Es hat in der neueren Geschichte wohl nie eine Zeit gegeben, in der an erprobte Fähigkeit des Vollbringens größere Anforderungen gestellt wurden als gegenwärtig. Die neuzeitliche Zivilisation ist so verwickelt geworden, und die menschliche Tätigkeit hat solch riesige Verhältnisse angenommen, daß frühere Errungenschaften zur Bedeutungslosigkeit herabzusinken scheinen. Immer größere Tüchtigkeit wird gefordert, und immer höhere Anforderungen werden gestellt. In den letzten Jahren sind viele menschliche Lehren, die diesem menschlichen Bedürfnis gerecht werden wollten, ersonnen worden; doch sie erwiesen sich, wenn sie erprobt wurden, als traurige Mißerfolge, indem sie die Frage ungelöst ließen.
Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß es für jeden rechtmäßigen Bedarf, sei es ein Bedarf an Fähigkeit, an Einsicht, an Kraft oder an Substanz, eine gerechte Versorgung gibt. Auf Seite 94 des Lehrbuchs, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift”, bezieht sich Mrs. Eddy, wenn sie von der „Allgegenwart des Gemüts” spricht, auf „die unendlichen Fähigkeiten des einen Gemüts”. In diesem Satze führt sie uns sehr nachdrücklich die Ursache des Mißlingens und die einzig wahre Grundlage des Erfolgs vor Augen.
Um den Glauben an begrenzte Fähigkeit oder jeden andern Anspruch auf Begrenzung zu überwinden, muß es uns klar sein, daß wir notwendigerweise aufhören müssen, uns auf etwas zu verlassen, was seiner eigentlichen Natur nach begrenzt, endlich und eingeschränkt ist. Bei jeder Gelegenheit umgibt sich das sogenannte menschliche oder sterbliche Gemüt mit Begrenzungen. Es beginnt mit einer endlichen, beschränkten Vorstellung von Gott, der an einen bestimmten Ort gebunden sei und der Kraft ermangle. Es sagt, Gott hätte vor neunzehnhundert Jahren gewisse Dinge für Seine Kinder vollbringen können; Er sei aber heute machtlos, dieselben Dinge zu tun. Es sagt, Seine Kraft stehe den Sündern, nicht aber den Kranken zur Verfügung, obgleich deren Not ebenso groß sein kann. Und eine seiner beharrlichsten Annahmen ist, daß das Leben auf eine gewisse Reihe sterblicher Jahre beschränkt und beständig von beengenden, begrenzenden Erfahrungen und beschränkten Grenzen umgeben sei, die wir nicht überschreiten können. Solange wir von einem mit solch beschränkenden Annahmen erfüllten Gemüt abhängig sind, können wir jene Herrschaft, die des Menschen rechtmäßiges Erbe und göttliches Eigentum ist, nicht erlangen.
Jesus von Nazareth war der befähigste und erfolgreichste Mensch, der je gelebt hat. Jede seiner gerechten Bestrebungen wurde mit gutem Erfolg gekrönt. Es mißlang ihm nie, eine Krankheit zu heilen oder eine Aufgabe, vor die er sich gestellt sah, zu lösen. Ist es nicht sonderbar, daß angesichts einer solch bewiesenen Fähigkeit die Welt immer noch den Schlüssel zum Erfolg im sogenannten menschlichen Gemüt und in seinen verschiedenen Lehren sucht?
Unser großer Meister gab uns für alle Zeiten die Grundlage wahren Vollbringens, als er sagte: „Ich kann nichts von mir selber tun. Wie ich höre, so richte ich, und mein Gericht ist recht; denn ich suche nicht meinen Willen, sondern des Vaters Willen, der mich gesandt hat”. Und nur in dem Maße, wie wir die in seinen Worten enthaltene Wahrheit erkennen, kommt unser Vollbringen seinen mächtigen Werken näher. Nur in dem Maße, wie wir die Gedanken Gottes denken und Ihn als die einzige Quelle jeder rechten Idee erkennen, können wir unser Einssein mit „den unendlichen Fähigkeiten des einen Gemüts” bekunden. Jede Tätigkeit, die von Selbstsucht, persönlichem Ruhm oder Habgier angetrieben wird, ist zu Mißerfolg verurteilt. „Selbstsucht hat in der Praxis der Wahrheit oder der Christlichen Wissenschaft keinen Raum”, sagt Mrs. Eddy in unserem Lehrbuch (S. 410); und Selbstsucht wird nie etwas Wahres oder Gutes vollbringen.
Die Bibel lehrt, daß der Mensch Gottes Bild und Gleichnis ist. Ein Bild ist etwas, das den ursprünglichen Gegenstand widerspiegelt. Des Menschen wahre Aufgabe ist, Gottes Eigenschaften widerzuspiegeln, auszudrücken oder zu bekunden. Der Mensch ist erschaffen, um das Leben, die Wahrheit und die Liebe — das eine Gemüt, das unendlich Gute — bildlich darzustellen. Wenn es unser einziger Beweggrund ist, täglich und stündlich den höchsten Grad von Dienst, dessen wir fähig sind, zu leisten, wird Gott sicherlich unsere Bemühungen segnen, Mißerfolg wird ausgeschaltet werden, und wir werden immerdar für die ewige Tatsache zeugen, daß
„Er wirket das Wollen
Und das Vollbringen.
Wir handeln durch Seine Kraft;
Nur Ihm sei Ehre und Ruhm!”
