Als Oberst Patterson in seinen Erzählungen über die menschenfressenden Löwen von Tsavo deren tierische Natur beschrieb, wies er zugleich auf das nämliche Wesen der Menschen hin, die die Löwen jagten. Diese tierische Natur, dieses tierische Wesen zu bezwingen, sollte das Bestreben der Menschheit sein. Doch, wie bei der Jagd auf wilde Tiere, bedarf es dabei der größten Wachsamkeit, wenn der Zweck erreicht werden soll.
Als Jesus sagte: „Sehet, ich habe euch Macht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und über alle Gewalt des Feindes; und nichts wird euch beschädigen,” wies er auf das hin, was heute in der Christlichen Wissenschaft als das Vorgehen gegen die Ansprüche des tierischen Magnetismus bezeichnet wird. Unsre Führerin, Mrs. Eddy, sagt uns in ihren Schriften, wie der tierische Magnetismus entdeckt wurde und was er zu sein beansprucht. Sie beschreibt seine Grundlage als eine Annahme, diese Annahme als tierisch und in ihrer scheinbaren Wirksamkeit übereinstimmend mit Mesmerismus oder Hypnotismus. Und im Lichte der göttlichen Wahrheit zeigt sie dann, daß er ein Nichts ist, da er weder göttliche Intelligenz, noch Kraft und Wirklichkeit besitzt; mit andern Worten, er ist alles das, was die irrige Annahme vom Bösen oder vom Irrtum in sich schließt. Daraus ergibt sich, daß der tierische Magnetismus unsern Kampf mit dem Fleisch darstellt, denn, wie Paulus sagt: „Das Fleisch gelüstet wider den Geist, und den Geist wider das Fleisch; dieselben sind widereinander.”
Schützt man sich nicht gegen den tierischen Magnetismus, so versucht er, die Wachsamkeit zu verhindern und gerade diejenigen einzuschläfern, die mit wichtiger Arbeit beschäftigt sind, sei es in den Gottesdiensten, beim christlich-wissenschaftlichen Klassenunterricht, beim Studium der wöchentlichen Lektions-Predigt, beim Vorgehen gegen Krankheitsansprüche in der Behandlung oder bei irgendeiner andern Arbeit für die Sache Christi. Als die Jünger schliefen, tadelte sie Jesus mit den Worten: „Könnet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.” Dieser Ausspruch hat all die Jahrhunderte hindurch von der Welt Rechenschaft gefordert. Man kann sicher sein, daß diejenigen, die den tierischen Magnetismus nicht überwinden und nicht als nichtig beweisen, von ihm überwunden werden, und zwar durch die Furcht, daß seine Ansprüche berechtigt und wirklich seien. Und sie sind sich dann nicht mehr bewußt, daß „der Herr, euer Gott, geht mit euch, daß er für euch streite mit euren Feinden, euch zu helfen.”
Die launenhaften und unbeständigen Eigenschaften der Materialität scheinen sich überall da zu zeigen, wo ein sterblicher, menschlicher Sinn vorhanden ist, bis die Christliche Wissenschaft kommt und seine falschen Annahmen aufdeckt, indem sie das eine unendliche göttliche Leben offenbart, das von der sogenannten Materie völlig unberührt und ihr in keiner Weise untertan ist. Der göttliche Christus kommt zu dem verdunkelten menschlichen Sinn und klopft leise an die Tür des menschlichen Denkens, und wenn die Tür aufgetan wird, tritt er ein mit ewiger Gnade und bringt das Licht der Wahrheit. Durch das Kommen der Christlichen Wissenschaft hat die göttliche Offenbarwerdung Gottes in diesem Zeitalter Einlaß in das menschliche Verständnis erlangt und hat in dem Maße, wie sie aufgenommen wurde, die falschen menschlichen Annahmen verdrängt. Das Wirken des Christus, der geistigen Idee, macht sich in alle Ewigkeit geltend, und durch sein Kommen zum Fleisch, dem Trugbild des materiellen Sinnes, zerstört er es.
