Schüler der Christian Science haben Ursache sich sehr über ihre Befreiung von dem Glauben an die Gesetzmäßigkeit des Bösen zu freuen. Glück, Schicksal, günstige Gelegenheit oder andere abergläubische Annahmen, sowohl als die theologische Dogma über einen Gott, der das Böse verursacht, oder es zuläßt, daß das Böse Seine Kinder überfalle, haben keinen Platz in der Christian Science. Solche, die das Nichts des Bösen erkennen, brauchen sich nicht mit seinem fabelhaften Ursprung zu beschäftigen. Es ist jedoch notwendig jeden Augenschein von Disharmonie zu bekämpfen, und zwar nicht nur durch die Zurückweisung des Sinnenzeugnisses, das die Disharmonie behauptet, sondern auch durch die Widerlegung des irrtümlichen Gedankens, welcher sie verursacht. Dies ist die einzige Untersuchung des Bösen, die in der Christian Science notwendig ist, es ist ein Forschen das nur die sichere Vernichtung des Bösen zum Ziele hat.
Der Punkt dessen man eingedenk sein soll ist, daß, was auch der Konflikt sein mag, wir nie weit zu gehen haben um den Anfangspunkt der Schwierigkeiten zu entdecken. Es gibt nur ein Gebiet der Untersuchung, das Gebiet das behauptet unsere eigenen sterblichen Gedanken zu sein. Der Schlüssel zu jeder von uns unterhaltenen Annahme des Bösen, wird unfehlbar in diesem irrtümlichen Begriff über uns selbst gefunden. Das will nicht heißen, daß wir für alle unharmonischen Zustände völlig verantwortlich sind. Es heißt aber, daß der Fehler insofern der Unsrige ist, als wir die scheinbare Disharmonie als wirklich ansehen. Wir haben irgendwo einen Fehler gemacht oder wir würden, selbst der Annahme nach, keine Disharmonie erfahren. Wir müssen eine Lücke unbewacht gelassen haben, durch die sich der Irrtum einschleichen konnte, da uns seine Wirkungen sonst gar nicht hätten berühren können. Eine winzige, unbesiegte Furcht, ein Moment des Zornes, ein wenig der angewöhnten Selbstsucht oder ein vorübergehendes Nachgeben an die Unwissenheit, ein jedes von diesen ist vielleicht schuld. Wir sollten uns mit unseren persönlichen Vergehen beschäftigen und nicht mit den Irrtümern anderer, wie auffallend diese auch scheinen mögen. Das ist nicht nur der richtige Weg, es ist tatsächlich auch der einzige sichere Weg den wir wählen können; der einzige Weg der sicher zum Frieden führt. In Mrs. Eddys „Message to The Mother Church for 1900“ (S. 8) finden wir diese Erklärung: „Wenn ein Mensch anfängt mit sich selbst zu hadern hört er auf mit anderen zu hadern.“ Wir können mit Sicherheit annehmen, daß wir selbst nie so sündlos sind, um für die Ursache der Disharmonie außerhalb dem, was das sterbliche Gemüt für unser Selbst ansieht, schauen zu müssen. „Wenn jemands Wege dem Herrn wohl gefallen, so macht er auch seine Feinde mit ihm zufrieden.“
Ein elementares Verständnis von Ursache und Wirkung in der Christian Science, sollte uns von der vollständigen Einfältigkeit der Einbildung, daß wir für irgend etwas anderes als unsere eigenen Sünden leiden, überzeugen. Als sie in dieser Beziehung um Aufklärung gefragt wurde, antwortete Mrs. Eddy, auf Seite 83 von „Miscellaneous Writings“: „Keine Person kann den Glauben von jemandem annehmen ohne die Zustimmung seines eigenen Glaubens. Wenn der Irrtum, der an die Türe deines eigenen Denkens pocht, seinen Ursprung in einem anderen Gemüt hat, bist du ein freier moralischer Anwalt diesen Irrtum zurückzuweisen oder ihn anzunehmen; darum bist du der Schiedsrichter deines eigenen Schicksals und die Sünde ist der Urheber der Sünde.“
Gewiß „welchen der Herr lieb hat, den züchtigt er,“ doch ist die Züchtigung nicht launenhaft; es ist das Mittel durch das wahre Reinigung vollbracht wird. Das soll solchen, die bei dem Bestreben die Wahrheit auf Erden zu bringen Prüfungen begegneten, in keiner Weise die ihnen gebührende Ehre versagen, noch ihre zum Überwinden der Hindernisse vollbrachte Arbeit unterschätzen. Es soll nicht heißen, daß die erlittene Verfolgung durch ihre eigenen Fehler verursacht worden sei, anstatt durch den blinden Haß des fleischlichen Gemütes, dem sie sich aussetzten, weil sie sich seinen Ansprüchen entgegenstellten. Wir finden aber in keiner Lebensbeschreibung der