Man erzählt eine ansprechende Geschichte von einem kleinen Knaben, der an einer lästigen körperlichen Krankheit litt, und der seine Mutter bat, ihm aus dem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mary Baker Eddy vorzulesen, jenem Büchlein, das schon so vielen Leidenden Trost und Heilung gebracht hat. Die Mutter las viele Seiten, ehe das Fieber den Kleinen verließ. Er schlief dann ruhig ein und erwachte erst am nächsten Morgen ganz fröhlich und gesund. Mehrere Tage später erhielt diese Mutter einen in schlechtem Stil abgefaßten, mit großer, ungelenkiger Schrift geschriebenen Brief, worin sie gebeten wurde, dem Absender den Titel des Buchs mitzuteilen, aus dem sie an dem oben erwähnten Abend ihrem Sohn vorlas, und worin der Schreiber des Briefs weiter erklärte, er sei berufsmäßiger Einbrecher und habe sich damals unter dem Bett des kleinen Knaben versteckt, nachdem er kurz vorher das Haus mit der bestimmten Absicht zu stehlen betreten hatte. Das Vernehmen der herrlichen Botschaft der Hoffnung und der Liebe, die die Mutter ihrem Söhnchen vorlas, heilte ihn von seinem verbrecherischen Verlangen und erweckte in ihm den eifrigen Wunsch, mehr von der in diesem Buch enthaltenen Wahrheit zu erfahren und sie womöglich im täglichen Leben anwenden zu lernen.
Dieses Vorkommnis veranschaulicht aufs beste, wieviel Gutes geschehen kann, wenn nur heilende, gesunde Gedanken ausgesandt werden. Wir wissen, wie Matthäus sagt, „weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird”; aber in diesem Falle wurde der Sohn jemand, der offenbar weit vom Himmelreich entfernt war, geoffenbart; und das Kommen des Sohnes, des Christus, änderte sein ganzes Leben.
„Ein, still sanftes Sausen‘ des wissenschaftlichen Gedankens”, sagt Mrs. Eddy (Wissenschaft und Gesundheit, S. 559), „erstreckt sich über Land und Meer bis zu den fernsten Grenzen des Erdballes”, und weil dieses Sausen immer eindringlicher wird, sollten alle, die bestrebt sind, in Übereinstimmung mit ihrem höchsten Verständnis des Guten zu leben, die Notwendigkeit der Widerspiegelung wahrer Güte in jedem Gedanken und in jeder Handlung beständig wachsam vor Augen behalten. Wir können nie den genauen Zeitpunkt wissen, wann eines unserer Worte oder eine unserer Handlungen unsern Nächsten beeinflußt; und in dem sein, das unseres Vaters ist, heißt ein treuer Wächter sein, der sich jeden Augenblick vor Irrtum im Denken und Handeln hütet.
Wie sollen wir geistige Wachsamkeit erwerben? Dadurch, daß wir in erster Linie ernstlich nach wahrer Demut trachten; denn dem demütigen Denken offenbaren sich die göttlichen Wahrheiten. Erst als Saulus, der umhergegangen war, um die Christen zu verfolgen, seiner menschlichen Anmaßung und seines falschen Stolzes entblößt war, konnte er furchtlos als erklärter Nachfolger gerade des Jesus auftreten, dessen Jünger er so beharrlich verfolgt hatte. In Demut und Reue erlangte er die Vision „eines neuen Himmels und einer neuen Erde” und war bereit, seinen neuen Namen Paulus zu empfangen. In diesem Augenblick der Erleuchtung, als die menschlichen Annahmen, die ihn gegen geistige Wahrheiten blind gemacht hatten, von ihm abfielen, wurde Paulus „von neuem geboren”; und kein treuerer Nachfolger des sanftmütigen Nazareners als er hat je einer von Sünde gequälten Welt Erleuchtung gebracht.
Mrs. Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, erkannte die große Notwendigkeit der geistigen Wachsamkeit, als sie auf Seite 392 des christlich-wissenschaftlichen Lehrbuchs den erleuchtenden Satz schrieb: „Steh Wache an der Tür des Gedankens”. Wie treu sie selbst Wache stand, kommt in der großen, stets wachsenden Bewegung der Christlichen Wissenschaft zum Ausdruck, einer Bewegung, die jedem, der noch in der Wüste menschlicher Entmutigung weilt, liebevoll die Hand entgegenstreckt. Indem Mrs. Eddy unharmonische Gedanken zurückwies, behauptete sie sich vor mehr als fünfzig Jahren furchtlos einer spottenden, ungläubigen Welt gegenüber und begann in liebevoller Demut jene zwingenden Gebote des Meisters in ihrer herrlichen Vollständigkeit in die Tat umzusetzen: „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur”; „Macht die Kranken gesund, reinigt die Aussätzigen, weckt die Toten auf, treibt die Teufel aus”. Genau wie sie, die jeden ihrer Gedanken dem widmete, was ihres Vaters war, es für nötig hielt, gegenüber den falschen Ansprüchen des Bösen beständig wachsam zu sein, so muß auch jeder ernste Christliche Wissenschafter stets auf der Hut, stets bereit sein, mit Wort und Tat jene liebevolle wirksame Wahrheit auszudrücken, die nicht nur den freimacht, der sie lebt, sondern auch viele, die sie sehen und hören.
Gibt es für das schließliche Überwinden alles Irrtums einen größeren Ansporn als die herrlichen Ergebnisse, die von unserem täglichen Streben zeugen, gesinnet zu sein, „wie Jesus Christus auch war”? Sagt man uns, man bringe in ganz ungekünstelter Weise mit einem Wörtchen oder mit einer kleinen Handlung einem Kameraden einen Hoffnungsschimmer und Heilung, so können wir verstehen, was David zum Ausdruck bringen wollte, als er in seinem herrlichen Psalm vom guten Hirten sagte: „Und schenkest mir voll ein”,— mit einer Dankbarkeit, die zu tief ist, als daß sie mit Worten ausgedrückt werden könnte!
Vor Jahren schrieb Zyprianus, einer der ersten Christen: „Außerdem hieß uns aber der Herr klug sein und gebot uns, mit großer Sorgfalt zu wachen, damit nicht der Widersacher, der immer wacht und lauert, heimlich in unsere Brust schleiche und einen Brand entfache, ... und die Zerstörung des Glaubens, die Vernichtung der Seligkeit und des Lebens zuwege bringe”. Laßt uns also lieber wachsam sein, daß wir in jedem Wort und mit jeder Tat das unwandelbare Gesetz des Guten zum Ausdruck bringen, das jedes Tal der Hoffnung und des Glaubens erhöht und jeden Berg der Disharmonie und der Krankheit erniedrigt.
Dem menschlichen Sinn erscheint es nicht leicht, ein Christlicher Wissenschafter zu sein. Es bedeutet für ihn einen beständigen Kampf mit dem Irrtum, mit den Götzen dieser Welt — Wollust, Geiz, Haß, Bosheit und Eigenliebe —,einen großen Kreuzzug, dem wir uns alle angeschlossen haben, um das Reich Christi hier und jetzt aufzurichten. Doch auf keinem Gebiete der Errungenschaften sind die Belohnungen so reich und so voller Überfluß wie für diese erhebende, geheiligte Arbeit; denn durch das Verständnis, das man durch das sorgfältige Forschen in der Bibel in Verbindung mit dem christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch erlangt, ist es möglich, der leidenden Menschheit jene glorreiche Heilsbotschaft zu bringen, jenes große Evangelium der Liebe und des guten Willens, das durch die Jahrhunderte hindurch ertönt und verkündigt: „Jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils!”
