Vor allem, kein Eifer!” sagte ein spöttischer französischer Diplomat zu einem Anfänger in diesem Beruf. Diejenigen, die sich mit den wichtigeren Geschäften des menschlichen Lebens zu befassen haben, lernen mit der Zeit, daß das göttliche Gemüt, das alles regiert und bestimmt, von dem anhaltenden Drängen des sogenannten menschlichen Willens nicht zur Eile angetrieben wird. Es sehen allerdings nicht alle ein, daß das, auf dessen Wirken sie geduldig warten müssen, die göttliche Macht ist. Aber im Verhältnis zu ihrem Wachstum an Einsicht lernen die Menschen, daß die Angelegenheiten der menschlichen Gesellschaft tatsächlich durch göttliche Macht geleitet und geordnet werden und daß Fortschritt in der rechten Richtung nur durch geduldiges Beachten und gehorsames Befolgen der Forderungen dieser göttlichen Macht erreicht werden kann. Mrs. Eddy gab dieser Wahrheit in bezeichnender Weise Ausdruck mit den Worten: „Bezwinge unmäßigen Eifer!, Lerne arbeiten und warten‘” (Retrospection and Introspection, S. 79).
Eifer in der rechten Richtung ist jedoch oft anerkennenswert. In den Wörterbüchern wird ihm keine nachteilige Bedeutung beigemessen, und eins der besten bezeichnet ihn als: „Vorliebe für eine Sache; Verlangen, besonders uneigennütziges Verlangen, einen bestimmten Zweck zu fördern; begeisterte Hingabe; Inbrunst.” Nun, diese Erklärung des Wortes Eifer enthüllt selbst bei näherer Betrachtung keinen besonderen Grund, weshalb Eifer nicht als eine wünschenswerte Charaktereigenschaft angesehen werden sollte. Besondere Vorliebe, uneigennütziges Verlangen, Begeisterung, Hingabe, Inbrunst sind Eigenschaften, die nicht kurzweg verdammt werden können. Und doch herrscht allgemein die Ansicht, daß Eifer eine Charaktereigenschaft ist, vor der man auf der Hut sein muß oder die man nur bei außergewöhnlichen Gelegenheiten zum Ausdruck bringen sollte. Es ist somit klar, daß sich uns durch eingehende Betrachtung des Wortes in all seinen Anwendungen noch eine andre Bedeutung eröffnen muß, auf die in den Wörterbüchern nicht hingewiesen wird.
Mrs. Eddy, die durch ihre klare Einsicht alle verhüllenden Nebel durchdringen und die verborgene Wahrheit offenbaren konnte, sah die verschiedenen Bedeutungen dieses Wortes. In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 599) erklärt sie es wie folgt: „Eifer. Die wiedergespiegelte Lebendigkeit von Leben, Wahrheit und Liebe. Blinder Enthusiasmus; sterblicher Wille.” Dies ist zugleich eine Erklärung und eine Warnung. Der Eifer, der nur blinde Begeisterung oder die herrschsüchtigen Bestrebungen des menschlichen Willens zum Ausdruck bringt, ist keine Eigenschaft für einen Christlichen Wissenschafter. Er kann niemals zu guten Ergebnissen führen, denn er ist ein allzu offenbarer Versuch, menschliches Wünschen an die Stelle göttlicher Führung zu setzen und unablässiges Drängen an die Stelle geduldigen Vertrauens. Wie oft sehen wir, wie wirklich lobenswerte Bestrebungen in schlechten Ruf geraten oder sogar mißlingen, weil sie mit blindem, ungezügeltem Eifer befürwortet werden! Und wie oft hindert der Eiferer durch seine blinde Begeisterung andre daran, den Wert seiner Bestrebungen zu sehen!
