Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Die Wichtigkeit des richtigen Standpunktes

Aus der Januar 1917-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die Menschheit ist so sehr gewohnt, das Zeugnis der physischen Sinne bedingungslos anzunehmen, daß so mancher Sucher, der sich der durch die Christliche Wissenschaft geoffenbarten Wahrheit gegenübersieht, wie Nikodemus ausruft: „Wie mag solches zugehen?” Nikodemus, der Jesus an seinen mächtigen Werken als Propheten erkannte, glaubte offenbar, durch das Erforschen der Lehre des Meisters seine rabbinische Weisheit erweitern zu können. Wie groß war daher sein Erstaunen, als unser Meister, statt mit der Erklärung einer neuen Lehre zu beginnen, eine Anschauung darlegte, die die Grundlage der jüdischen Auslegung wie überhaupt alle materialistische Weisheit umstieß, indem er erklärte: „Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist.” Mit andern Worten, die fleischliche Denkart mit ihren materiellen Erklärungen vom Sein und geistige Dinge sind einander wesensfremd.

Wenn Gott Geist ist, wie Jesus ein andermal erklärte (siehe Joh. 4, 24), so folgt, daß Sein Reich — das, was aus Ihm hervorgeht, von Seinem Bewußtsein umfaßt wird — Ihm wesensgleich sein muß, d. h. geistig. Woher kommt dann „das Fleisch”— die Materie, die Sterblichkeit, das Übel, der Irrtum? Woraus sind sie „geboren”? Es scheint fast, als habe die Menschheit gerade wegen der Einfachheit und Bündigkeit der Antwort des Meisters in diesem Zwiegespräch den Punkt übersehen, den er diesem „Menschen unter den Pharisäern” so klar zu machen suchte: „Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen.”

Gott als die einzige Ursache und den einzigen Schöpfer anerkennen, ist gleichbedeutend mit der Erklärung, daß allein das, was zu Seinem Reich gehört, mit andern Worten, das, was geistig ist, wirklich besteht. Wenn wir ferner das Weltall so kennen wollen, wie Gott es schafft und kennt, müssen wir uns auf den göttlichen Standpunkt stellen, müssen wir es geistig auffassen. Es ist klar, daß es bloß einen richtigen Standpunkt geben kann, nämlich den geistigen. Andre Standpunkte sind nur hypothetischer, irriger Art; folglich sind auch die sich daraus ergebenden Folgerungen und deren Resultate unwirklich. Auf Seite 301 von Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift lesen wir: „Täuschung, Sünde, Krankheit und Tod entstehen aus dem falschen Zeugnis des materiellen Sinnes, der von einem vermeintlichen Standpunkt außerhalb der Brennweite des unendlichen Geistes aus ein umgekehrtes Bild des Gemüts und der Substanz darstellt, in welchem das Unterste zu oberst gekehrt ist.”

Was von einem sterblichen, materiellen Standpunkt aus zu bestehen scheint, ist Fleisch, Sterblichkeit, Materie; und da dieser Standpunkt falsch ist, so sind auch alle sich daraus ergebenden Folgen falsch. Wie könnte also die fleischliche, sterbliche, materielle Sinnesart, die selbst nur eine falsche, weil auf einer irrigen Grundlage entstehende Folge ist, die Wahrheit von Gottes Schöpfung bezeugen oder sich über ihr eignes falsches Wesen klar werden? Jesus sagte zu Philippus: „Wer mich siehet, der siehet den Vater,” und meinte damit, daß Gott durch den geistigen Sinn in Seiner Wiederspiegelung, „in dem Sohne,” erkannt wird.

Wenn nun ein Standpunkt, der mit dem des göttlichen Gemüts übereinstimmt, der einzig wahre, richtige Standpunkt ist, und wenn er nur das offenbart, was gottgleich, vollkommen, harmonisch und unvergänglich ist, dann ist alles, was daneben zu bestehen scheint, seinem Wesen nach eine Illusion, und eine Illusion wird dadurch aufgehoben, daß man den falschen Standpunkt aufgibt, der sie hervorbringt. Daß Nikodemus diese Wahrheit zur Zeit erfaßte, geht aus seiner Frage hervor: „Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist?” Wie kann man einen Standpunkt aufgeben, sich von einer Anschauungsweise frei machen, die durch die ganze Entwicklung und Erfahrung seit undenklichen Zeiten festbegründet und bestätigt worden ist?

Wer oder was geht vom materiellen Standpunkt aus und will wissen, wie der Irrtum entstanden sei, woher die Materie komme und warum Gott das Übel zulasse, das den Menschen sterblich macht? Ist es etwas andres als ein sich selbst täuschender Sinn, der der sterblichen Vorstellung nach von einem Standpunkt ausgeht, welcher den vermeintlichen Gegensatz zu dem Standpunkt des göttlichen Gemüts bildet und daher vergehen muß, auf daß die Wahrheit erscheinen möge?

