Es gibt wenig Punkte, denen der Christliche Wissenschafter eine größere Beachtung schenkt als dem Bewußtsein. Ja, jeder nachdenkende Mensch hegt den Wunsch, den Ursprung und die Bedeutung des Bewußtseins recht verstehen zu lernen. Das Bewußtsein ist eine Tatsache. Jedermann ist sich darüber klar. Würde man das, was man Bewußtsein nennt, beseitigen, so wäre für den menschlichen Sinn das Dasein vernichtet. Das Bewußtsein ist also grundlegend.
Viele glauben an einen Zusammenhang zwischen dem Bewußtsein und dem sogenannten menschlichen Gemüt. So halten sie sich oder das, was sie ihr Gemüt nennen, des Daseins der Materie oder materieller Gegenstände, der Form, des Gewichts, der Farbe oder anderer Eigenschaften dieser Gegenstände für bewußt. Sie halten sich auch sittlicher und geistiger Eigenschaften für bewußt. Ja nicht nur das, sie glauben ferner, sie seien sich verschiedener Gesinnungseigenschaften bewußt, die sie in sittenlose, böse oder ungeistige einteilen. Das heißt, das sogenannte menschliche Gemüt beansprucht, sowohl außerhalb seiner selbst befindlicher materieller Gegenstände sich bewußt zu sein als auch von rechten und falschen Gedanken Kenntnis zu haben. Wir sehen also, daß die Sterblichen glauben, sie besitzen ein Gemüt, das sowohl materielle Dinge als auch geistige Ideen erkennen kann, sich sowohl des Guten als auch des Bösen bewußt ist. Gerade an diesem Punkte findet die Christliche Wissenschaft die Menschheit.
Nun offenbart die Christliche Wissenschaft die Wahrheit über das wirkliche Bewußtsein und zwar auf die möglichst einfache Art. Die Christliche Wissenschaft erklärt, daß es nur ein göttliches Gemüt gibt, und daß dieses Gmüt sich seiner bewußt ist; das heißt, daß Gemüt oder Gott sich alles dessen bewußt ist, was Dasein hat. Was aber das Gemüt als seinen Ausdruck kundgibt, ist das geistige Weltall oder die geistige Schöpfung. Daher ist sich das Gemüt seiner ganzen Schöpfung geistiger Ideen bewußt. Hieraus folgt, daß Gemüt und Bewußtsein nie von einander getrennt sein können. Zusammengefaßt lautet also die Schlußfolgerung: Gott weiß alles; Gott ist sich alles Bestehenden bewußt: es ist die geistige Schöpfung von Ideen, deren sich Gott, das göttliche Gemüt, bewußt ist.
Was ist aber der Mensch? Was ist das Bewußtsein, insoweit es den Menschen betrifft? Auch hierüber gibt die Christliche Wissenschaft völlige Aufklärung. Da die Idee dem Gemüt untertan ist, so ist der Mensch Gott, dem göttlichen Gemüt, untertan, — mit andern, in diesen Zusammenhang passenden Worten: Gemüt ist sich des Menschen, Seiner geistigen Idee, bewußt. Es besteht daher unauflösliche Einheit zwischen Gemüt und dem Menschen. Gemüt und der Mensch stehen dadurch, daß Gemüt sich des Menschen, Seiner geistigen Idee oder Schöpfung, bewußt ist, in ewiger Wechselbeziehung zueinander.
Nun erhebt sich wohl zunächst die Frage: Was ist das Bewußtsein des Menschen? Nach dem Gesagten sollte es klar sein, daß es nur ein wirkliches Bewußtsein gibt, nämlich das des göttlichen Gemüts. Und hier kommen wir zu einer das Denken wohl am meisten anregenden und fesselnden Wahrheit in der göttlichen Wissenschaft, nämlich der, daß der wahre oder geistige Mensch alle Eigenschaften des göttlichen Gemüts, einschließlich des wahren Bewußtseins, wiederspiegelt. Auf Seite 336 von „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt Mrs. Eddy: „Das Bewußtsein und die Individualität des geistigen Menschen sind Wiederspiegelungen Gottes. Sie sind der Ausfluß von dem, der Leben, Wahrheit und Liebe ist”. Wenn wir also zu richtigen Schlüssen gelangen wollen, müssen wir das wirkliche Bewußtsein stets im Sinne seiner ewigen Zugehörigkeit zu Gott, dem göttlichen Gemüt, betrachten. Und in dem Augenblick, in dem wir beginnen, den Menschen als das, was er in Wirklichkeit ist — als das Bild und Gleichnis Gottes, als die Wiederspiegelung des göttlichen Gemüts — zu erkennen, fangen wir an, die Tatsache zu verstehen, daß der individuelle Mensch das göttliche und kein anderes Bewußtsein zum Ausdruck bringt oder wiederspiegelt.