Wie durch geduldige Bemühungen Großes erreicht werden kann, dafür gibt es kein schöneres Beispiel als das Lebenswerk Jesu. Daß Jesus seine Aufgabe äußerst ernst nahm, ist aus allen seinen Handlungen und Worten deutlich zu erkennen. Aber wir finden keine Stelle in den Berichten, die darauf hinweist, daß er wie ein eigenwilliger Eiferer vorging. Er wußte, daß die Wahrheit, die er zu verkünden gekommen war, auf Tatsachen beruhte, daß die Arbeit, die er zu vollbringen hatte, unfehlbar zustande kommen würde, und daß Drängen dem einen weder Geltung verschaffen, noch menschlicher Wille das andre fördern konnte. Wenn wir sein Leben eingehend betrachten — sein Hinund Herwandern in seinem Wirkungskreise—, dann fällt es uns besonders auf, daß er niemals ungeduldig, niemals hastig und nie erregt war. Als die Hohenpriester und Pharisäer ihn „mit Fackeln, Lampen und mit Waffen” im Garten Gethsemane suchten, da war es Simon Petrus — nicht Jesus — der sich als Eiferer zeigte und das Schwert zog. Die Worte „Laß es jetzt also sein!” die Jesus so oft wiederholte, zeugen von seiner Willigkeit, das „Lerne arbeiten und warten” auf sich selbst anzuwenden.
Die Christlichen Wissenschafter wissen, daß die Wahrheit nicht nur Tatsachen in sich schließt, sondern göttliche Allgewalt ist. Sie wissen, daß die Wahrheit ihre eignen Zwecke mit unfehlbarer Sicherheit verfolgt. Sie wissen, daß ihr Teil an dieser Arbeit Gehorsam und unwandelbares Vertrauen ist sowie die Übung jener Geduld, die der Gewißheit des endgültigen Sieges der Wahrheit entspringt. Es ist diese Gewißheit, die dem Christlichen Wissenschafter selbst in Augenblicken scheinbarer Schwierigkeiten und des Zweifels jenes ruhige Benehmen sichert, über das Außenstehende so oft ihr Erstaunen aussprechen. Sie wissen, daß die Demonstration der Wahrheit durch ihr aufgeregtes Drängen und ihren Eifer zu helfen nicht im Geringsten beschleunigt oder sicherer gemacht wird. Sie wissen, daß „das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden,” und daß es nicht gefunden werden kann, indem man sagt: „Siehe, hier! oder: da ist es!” Im Gegensatz zu dem irregeführten Eiferer, der seine Probleme mit der Ungeduld des sterblichen Willens lösen möchte, verwerfen und leugnen die Christlichen Wissenschafter den Irrtum, erklären die Wahrheit und warten mit ruhiger Zuversicht auf das Wirken jenes göttlichen Gesetzes, das kein menschliches Wollen beschleunigen oder hindern kann.
Die wahrere Auffassung von Eifer sollte jedoch nicht beiseite geschoben werden, als habe sie keinen Platz im rechten Leben und Denken. Als „die wiedergespiegelte Lebendigkeit von Leben, Wahrheit und Liebe” stellt Eifer einen guten Teil des idealen Menschen dar. Er ist jedoch stets durch Weisheit gemäßigt und durch die richtige Einsicht, daß er in Übereinstimmung mit dem göttlichen Prinzip geübt und von dem Gedanken irriger Beeinflussung oder Beherrschung frei gehalten werden muß. Wenn der Eifer nicht so beschaffen ist und in dieser Weise bewacht wird, dann wird er zum „eifern um Gott, aber mit Unverstand,” was Paulus in diesen Worten an die Römer verwarf, weil er fand, daß sie die Gerechtigkeit Gottes nicht kannten und sich bemühten, ihrer eignen Gerechtigkeit Geltung zu verschaffen. Darum wies er sie zurecht, indem er ihnen sagte, daß es ihnen nicht zustände, in den Himmel zu fahren, um Christus herabzuholen, oder in die Tiefe, um Christus von den Toten heraufzuholen, vielmehr sagte er: „So du mit deinem Munde bekennst Jesum, daß er der Herr sei, und glaubst in deinem Herzen, daß ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du selig.” Nur so, nur indem sie den menschlichen Eifer mit eifrigem, demütigem Vertrauen vertauschten, könnten sie selig werden.
Obwohl Eifer mit Unverstand von Mrs. Eddy noch an einer andern Stelle in ihren Werken verworfen wird, so war sie doch weit davon entfernt, einen einsichtigen und wohlangewandten Eifer, der in richtigem Maße von andern und höheren Eigenschaften begleitet ist, zu verdammen, denn in The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany (S. 259) schreibt sie: „Vergiß nicht, daß redlicher und verständiger Eifer, demütiges, siegesgewisses Vertrauen, ein aufrichtiges Herz und eine helfende Hand den Menschen ausmachen und daß nichts Geringeres als das Mann oder Frau ist.”