Die Sterblichen haben in der Regel kein Gefühl der Unsicherheit oder Furcht, bis sich eine bösartige Seite der menschlichen Annahme zeigt. Dann scheint die Furcht sich geltend zu machen, und es regt sich die Annahme von der Notwendigkeit der Selbsterhaltung, die scheinbar schlummerte, bevor die tierischen Eigenschaften der Furcht, des Hasses, der Bosheit und der Rache sich zeigten. Diese tierischen Eigenschaften sind das Gegenteil der geistigen Eigenschaften, die von Leben, Wahrheit und Liebe ausgehen. Was von Gott, dem Guten kommt, bringt nur das Ebenbild des Geistes zum Ausdruck; es braucht sich also nicht mehr zu vervollkommnen, weil es schon vollkommen ist, und kann nie von dem vollkommenen Daseinszustand, der Wiederspiegelung Gottes, abweichen.
Die Christliche Wissenschaft zeigt, daß unrechtes Verlangen, Furcht, Rache oder andre tierische Neigungen genährt werden durch das, was ausschließlich materiell ist, jedoch auch nur der Annahme nach, und daß diese Eigenschaften nur einem Sinn angehören, der noch nicht zur Erkenntnis des geistigen Seins erwacht ist. Der Christliche Wissenschafter wird nun natürlich keine Löwen jagen, ja, er wird nicht einmal den bösartigen Gemütszustand verfolgen, den sie darstellen. Das hieße zugestehen, daß Gott Zorn, Rache, Gier und Leidenschaft geschaffen hat, daß diese mutmaßlichen tierischen Eigenschaften sich als unharmonische Körperzustände kundtun können und daß sie von den Christlichen Wissenschaftern aus ihren Verstecken aufgejagt werden müssen, damit die Wahrheit sie zerstören könne. Gott, Geist, das unendliche Gemüt, kennt sie nicht, und doch kennt Er alles, was wirklich besteht! Nun, wenn Gott alles kennt, dann können diese vermeintlichen Eigenschaften auf keinen Fall in Seiner Gegenwart bestehen.
Mancher mag sagen: „Ich werde aber selbst manchmal böse.” Wir können natürlich nicht zur Sünde sagen, daß sie nicht mehr sündigen soll, denn dann würden wir eine Wesenheit aus ihr machen. Auch mit Krankheit können wir nicht in dieser Weise verfahren, denn in Wirklichkeit gibt es keine Krankheit. In dem unendlichen Bereich des Verständnisses vom Christus, dem wirklichen Menschen, gibt es keine Sünde und keine Krankheit. Mrs. Eddy sagt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 234): „Wenn die Sterblichen über das sterbliche Gemüt recht Wache halten wollten, dann würde die Brut des Bösen, die dasselbe quält, ausgetrieben werden. Wir müssen mit diesem sogenannten Gemüt den Anfang machen und es von Sünde und Krankheit leeren, sonst werden Sünde und Krankheit niemals aufhören.” Wir müssen aber etwas Wirkliches haben, von dem wir ausgehen können. Sünde hat kein tatsächliches Dasein und könnte, gäbe es nicht den Glauben an Sünder, nichts aus sich selbst hervorbringen. Solange das sogenannte sterbliche Gemüt die Sünde als Wesenheit betrachtet, wird diese Annahme das Licht der Wahrheit fernhalten, das das einzige Erlösungsmittel ist, um dieses sterbliche Gemüt aus seinem sündigen Selbst herauszuheben.
Wenn die Sünde oder der Glaube an ihre Wirkungen auf den Körper Leiden verursacht, dann mag es vorkommen, daß das menschliche Gemüt so bescheiden wird, zuzugestehen, daß Krankheit scheinbar ein Irrtum ist, daß es einen Weg aus dem Leiden heraus geben mag und daß womöglich eine gegenwärtige Macht da ist, die man suchen und finden kann, und die den Irrtum überwinden wird. „Christus, Wahrheit, der Geist des Lebens und der Freund des Sterblichen Menschen, vermag jene Gefängnistüren weit zu öffnen und den Gefangenen zu befreien,” sagt Mrs. Eddy auf Seite 433 von „Wissenschaft und Gesundheit.” Das Licht der Wahrheit ist stets gegenwärtig, ununterbrochen wirksam und macht sich zu aller Zeit geltend. Wenn sich die Tür des verdunkelten menschlichen Bewußtseins auch nur um die kleinste Spalte öffnet, dann dringt ein wenig Wahrheits-Licht hindurch und bringt das Verständnis, daß es keine Dunkelheit gibt, sondern nur ewiges Licht. Das menschliche oder sterbliche Gemüt wird tatsächlich nicht erleuchtet, es schwindet vielmehr dahin „durch die Erscheinung seiner [Christi] Zukunft,” d. h. seine Annahme von seiner eignen Dunkelheit weicht vor dem unablässig wirkenden göttlichen Prinzip.
