Mrs. Eddy läßt die Christlichen Wissenschafter nicht im Zweifel über die Notwendigkeit der Bereitschaft metaphysischer Arbeiter, den Irrtumsansprüchen, die so beständig an sie herantreten, unverzüglich entgegenzutreten. „Der Christliche Wissenschafter”, schreibt sie in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 450), „hat sich in den Dienst der Verminderung des Bösen, der Krankheit und des Todes gestellt”. Mit bündigen Anleitungen hinsichtlich der Mittel. die der christliche Streiter in seinem Kampfe mit den Vorwänden des Bösen anwenden soll, fährt sie fort: „und [er] wird sie durch das Verständnis ihrer Nichtsheit und der Allheit Gottes oder des Guten überwinden”.
Das Böse wird wissenschaftlich zerstört, wenn auch nur der bloße Schein von Wirklichkeit an ihm geleugnet wird; und das Leugnen wird dadurch wirksam gemacht, daß man die Ansprüche des Bösen durch geistige Wahrheit ersetzt. An dem an Stelle des Bösen im Bewußtsein aufgerichteten Guten als der einzigen Wirklichkeit muß man unerschütterlich festhalten. Im Verhältnis zu ihrem Festhalten am Buchstaben und am Geiste der göttlichen Wissenschaft gelingt es auf diese Art den christlich-wissenschaftlichen Praktikern, die Vorwände des Bösen, die sich durch die zahllosen Wege des persönlichen Sinnes einstellen, zu zerstören. Die Arbeit der Heiler beim Zerstören des Bösen bildet den festen Grund, worauf die christlich-wissenschaftliche Bewegung steht. Irrtum kann die Church of Christ, Scientist weder zugrunde richten noch ihr rechtmäßiges Wachstum verzögern, solange die Früchte des Geistes in Gestalt von geheilten und wiedergeborenen Sterblichen in Erscheinung treten.
Für den nachdenkenden Praktiker erhebt sich jedoch die Frage, ob man seiner Verpflichtung vollauf nachgekommen sei, wenn man nicht zuweilen den Blick über das vor einem liegende Bedürfnis einer persönlichen Heilung erhebt und die Irrtumsansprüche bekämpft, ehe sie persönlich zum Ausdruck kommen, wodurch die Kraft geistiger Wahrheit zur Zerstörung des Bösen in größerem Umfange angewandt wird. Ein Sprichwort, das diese Notwendigkeit, wenn auch in etwas derber Form, zum Ausdruck bringt, lautet: „Es ist besser, vor einem Abgrund einen Zaun anzubringen, als unten einen Krankenwagen bereit zu halten”. Wird das Vorhandensein sowohl des vorausgeahnten Übels als auch seiner Absicht wirksam geleugnet, so wird dadurch der persönliche Sinn des Leidens in großem Maße geschwächt.
Der Christliche Wissenschafter lernt verstehen, daß das Sein unwandelbar in einzelnen geistigen Ideen ausgedrückt ist; tatsächlich kann sich das Sein auf keine andere Art und Weise bekunden. Ebenso scheint es, daß die vermeintlichen Ansprüche des Bösen scheinbar persönlich, d. h. als Einzelwesen, ausgedrückt sind; und das Böse wird in seiner Einzelkundwerdung durch die wissenschaftliche Anwendung der geistigen Wahrheit erfolgreich zerstört. Überdies ist bewiesen, daß der Christus, die Wahrheit, der die persönlich ausgedrückten Annahmen des Bösen so gewiß überwindet, bei wissenschaftlicher Anwendung nicht weniger wirksam ist, wenn er auf das Übel in seinem Anfangszustande, d. h. ehe es durch den persönlichen Sinn oder die persönliche Annahme Ausdruck findet, angewandt wird.
Auf Seite 559 in Wissenschaft und Gesundheit schreibt Mrs. Eddy unter der Randüberschrift „Das Buch der Wahrheit” von dem Büchlein in der Hand des Engels der Offenbarung, „deren, rechter Fuß' oder herrschende Macht auf dem Meere stand—auf dem elementaren, latenten Irrtum, der Quelle aller sichtbaren Formen des Irrtums”. Hier spricht unsere Führerin über den Irrtum als latent und elementar, d. h. unausgedrückt und untätig, noch nicht menschlich bekundet, als Ursprung zahlloser Ansprüche des Bösen, die in der Erfahrung der Sterblichen vorkommen. „Der linke Fuß des Engels”, fährt sie fort, „stand auf der Erde; d. h. eine sekundäre Macht wurde über den sichtbaren Irrtum und die hörbare Sünde ausgeübt”. Der Begriff unserer Führerin von Irrtum, wie er hier ausgedrückt ist, gehört unverkennbar zu der persönlichen Kundwerdung des Bösen in mannigfaltigen Erscheinungsformen, die durch die Annahmen der Sterblichen sowohl sichtbar als auch hörbar werden; und hier folgt die Zusicherung, daß der Irrtum, mag er sich noch so drohend gebärden, seine Zerstörerin in der unendlichen Kraft der Wahrheit findet, die fähig ist, allen Irrtum zu zerstören.
