Auf Seite 39 von „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” weist Mrs. Eddy alle, die willig sind zu hören, auf die Zeit und die Art der Befreiung von allem Übel hin. Sie sagt: „Jetzt ist die Zeit, da die sogenannten materiellen Schmerzen und materiellen Freuden vergehen müssen, denn beide sind unwirklich, weil unmöglich in der Wissenschaft. Um diesen irdischen Bann zu brechen, müssen die Sterblichen die wahre Idee und das göttliche Prinzip von alle dem erlangen, was wirklich besteht und das Universum harmonisch regiert.”
Wie oft haben wir sagen hören: „Der Bann ist gebrochen,” besonders in Fällen, wo Schmerzen, Leid und Sorgen nachgelassen hatten. Das sollte heißen, daß die gefürchtete Macht, die uns im Banne des Bösen hielt, zerstört war. Und mit der Zerstörung der bösen Macht waren dann auch Harmonie und Wohlbefinden an Stelle der unharmonischen Zustände getreten. Was ist nun diese geheimnisvolle Macht, die die Sterblichen so fest im Banne zu halten und alle Übel über sie zu bringen scheint, die „unsres Fleisches Erbteil” sind? In Zeiten der Furcht und des Zweifels, wenn sich unserm schwerbeladenen Herzen die Frage nach dem „warum” unsrer Leiden entringt, sollten wir willig sein, auf die Stimme der Wahrheit zu hören, die uns sagt, daß die Ursache aller Disharmonie in der irrigen Annahme liegt, es gäbe ein von Gott getrenntes Dasein und die Materie besitze Leben und Intelligenz, habe also Empfindungsvermögen und könne demnach Schmerz und Lust wahrnehmen.
Mrs. Eddy macht es ganz klar, daß das, was „diesen irdischen Bann” verursacht, eine bloße Annahme ist, denn sie spricht von den „sogenannten materiellen Schmerzen und materiellen Freuden” und erklärt weiter, daß diese Schmerzen und Freuden unwirklich sind und in der Wissenschaft unmöglich. Wissenschaft nun ist die Kenntnis der göttlichen Tatsachen, und man könnte fragen: Warum sind die Schmerzen und Freuden der Materie keine Tatsachen? Mit gleicher Berechtigung könnte man angesichts einer fehlerhaften Aufrechnung fragen: Warum ist das Ergebnis nicht richtig? Es ist bekannt und wird allgemein zugegeben, daß der Vorgang des Aufrechnens von einem unfehlbaren Gesetz regiert wird. Jede Schwierigkeit also, jede Geldverlegenheit oder Not, die durch falsches Rechnen veranlaßt wird, ist die Folge von Unwissenheit, Hast oder Gleichgültigkeit. Und genau so lange, wie wir das Ergebnis des Rechnens für richtig halten, wird uns auch die dadurch verursachte Disharmonie als Tatsache erscheinen. Um zu dem richtigen Ergebnis zu gelangen, bleibt uns nichts andres übrig, als das dem Rechnen zugrunde liegende Gesetz anzuwenden. War es Unwissenheit, die uns am richtigen Rechnen hinderte und uns irgendein zufälliges Ergebnis als richtig annehmen ließ, oder haben wir uns gar auf das Rechnen eines andern verlassen, dann müssen wir uns natürlich dieses Wissensmangels bewußt werden und durch gewissenhaftes Studium der zur Lösung der Aufgabe erforderlichen Regeln unser Denken berichtigen, ehe wir auch nur zwei und zwei richtig zusammenzählen können. Selbst wenn wir trotz unsrer Unwissenheit zufällig auf das richtige Ergebnis gekommen sein sollten, würde das noch nicht dafür bürgen, daß wir tatsächlich richtig zusammenzählen können. Nur eine genaue Kenntnis der Regeln, die dabei zur Anwendung kommen, läßt uns vertrauensvoll an jede uns gestellte Aufgabe herangehen, seien die Zahlen noch so vielstellig und die Reihen noch so lang.
