Zwei Studenten der Theologie kamen ins Gespräch darüber, ob es wohl in unsrer Zeit der wissenschaftlichen Forschung möglich wäre, die Lehren unsres Erlösers wörtlich aufzufassen und darauf eine religiöse Sittenlehre zu gründen, die in unsre Zeit hineinpaßt. Einer der beiden, dessen Augenmerk besonders auf die unerschütterlichen Regeln der Folgerichtigkeit gerichtet war, hielt es für unmöglich; der andre soll entgegengesetzter Ansicht gewesen sein.
Es ist wohl anzunehmen, daß der vorgeschrittene Schüler der Christlichen Wissenschaft auf eine so klar umrissene Frage eine schnelle Antwort bereit gehabt hätte. Der ehrliche Arbeiter in der Wahrheit, der die Evangelien unbedingt für heilig hält, von welchem Gesichtspunkt aus sie auch betrachtet werden mögen, schon wegen ihrer segensreichen Wirkung auf eine geistig hungernde Welt, stellt sie keinen Augenblick in Frage, sondern bemüht sich unaufhörlich, ihre geistige Bedeutung zu erfassen. Das gibt ihm das überzeugende Gefühl, daß er sein Bestes tut, um Gott im Geist und in der Wahrheit anzubeten.
Sollte ein auf dieser Grundlage ruhender Glaube nicht selbst einem zweifelnden Thomas beweisen, daß ein sorgfältiges Studium der Evangelien reicheren Gewinn bringt für ehrliches Bemühen als irgend etwas andres und daß ein unbedingtes Sichverlassen auf unsres Meisters Worte erlöst, heilt und uns in jeder Hinsicht zu besseren Christen macht? Sicherlich wurden solch wertvolle Lehren uns nicht durch Zufall, sondern durch Gottes unvergleichlich liebevolle Fürsorge für Seine Kinder zuteil, und die Macht der Wahrheit, die sie durchdringt, spricht jedem Versuch Hohn, sie auf rein theoretische oder lehrsätzliche Vergleiche zurückführen zu wollen.
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