricht, erklärt seine Macht über Sünde, Krankheit und Tod. Die Erkenntnis, daß Gott Alles und in allem ist, und daß es außer Ihm nichts gibt, eröffnet unbeschränkte Möglichkeiten. Wenn wir uns diese heilende Wahrheit zu eigen machen, können wir nicht umhin anzuerkennen, wie sehr wir Mrs. Eddy zu Dank verpflichtet sind. Durch ihre geistige Auslegung der Bibel ist uns dieses Buch zum Führer auf dem Lebensweg geworden. Sie hat uns die Unwirklichkeit von Sünde, Krankheit und Tod und folglich auch die Machtlosigkeit des Bösen klar gemacht. Die Christliche Wissenschaft gibt uns einen vollkommenen Gott und ein vollkommenes geistiges Gesetz, das Gutes, ja nur Gutes bewirkt.
Wend’ ich meinen Blick zum blauen
Unbegrenzten Himmelszelt,
Wird von wunderbarem Schauen
Oft die Seele mir erhellt.
Vor des innern Lichtes Scheine
Schwindet plötzlich Zeit und Raum,
Blick ich auf das ewig Eine
Aus der Dinge dunkelm Traum.