Genau so regiert das göttliche Prinzip, Gott, das wahre Dasein, und wie uns Mrs. Eddy sagt, müssen wir ein Verständnis vom Prinzip erlangen, um uns unsrer Einheit mit dem Prinzip bewußt zu werden. Laßt uns sehen, auf welche Weise ein solches Verständnis materielle Schmerzen und materielle Freuden zum Schweigen bringt. Es ist klar, daß vor allem der Wunsch vorhanden sein muß, das göttliche Prinzip zu verstehen, und zwar muß dieser Wunsch so ernst sein, daß er uns dazu treibt, materielle Schmerzen und Freuden ohne Zaudern aufzugeben. Solange es sich um die Schmerzen der Materie handelt, sind wir wohl alle stets gern bereit, uns davon befreien zu lassen, mit den Freuden dagegen verhält es sich etwas anders. Wenn aber der Schüler der Christlichen Wissenschaft, der es wirklich ernst meint und der mit sich selbst unbedingt aufrichtig ist, die ihm nach seiner Meinung beschieden gewesenen materiellen Freuden bis zu ihrem Ende verfolgt, wird er finden, daß sie stets in Disharmonie endigten. Er wird zwar sagen, daß sie nicht immer mit Schmerzen verbunden waren. Wenn er aber über die körperlichen Folgen hinauszublicken gewillt ist, wird er Grund genug zur Beunruhigung finden, denn er wird einsehen, daß diese sogenannten Freuden offenbar nur Stumpfheit erzeugten und ihn sich mit dem zufriedengeben ließen, was sich letzten Endes als hohle Treber und Asche erwies. Wenn sich also das Denken sowohl von den Freuden wie von den Schmerzen der Materie abwenden soll, dann muß es sich notwendigerweise ganz und gar von der sogenannten Materie überhaupt abwenden. Das kann nur geschehen, wenn es sich dem Gegenteil der Materie, dem Geist, zuwendet. Und dann wird „die wahre Idee und das wahre Prinzip” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 123) erkannt werden,— dann wird das sogenannte fleischliche Gemüt, das Fleisch oder die Annahme von der Materie, zerstört werden, sodaß wir mit Paulus sagen können: „Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden!”
Und wie, wird man hier fragen, kommt diese wunderbare Umwandlung zustande? Ein jeder weiß, daß nie etwas zustande kommt, das nicht zuerst gedacht wird. Darum ist es klar, daß zuerst das Denken umgewandelt werden muß, ehe eine Umwandlung der Zustände eintreten kann. Bei unserm Studium von „Wissenschaft und Gesundheit” macht die Tatsache immer wieder einen tiefen Eindruck auf uns, daß es nur ein Gemüt gibt, nur einen Gott und sonst keinen mehr. Wenn wir und das vergegenwärtigen, lernen wir auch erkennen, daß das sogenannte fleischliche Gemüt alle materiellen Annahmen in sich schließt und daß das fleischliche Gemüt nur ein vermeintliches Gemüt ist. Die Bibel ist voll von Beispielen, wie das Geistlich-gesinnt-sein den Sieg erringt über die falschen Auffassungen des sogenannten fleischlichen Gemüts und seiner ganzen Irrtumsschar. Mrs. Eddy sagt: „Das göttliche Gemüt ist die einzige Ursache oder das einzige Prinzip des Daseins” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 262). Es ist nicht schwer, Gemüt als Geist zu verstehen. Und ist dieses Verständnis die Grundlage des Denkens, dann wird sich uns die wahre Schöpfung und das wahre geistige Sein ganz natürlich entfalten. So wie es unmöglich ist, daß jemand, der die Rechenregeln kennt, bewußt falsch zusammenzählt, ebenso unmöglich ist es, daß das allwissende Gemüt etwas kennt, das ihm nicht gleich ist. Da es nur Geist kennt, kann es nichts hervorbringen, was dem Geist unähnlich ist. Ebenso wie der, der die Regeln der Rechenkunst kennt und sie bewußt auf die vor ihm liegenden Aufgaben richtig anwendet, nicht das Gefühl hat, einen Fehler beim Rechnen zu machen, so wird auch der, der sich eine Kenntnis von der Vollkommenheit der Wahrheit des Seins aneignet, jedes Gefühl der Disharmonie verlieren.