großen Lehrer der Welt, daß sie sich in irgendeinem Falle sehr verletzt fühlten, noch sich übermäßig aufregten über den Widerstand, dem sie begegneten, auch ließen sie sich dadurch in keiner Weise verbittern. Im Gegenteil, eine über das Streiten erhabene Sanftmut und eine anspruchslose Freudigkeit kennzeichnet jedes Beispiel von „Mut unter Feuer,“ das die Welt je gekannt hat. Es ist gefährlich sich selbst je als Märtyrer anzusehen, denn die wahren Märtyrer waren nie selbst erwählt. Das Leiden an und für sich ist keine Qualifikation, sonst könnte jeder Verbrecher, der für sein Unrechttun schmerzliche, wenn auch ganz gesetzmäßige Strafe erleidet, sich selbst als ein Märtyrer ansehen. In Wirklichkeit waren solche, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt wurden, tatsächlich viel mehr Zeugen der gerechten Macht Gottes als der ungerechten Grausamkeit der Menschen. Die große Lehre unseres Meisters war nicht die Kreuzigung sondern die Auferstehung. Viele seiner ersten Nachfolger erlitten einen schrecklichen Tod unter der Gewalt ihrer Verfolger, aber heute gedenkt man selten der Christen die den Löwen vorgeworfen worden sind oder in Neros Garten als Fackeln verbrannt wurden, und physische Qualen erlitten wie sie Jesus auferlegt worden waren, wohl aus dem einfachen Grunde, weil sie, obschon willig bis zum Kreuze nachzufolgen, die Bedeutung der letzten Demonstration wohl nicht erfaßt hatten oder sich selbst unfähig fanden die endgültige Demonstration über ihre eigene Zerstörung zu machen. „Das Wesen des Christentums ist friedevoll und gesegnet;“ sagt Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit auf Seite 40 anfangend, „um aber in das Himmelreich einzugehen, muß der Anker der Hoffnung jenseits des Vorhangs der Materie in das Allerheiligste ausgeworfen werden, in welches Jesus vor uns eingegangen ist; und dieser Schritt vorwärts über die Materie hinaus muß durch die Freuden und die Siege der Gerechten, wie durch ihr Leid und ihre Trübsal kommen.“
Mit aller gebührenden Ehrerbietung gegen jene, die in einer aufrichtigen Bemühung Gott zu gefallen ihr physisches Leben scheinbar niederlegten, kann doch von ihnen gesagt werden, daß, wenn sie stattdessen die Annahme von Leben in der Materie niedergelegt, und gelebt hätten um die Unsterblichkeit des Geistes zu demonstrieren, ihre Hingebung für die Welt sowohl als für sie selbst eine bleibendere Harmonie bewirkt hätte. Die Bereitwilligkeit ungerecht und unnötig zu leiden birgt eigentlich die Annahme in sich, daß Grausamkeit eine Macht sei in der Welt, und ist aus diesem Grunde eine Verleugnung der Allmacht der Liebe. „Es ist Irrtum für irgend etwas andres als für deine eignen Sünden zu leiden,“ lesen wir auf Seite 391 von Wissenschaft und Gesundheit. „Christus, oder Wahrheit, wird alles andre vermeintliche Leiden zerstören, und das wirkliche Leiden für deine eignen Sünden wird in dem Verhältnis aufhören, wie die Sünde aufhört.“
Gleichwie wir zum sterblichen Gemüt sehen müssen, für die Ursachen der Disharmonie, wenn es eine solche gibt, müssen wir uns an das göttliche Gemüt wenden für die Macht, die das Böse vernichtet. Dasselbe sterbliche Gemüt, das die Übel verursacht, ist offensichtlich unfähig sie zu überwinden. Menschliche Willenskraft kann nicht einmal mit Erfolg gegen seine eigenen Irrtümer kämpfen. Solche, die mit ihrer eigenen Kraft um Selbstverbesserung ringen, wiederholen am Ende den Beschluß von Majorie Fleming, der kleinen Freundin Scotts: „Ich will nie wieder meiner eigenen Macht vertrauen, denn ich sehe ein, daß ich ohne Gottes Hilfe nicht gut sein kann.“ Der nächste Schritt, nachdem man im sterblichen Gemüt etwas Böses entdeckt hat, ist nicht mit kühner Entschlossenheit und durch seine eigenen ununterstützten Bemühungen dagegen zu kämpfen, sondern sich klar zu vergegenwärtigen, daß solch ein Irrtum keine wirkliche Existenz, keine mögliche Anziehungskraft und darum keinen Halt über einen haben kann. Dann, anstatt beständig in unseren Unvollkommenheiten zu verbleiben, werden wir in dem Verhältnis wie wir lernen, daß der Mensch die Unfehlbarkeit des göttlichen Prinzips wiederspiegelt, von unseren Fehlern befreit.
