Ein unverkennbares Merkmal einer erleuchteten Regierung ist der Umstand, daß sie die Rechte der Bürger beschützt. Die Gesetze, die Gerichte und die öffentliche Meinung eines Kulturstaates sichern jedem Bürger den dauernden Besitz alles dessen zu, was ihm angehört. Weder ererbte Dinge noch irgendwelche auf ehrliche Weise erworbene Güter können ihm auf unrechtmäßige Weise genommen werden, auch darf er sich des freien Genusses derselben erfreuen. Wenn man seines Erbrechts nicht sicher sein könnte, so würden an Stelle von Gesetz, Ordnung und Friede bald Willkür, Unordnung, Krieg und Ungerechtigkeit treten. Eine gerechte Regierung erkennt man also daran, daß sie die Rechte der Bürger aufrecht erhält.
Ist dies hinsichtlich einer menschlichen Regierung der Fall, wie viel mehr hinsichtlich einer Regierung, wo Gott Herrscher ist! Sein unumstößliches Gesetz bestimmt, daß alle Seine Kinder die von Ihm verliehenen Rechte behalten und auf denselben bestehen sollen. Der Mensch ist das Kind Gottes, und jedes Gesetz, das vom Vater kommt, unterstützt den Sohn in der Ausübung seiner Rechte. Der Mensch ist die Wiederspiegelung von Leben, Wahrheit und Liebe, und die ewige Gerechtigkeit bestimmt, daß er hier und jetzt den Frieden, das Wohlergehen und die Herrschaft genieße, die ihm als Sprößling einer solch herrlichen Dreiheit zukommen. Auf Grund dieses Geburtsrechts kann er vertrauensvoll der Ermahnung unsrer Führerin Folge leisten: „Sei fest in deinem Verständnis, daß das göttliche Gemüt regiert,” und „erhebe dich in der Stärke des Geistes, um allem zu widerstehen, was dem Guten unähnlich ist” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 393). Der Glaube, daß wir das Böse auf materiellem Wege geerbt haben, sollte dem Verständnis Platz machen, daß wir als Kinder Gottes Macht haben über alle Erscheinungsformen des Bösen.
Schon in uralten Zeiten lebten die Patriarchen und Propheten in Erwartung eines Landes, wo Israel in Frieden und Überfluß leben könnte. Abraham „wartete auf eine Stadt, die einen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist;” und das „neue Jerusalem” sollte die zukünftige Heimat des gerechten Israels sein, eine Stadt der Gerechtigkeit und Harmonie. Die vorherrschenden Kirchenlehren haben die Gemüter der Sterblichen mit der Annahme erfüllt, daß diese „Stadt” nicht zu unsrer Zeit erreicht werden könne, sondern ein weit entfernter Himmel sei, in den man später einmal kommen werde. Diese irrige und unglückselige Lehre von einem erst nach dem Tode zu erlangenden Himmel hat die Menschen ihres jetzigen Erbrechts beraubt; mit ihrem Versprechen eines Jenseits voll sorglosen Genusses hat sie bewirkt, daß die Sterblichen sich mit Unrecht und Ungerechtigkeit diesseits des Grabes zufriedengeben. Indem wir nun danach trachten, uns als die Kinder des Allerhöchsten zu erkennen und dann das uns zukommende Erbe fordern, nähern wir uns wenigstens dem Ziel. Ein bekannter Schriftsteller sagt von einem seiner Charaktere: „Er trachtete stets nach der Wahrheit, nach höherer Wahrheit. Nichts konnte ihn befriedigen, als das Bewußtsein von der Gegenwart des Ewigen.”
Die Schüler der Christlichen Wissenschaft sind sich der leben- und frieden- spendenden Kraft dieser Lehre bewußt. Sie wissen, daß das ihnen als Kindern des himmlischen Vaters zufallende Erbe Leben, Gesundheit und Wohlergehen umfaßt, und zwar hier und jetzt. Sie erkennen, daß das „neue Jerusalem” ihr jetziger Aufenthaltsort sein sollte. Beim Durchlesen des einundzwanzigsten Kapitels der Offenbarung finden sie nichts, was darauf hinweist, daß irgend jemand sterben muß, bevor er diese Stadt erreichen kann. Johannes sagt klar und deutlich, er habe die Stadt Gottes „von Gott aus dem Himmel herabfahren” sehen; mit andern Worten, das göttliche Musterbild kam herab zu den Menschen. Diejenigen, die sich eine richtige Denk- und Lebensweise angeeignet haben, brauchen nicht an die Tatsache erinnert zu werden, daß der Himmel eine gegenwärtige Möglichkeit ist, denn sie leben schon in demselben. „Jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils,” und geistiges Besitztum ist das einzig wahre Besitztum.