Man nehme den Fall an, ein Mensch würde von einer Krankheitsannahme befallen, und es wäre ihm nicht möglich, andre um Hilfe zu bitten, sodaß er die Schmerzen und sonstigen schlimmen Zustände, die sich ihm darbieten, scheinbar ertragen müßte. Dann sollte er damit anfangen, nach bestem Vermögen sich wissenschaftlich zu vergegenwärtigen, daß er die Tür verschließen und Wache stehen muß, um die krankhaften Annahmen auszuschließen. Er muß den Standpunkt der erhabenen Überzeugung einnehmen, daß das Wirken des Christus den verborgenen Irrtum aufdecken und gegen die Bosheit des Feindes ein Schutz sein wird, der die Tür verschließt und die Fenster verriegelt. Je stärker sein Glaube ist, und je mehr ihn die Kraft der göttlichen Liebe erfaßt, desto schwächer wird die Erscheinung des Übels. Das materielle Denken findet keinen Einlaß mehr, und der Patient wird erkennen, daß sein Leiden nur ein Angriff des mutmaßlichen tierischen Magnetismus war und daß das Schwert des Geistes die Fesseln der Furcht gelöst und die falsche Annahme des sterblichen Gemüts zerstört hat, sodaß der Bann gebrochen ist. Dann kommt das Licht der Wahrheit und verscheucht die trügerischen Schatten, bis sie ganz in ihre absolute Nichtsheit verschwinden, und leise, wie der Tau sich auf die Rose senkt, wird eine völlige Überzeugung der Gegenwart und Macht der Wahrheit das Feld behaupten. Das heißt die Ansprüche des tierischen Magnetismus in der Weise überwinden, daß seine Nichtsheit bewiesen wird. Und unsre Führerin lehrt uns, daß dies die einzige Art ist, auf die wir ihn überwinden können.
Das Bild von Daniel in der Löwengrube, auf dem er sein Antlitz dem Licht zuwendet und den Löwen den Rücken zukehrt, veranschaulicht die mannigfachen Ansprüche des Bösen, die Daniel angegriffen hätten, wenn er das Übel als wirklich angesehen, wenn er der Versuchung nachgegeben hätte, auch nur einen Blick darauf zu werfen oder ihm ein gewisses Maß von Wirklichkeit zuzugestehen. Aber er ließ sich nicht dazu bewegen, sich auch nur einen Augenblick von dem Wirken des Christus abzuwenden, das ihn beseelte. In einer christlich-wissenschaftlichen Sonntagsschule legte ein kleiner Junge die Befreiung Daniels von den Löwen ganz einzigartig aus. Er sagte: „Daniel war geistig, und die Löwen wollten Fleisch; darum wollten sie den Daniel nicht.” Unsre Führerin erklärt, daß Daniel geschützt war, weil er die Herrschaft der göttlichen Liebe verstand. In ruhiger Würde antwortete er dem König, ohne Groll darüber, daß man ihn den Löwen vorgeworfen hatte, vielmehr voller Freude, daß ihm die göttliche Liebe Gelegenheit gegeben, die Vollkommenheit das Seins zu beweisen. Sein ruhiger Gruß war: „Der König lebe ewiglich!” Und seine Demonstration führte das Volk seiner Zeit zu der uneingeschränkten Erkenntnis, daß der Gott Daniels der einzige Gott ist, den man anerkennen darf und dem man dienen muß.
Wenn wir uns von diesem Ereignis unsern eignen täglichen Erfahrungen zuwenden, finden wir, daß wir in unserm Leben genug Gelegenheit haben, die Ansprüche des tierischen Magnetismus zu überwinden, d. h. ihre Nichtsheit durch das Verständnis der Wahrheit zu beweisen. Auf keine andre Art kann es geschehen. Die Gelegenheiten kehren beständig wieder. Darum wollen wir uns freuen, daß Gott regiert. In Wirklichkeit gibt es kein Übel, keine falsche Annahme von Rache. Wir müssen Gott über alles lieben und verstehen, was unsre Führerin auf Seite 569 von „Wissenschaft und Gesundheit” sagen will mit den Worten: „Wer den Saum des Gewandes Christi berührt und seine sterblichen Annahmen, das tierische Wesen und den Haß, bemeistert, der erfreut sich des Beweises des Heilens, eines süßen und gewissen Sinnes, daß Gott Liebe ist.”