Dies ist die Anwendung der Wahrheit in bezug auf das wirkliche Selbst und kann nur Gutes in unsere Erfahrung bringen. Es ist natürlich die sichere Auflösung des fleischlichen Gemütes; es bedeutet schließlich die offene Verneinung von jedem alten Anspruch sterblicher Wichtigkeit, und eine Erneuerung der Vision des Psalmisten, daß „der Herr Gott ist! Er hat uns gemacht — und nicht wir selbst.“ Nur so kann die Offenbarwerdung des wirklichen Selbst erreicht werden, des Selbst, das „ohne Vater, ohne Mutter, ohne Geschlecht und hat weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens:— er ist aber verglichen dem Sohn Gottes.“
Solange wir uns selbst eigene oder persönliche Tugenden zuschreiben, die geringer sind als die Eigenschaften des wahren Menschen, oder wenn wir uns selbst durch Worte anstatt durch Werke zu rechtfertigen suchen, solange wir unsere eigenen Fehler leichthin beurteilen, weil sie im Verhältnis zu den ernstlichen Vergehen derer um uns herum so gering erscheinen, solange werden wir nicht die Sohnschaft kundtun, sondern die Eitelkeit des Menschen, der sich läßt dünken „er sei etwas, so er doch nichts ist,“ und auf diese Weise sich selbst „betrügt.“
Es ist wahr, daß moderne psychologische Lehren, wenn geglaubt, dahin neigen würden die Menschen vor ihren eigenen materiellen Persönlichkeiten hilflos zu machen. Fein erdachte Spekulationen über Verbote, Inbegriffe, Einflüsse des sogenannten unbewußten Gemütes, Gesetze der Erblichkeit und Umgebung, atavistische Neigungen und so weiter, sind keine Vorbereitung zur Selbstüberwindung. Mit solcher Selbstermutigung und Selbstentschuldigung kann das Selbst leicht so wachsen, bis es den ganzen Horizont einnimmt. Ein Mensch, der sich nur für sich selbst interessiert, ist längst als das erbarmungswerteste, einsamste Objekt der Erde angesehen worden; denn es kommt selten vor, daß er andere findet, die sein einziges, ihn ganz in Anspruch nehmendes Interesse mit ihm teilen. Auf der anderen Seite findet ein Mensch, der aus seinem Selbst herauskommt, daß sich sein Gesichtspunkt immer erweitert und daß er mehr und mehr begreifen kann, bis er sich selbst als Bürger der Welt erkennt. Wenn er seinen eigenen persönlichen Sinn überwunden hat kann er weislich mit anderen sympathisieren, er weigert sich jedoch beständig durch die Vorspiegelung von irgend jemandes Selbst irregeführt zu werden. Er denkt nie nur an sich allein, weil er begonnen hat die göttliche Sohnschaft, welche die universale Brüderschaft bedeutet, zu demonstrieren. In dem Maße wie seine Bemühungen aufhören selbstsüchtig zu sein, sind sie mit Erfolg gekrönt, bis daß er findet, daß alles, was er tut, gedeiht. Ihm, der mit Paulus sagen kann: „Ich sterbe täglich,“ da er die Annahme eines materiellen Selbst überwindet, gilt die Verheißung in der Offenbarung: „Wer überwindet, dem soll kein Leid geschehen von dem andern Tode.“