Jesu Gleichnis vom Säemann enthält manche hilfreiche Lehre für diejenigen, die ihr Erbrecht empfangen und beschützen möchten. Die köstliche Gabe der Sohnschaft wird manchmal von einem Menschen erfaßt, in welchem böse Begierden die Oberhand zu haben scheinen; aber gleich den Vögeln, die den Samen auffraßen, rauben ihm diese Begierden den richtigen Begriff von dem gottverliehenen Erbrecht. Die Christliche Wissenschaft hilft uns, die schlechten Gedanken zu vertreiben, so daß das geistige Sichbewußtsein einer unschätzbaren Erbschaft unangetastet bleibt und es uns frei steht, in den vollen Besitz der göttlichen Rechte des Menschen zu gelangen. Dieses Erbteil fällt zuweilen auf Stellen, wo die Erde nicht tief ist, und „wenn sich Trübsal und Verfolgung erhebt,” so ergibt sich dieser Empfänger von geistiger Wohltat der Entmutigung, ja er kommt oft in Versuchung, sein Erbteil für ein Linsengericht zu verkaufen. Anstatt so zu handeln, sollte ein jeder, der die Wahrheit erkannt hat, sein Erbrecht zu jeder Zeit verteidigen, damit kein Feind, weder von außen noch von innen, ihn irgendeines Teils desselben beraube. Diesen Gedanken wollte Paulus zum Ausdruck bringen, als er an Timotheus schrieb: „Halte an dem Vorbilde der heilsamen Worte, die du von mir gehört hast, im Glauben und in der Liebe in Christo Jesu. Dies beigelegte Gut bewahre durch den heiligen Geist, der in uns wohnet.”
Die Unterweisungen in Wissenschaft und Gesundheit helfen uns den Boden bereichern und vertiefen, bis die dünne, unfruchtbare Schicht menschlicher Annahmen verschwindet, um der tiefen, fruchtbaren Erde geistigen Verständnisses Platz zu machen. Dann können Trübsal und Verfolgung nichts ausrichten, denn die Wurzeln wahrer Menschheit werden so tief in den Boden der Wahrheit gedrungen sein, daß sie Nahrung und Kraft nach oben senden können. Manchmal scheint der Same auch unter die Dornen zu geraten, und „die Sorge dieser Welt und Betrug des Reichtums” versuchen dann, den Menschen von der Verwirklichung seines Erbrechts abzuhalten. Die Nachfolger der göttlichen Wissenschaft sind jedoch imstande, die Dornen auszureißen, die „Sorge” und den „Betrug” zu überwinden und sich von weltlichen Lasten frei zu machen. Auf diese Weise wird die Wahrheit, die unsre verehrte Führerin uns wieder gebracht hat, jeden Schüler nach und nach zu einem Menschen machen, der „das Wort höret und verstehet es und dann auch Frucht bringet; und etlicher trägt hundertfältig, etlicher aber sechzigfältig, etlicher dreißigfältig.”
Selbst in guten irdischen Staatsverwaltungen erwartet man von den Bürgern, daß sie weder Diebstahl erlauben, noch sich eine ungerechte Wegnahme ihrer Rechte gefallen lassen. Und so wird auch im Reich des Geistes verlangt, daß ein jeder an seinen gottverliehenen Rechten festhalte. Das Verständnis muß vorhanden sein, daß einem das himmlische Erbteil nicht entwendet werden kann. Es wird von uns verlangt, daß wir jedes rechtmäßige Eigentum, jedes ererbte Vorrecht, das uns als Kindern Gottes zukommt, beanspruchen und behalten. So werden wir alle lernen, stets den Rat unsrer Führerin zu befolgen: „Bestehe mit Nachdruck auf der großen, alles umfassenden Tatsache, daß Gott, Geist, alles ist, und daß außer Ihm kein andrer ist” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 421).
Ein Herz, das jeder Freude offen steht, findet überall Vertrauen.—