Demgemäß, kann man folgern, ist es nicht notwendig, daß die Christlichen Wissenschafter warten, bis der Irrtum persönlich zum Ausdruck kommt, ehe die Nichtigkeit seiner Ansprüche auf Bestehen erkannt und seine Scheinwirklichkeit zerstört werden kann. Die Anfangszustände des Bösen ermangeln geradeso der Fortdauer und der Wirklichkeit wie seine ausgedrückten oder persönlich gemachten Erscheinungsformen. Wenn das unausgedrückte Böse schon im Entstehen zerstört wird, werden die Menschen frei sein von der scheinbaren Notwendigkeit, durch die Wüste der Sünde und der Trübsal, die in der menschlichen Erfahrung einen so großen Raum einnehmen, zu wandern. Wahres Menschentum, das die Einheit des Guten bekundet, obgleich es in Einzelwesen in Erscheinung tritt, ist nicht der Notwendigkeit sündhafter Erfahrung unterworfen. Unsere Führerin hat in nicht mißzuverstehenden Ausdrücken die Sündlosigkeit der höheren Urbilder der Mannheit und Weiblichkeit klargemacht. In „Unity of Good” (S. 49) schreibt sie: „Je mehr ich das wahre Menschentum verstehe, desto mehr erkenne ich, daß es sündlos ist,—die Sünde ebensowenig wie der vollkommene Schöpfer kennt”. Beständig hielt sie das wahre Sein sowohl in seiner Beschaffenheit als auch in seinem Inhalt für gut,—für frei von Sünde und in keiner Hinsicht der scheinbaren Unvermeidlichkeit der Sünde unterworfen. Wenn diese Tatsache einmal begriffen und angewandt wird, werden die Sterblichen weniger unter der Herrschaft der Sünde stehen, und der Weg zum Leben wird entsprechend leichter sein. Ist die angenehme Aussicht auf einen sündlosen Zustand, worin das Böse und seine scheinbaren Kundwerdungen keine Wohnstätte haben, nicht für alle ernsten Christen ein erstrebenswertes Ziel?
Die Botschaft des Petrus an die durch die Heiligung des Geistes erwählten, in Pontus und in den Nachbarländern zerstreut lebenden Fremdlinge enthielt eine Warnung vor dem Bösen, dem allen Menschen gemeinsamen Feinde, eine Warnung, die heutzutage nicht weniger angebracht ist als zu jener weit zurückliegenden Zeit. „Seid nüchtern und wachet”, mahnte er; „denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge”, und der gestrenge Jünger schloß mit der Zusicherung einer gegenwärtigen und zugänglichen Kraft zur Überwindung dieses gemeinsamen Feindes: „Der Gott aber aller Gnade, der uns berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christo Jesu, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen”. Der „brüllende Löwe” in Gestalt des unpersönlichen Bösen schreitet immer noch umher und ist wissenschaftlich zu behandeln.
Wie hell in Gottes leuchtender Gegenwart der Weg der Erwählten doch ist! Und die Erwählten sind diejenigen, die den Weg der Wahrheit erwählen. Der Christus, die Wahrheit, ist immer gegenwärtig, um das Bedürfnis der Menschen zu befriedigen, welcher Art das Bedürfnis auch sei. Doch ist es notwendig, daß diese heilige Gegenwart bewiesen werde. Nicht allein glauben wir an geistige Kraft, sondern wir müssen auch beweisen, daß sie wirksam ist, das Böse, sowohl das unausgedrückte und untätige als auch in seinen sichtbaren Erscheinungsformen, zu zerstören,—es zu zerstören, weil es nicht von Gott ist. „Das Böse ist ohne Prinzip”, schreibt Mrs. Eddy in „Unity of Good” (S. 49). „Da es ohne Prinzip ist, ermangelt es der Wissenschaft. Es ist also nicht beweisbar, ohne Beweis”. Die Nichtigkeit des Bösen wird durch das Beweisen der Allheit Gottes dargetan. Diesen Beweis liefert die Christliche Wissenschaft. Sie zerstört dadurch in wissenschaftlicher Weise das Böse, als Gattung oder als persönlichen Ausdruck, durch die Anwendung geistiger Wahrheit.