Wenn die Menschen die Wahrheit über das wirkliche oder das wahre Bewußtsein verstehen lernen, dann sehen sie ein, daß sein Wesen vollkommen ist. Da es von Gott ist, ist es immer gut; es hat nicht den leichtesten Hauch des Bösen an sich. Oder, da sich Gott alles dessen bewußt ist, was wirklich besteht, so kann es in Wirklichkeit kein Bewußtsein vom Bösen geben. Das sogenannte Bewußtsein vom Bösen ist also eine Lüge des sterblichen Gemüts, eine Lüge der „fleischlichen Gesinnung”, die Paulus als „Feindschaft wider Gott” bezeichnet, „sintemal das Fleisch dem Gesetz Gottes nicht untertan ist; denn es vermag's auch nicht”.
Hat die Menschheit je eine herrlichere Offenbarung erhalten als die, daß es nur ein wirkliches Bewußtsein gibt, das Bewußtsein, das geistig, nicht materiell ist, das Bewußtsein, das das Gute, aber nicht das Böse kennt? Diese Offenbarung ist zu den Menschen gekommen, um sie zu erlösen; denn sobald sie von dem wahren geistigen Bewußtsein und von dem gänzlich eingebildeten Wesen des sogenannten materiellen Bewußtseins ein Verständnis erlangen, fangen sie an, den Ausweg aus der falschen Annahme, daß die Materie oder das Böse wirklich ist, zu sehen, und machen sich von Sünde und Krankheit frei, indem sie sich an das wahre oder wirkliche Bewußtsein halten und das falsche Bewußtsein zurückweisen. „Wenn wir unsre Beziehungen zu dem Göttlichen völlig verstehen”, schreibt Mrs. Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit” (S. 205, 206), „können wir kein andres Gemüt haben als das Seine — keine andre Liebe, Weisheit oder Wahrheit, keine andre Auffassung vom Leben und können kein Bewußtsein von dem Vorhandensein der Materie oder des Irrtums haben”. Dann wird auch die Weissagung des Jeremia erfüllt sein: „Sie sollen mich alle kennen, beide, klein und groß”.
Erscheint die Aufgabe dem menschlichen Sinn, als ob sie nicht zu bewältigen sei? Vielleicht; aber das macht sie in Wirklichkeit nicht dazu. Der Irrtum versucht stets, sich aufzublähen. Das sieht man deutlich, wenn das, was das sterbliche Gemüt eine bösartige Krankheit nennt, durch das Verständnis des wirklichen Bewußtseins geheilt wird. Die Schwierigkeit ist dem menschlichen Sinn vielleicht sehr groß, sehr hartnäckig, sehr wirklich vorgekommen; aber wenn der ehemalige Kranke sich des wirklichen Seins bewußt wird, indem er die falschen Annahmen des mutmaßlichen oder unwirklichen Bewußtseins durch sein erleuchtetes Verständnis zurückweist, muß die Heilung ebenso sicher erfolgen, wie die Finsternis vor dem Licht verschwindet.
„Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott gegeben ist”. Und die Christliche Wissenschaft rüstet alle, die demütig genug, und rein genug, und willig genug sind, ihre Botschaft zu empfangen, in hohem Maße mit dem „Geist aus Gott” aus, oder, sie lernen nach den Worten unserer verehrten Führerin auf Seite 276 von „Wissenschaft und Gesundheit” verstehen, daß „der Mensch und sein Schöpfer ... in der göttlichen Wissenschaft in Wechselbeziehung zu einander” stehen, denn „das wirkliche Bewußtsein weiß nur um die Dinge Gottes”.