Der Vorgang also, durch den man geistlich gesinnt wird und das Gemüt erhält, das in „Jesus Christus auch war,” besteht darin, alle Gedanken zurückzuweisen, die das Fleisch betreffen und sie durch geistige Ideen zu ersetzen. Wenn wir die Bibel und „Wissenschaft und Gesundheit” als Lehrbücher benutzen und den aufrichtigen Wunsch haben, die Wahrheit zu verstehen, werden wir den Pfad zu diesem geistigen Verständnis offen vor uns liegen sehen. Er mag im Anfang schwer zu begehen sein. Wenn wir aber völlig verstehen lernen und in gewissem Grade beweisen, daß die Materie keine Freude gewähren kann, sondern vielmehr ausschließlich Leid und Enttäuschung mit sich bringt, dann wird sich unser Denken von selbst dem Geist zuwenden, und Schritt um Schritt — Gedanke um Gedanke — werden wir die geistige Kraft und den moralischen Mut erlangen, uns den Frieden zu erringen, der sich nicht erkaufen läßt, der uns aber auch nicht genommen werden kann. Bei diesem Bestreben lernen wir, geistig gesinnt zu werden. Es wird uns klar, daß Leidenschaft, Sinnlichkeit und Selbstsucht den ganzen Troß der Disharmonie im Gefolge haben und daß Reinheit und Selbstlosigkeit mit Harmonie verknüpft sind — dem Reich Gottes inwendig in uns. Wir erkennen, daß das göttliche Prinzip Leben, Wahrheit und Liebe ist, daß die Idee dieses Prinzips der Mensch ist — das Bild und Gleichnis Gottes — und daß es unsre Pflicht ist, „diesen irdischen Bann” dadurch zu brechen, daß wir diese Idee erfassen, die uns befähigt, alles zu verneinen, was die Annahme von Schmerz oder Freude in der Materie umfaßt, ja die Annahme von der Materie selbst.
Immer und immer wieder finden wir, wenn wir die Bibel in dem Lichte, das uns durch „Wissenschaft und Gesundheit” zuteil wird, nach Wahrheit durchforschen, daß das göttliche Prinzip des Daseins Gemüt, die göttliche Intelligenz, ist, und daß Jesu Verständnis von dem Gesetz Gottes, dem Gesetz des göttlichen Gemüts, ihn befähigte, alle vermeintlichen Gesetze des materiellen Daseins völlig außer acht zu lassen. Durch diese geistige Unterscheidungskraft erkannte er, daß es kein Gesetz des Mangels gibt, zerriß er alle Bande menschlicher Verwandtschaft, die ihn an seiner hohen Aufgabe hätten hindern können, in dem zu sein, das seines Vaters ist, und bewies unwiderleglich, daß es nur ein Gesetz der Anziehung gibt, nämlich das des Geistes. Er errang den Sieg über die Versuchungen des Satans durch sein Verständnis von Geist, demzufolge er der Materie alle Substanz und damit die Fähigkeit absprach, ihm etwas zu geben oder zu nehmen. Er bewies seine Gotteskindschaft durch sein nie wankendes Vertrauen auf Gott und befahl uns, desgleichen zu tun. Das können wir nur, wenn wir uns ehrlich und beständig bemühen, unser ganzes Denken von der Materie ab und dem Geist zuzuwenden. Und gleich jetzt sollten wir damit beginnen, voller Ausdauer und Ernst und mit aufrichtigem Gebet, stets eingedenk der wundervollen Verheißung in der Offenbarung: „Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen” und auch der Erklärung: „Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unsers Gottes geworden und die Macht seines Christus.”