Nach dem Ursprung der Materie oder des Übels zu forschen heißt einen Standpunkt finden wollen, der in der Wahrheit nicht besteht. Solches Forschen ist ebenso vergeblich, als wenn man die umgekehrten Bilder des photographischen Apparats untersuchen wollte, um zu ergründen, warum die Bäume nach unten wachsen. Die Schwierigkeit liegt in beiden Fällen an der Art, wie man sich zu der Frage stellt. Nur mit der Aufhebung des Standpunktes, von dem aus sie als wirklich erscheint, schwindet die Illusion. Jesus rügte den getäuschten Sinn der Pharisäer indem er sagte: „Ihr seid von dem Vater, dem Teufel,” der, wie er hinzufügte, „nicht bestanden [ist] in der Wahrheit; denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er die Lüge redet, so redet er von seinem Eignen; denn er ist ein Lügner und ein Vater derselbigen.”

Der morgenländischen Symbolik entkleidet, bedeuten diese Worte, daß der Irrtum — die Sterblichkeit, das Übel, die Materie — eine Lüge ist, eine Fälschung, eine Widerrechtlichkeit, denn es ist keine Wahrheit in dem Standpunkt, aus dem er sich ergeben hat. Ist der materielle Standpunkt aber falsch, dann muß alles, was sich aus diesem Standpunkt zu ergeben scheint — Sünde, Leiden, Trauer, Krankheit, Tod, ihre irrige Manifestation — mit der Aufhebung dieses Standpunktes in sich zusammenbrechen und aufhören. Wenn das Übel nur die auf einer ungöttlichen Grundlage entstehende Wirkung ist, so ist es klar, daß Gott das Übel nicht kennt, da das göttliche Gemüt keinen Standpunkt hat, von dem aus das Übel als wirklich erscheinen könnte.

Jedermann weiß, daß die Illusionen des Wahnsinns allein auf einen verkehrten Gesichtspunkt zurückzuführen sind und dem Prinzip der Ordnung und Harmonie nicht entsprechen. In derselben Weise beweisen die Demonstrationen der Christlichen Wissenschaft, daß die Phänomene, welche Böses, Disharmonie, Unvollkommenheit bezeugen, sich aus einem außerhalb Gott befindlichen Standpunkt ergeben; denn das Festhalten am geistigen oder göttlichen Standpunkt führt die Aufhebung solcher Phänomene herbei oder bringt sie in der menschlichen Erfahrung stetig zum Schwinden.

Angenommen, alle Menschen würden plötzlich nur den Standpunkt anerkennen, der durch die Wiederspiegelung des göttlichen Gemüts kund wird — wo bliebe dann die Materie und das Böse? Kann man behaupten, solche sterbliche Phänomene seien im Reich des Geistes möglich? Und ist dies nicht der Fall, wie können sie dann als zur Wahrheit gehörig betrachtet werden? Die Christliche Wissenschaft erklärt, warum Jesus der Christus so viel Gewicht legte auf Heilungswerke als Prüfstein echter Jüngerschaft. Sie beweist, daß solche Werke natürliche Ergebnisse eines Standpunktes sind, der dem göttlichen Gemüt entspricht, genau wie ein vollkommenes Bild auf dem Sucher eines photographischen Apparats anzeigt, daß der Apparat richtig eingestellt ist.

Warum schwinden nun aber nicht alle Erscheinungsformen des Irrtums, wenn man den richtigen Standpunkt erreicht hat? Selbst wenn man ihn völlig erreicht hätte, so wäre doch beständige praktische Ausübung des Erkannten erforderlich, um den Glauben an die Umkehrung der Wahrheit völlig zum Schwinden zu bringen. Es ist weit mehr als ein vorübergehendes Erschauen der Wahrheit nötig, um Machtsprüche aufzuheben, die der sterblichen Vorstellung nach seit undenklichen Zeiten für die Menschheit gegolten haben. Ein gekrümmter Baum kann nicht durch einmaliges Zurückbiegen zum geraden Wachsen gebracht werden. Das Demonstrieren der Wahrheit muß stetig weitergehen.

Auf Seite 322 von Wissenschaft und Gesundheit lesen wir: „Wenn das Verständnis die Standpunkte des Lebens und der Intelligenz verändert und sie von einer materiellen auf eine geistige Basis bringt, so werden wir die Wirklichkeit des Lebens, die Herrschaft der Seele über den Sinn gewinnen und werden das Christentum oder die Wahrheit in ihrem göttlichen Prinzip wahrnehmen. Dies muß der Höhepunkt sein, ehe der harmonische und unsterbliche Mensch erreicht und seine Fähigkeiten enthüllt werden.”


Das Höchste ist die Liebe zu Gott. Diese Liebe sucht keinen andern Lohn, sie hat ihn in sich selbst.—

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Januar 1917

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.